Genfer Autosalon: Warum Computermessen den Autobauern Konkurrenz machen
Die Krise der Autobranche verändert das Gesicht der Branchenmessen. Beim Genfer Salon wird das zu sehen sein, genauso wie bei der IAA in Frankfurt.
Die deutsche Autoindustrie erwartet in diesem Jahr einen deutlichen Rückgang der Inlandsproduktion und muss sich auf ein weltweit schwieriges Geschäft einstellen. In den deutschen Werken dürfte die Produktion um rund fünf Prozent auf 4,8 Millionen Fahrzeuge sinken, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Wochenende mit. Auch Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer stimmt die Autobauer auf Probleme ein: Gewinnwarnungen, Produktionskürzungen und Personalabbau seien programmiert, sagte er.
Eines ist klar: Wenn an diesem Donnerstag der Genfer Autosalon beginnt, dann wird die erste Branchenmesse in diesem Jahr so deutlich wie nie zuvor die Probleme, aber auch den Umbruch, dokumentieren: Handelskrise und Dieselkrise einerseits und die Entwicklung des Elektroantriebs andererseits: Über 40 Milliarden Euro will allein deutsche Autoindustrie in den nächsten drei Jahren in die Elektromobilität investieren.
Doch was bedeutet das für die traditionellen Automessen, den Leistungsschauen der Hersteller? Schon in Genf wird man spüren, dass die Aussteller zurückhaltender werden. Und wenn die 68. Internationale Automobilausstellung (IAA) am 12. September in Frankfurt am Main ihre Pforten öffnet, dann steht schon jetzt fest, werden die Besucher Autos und Modelle von mindestens 15 renommierten Herstellern vermissen. Der französische Auto-Konzern PSA – Peugeot, Citroen, DS – Renault, Volvo, Toyota, Nissan, Mazda, Mitsubishi, Rolls Royce und Aston Martin gehören zu den bekanntesten Namen, die auf den Auftritt in den Frankfurter Messehallen verzichten. Offen ist noch, ob unter anderen Fiat, Alfa und Tesla kommen.
Beobachter warnen vor Rumpf-IAA
Beobachter warnen schon vor einer Rumpf-IAA. Die deutschen Hersteller zumindest halten den Frankfurter Messemachern noch die Treue. Daimler wird mit Mercedes und Smart wieder die Festhalle belegen, VW mit den Konzernmarken die Halle 3. Opel ist auch dabei, BMW ebenso. Allerdings nutzen die Münchner nicht mehr 11000 Quadratmeter in der Halle elf. Sie beschränken sich auf 3000 Quadratmeter. Statt 25 Millionen geben sie, so ist zu hören, für den IAA-Auftritt 2019 nur noch sechs Millionen Euro aus. Allenthalben betonen Manager der deutschen Hersteller, man freue sich auf die IAA. BMW wandele sich mehr und mehr zu einer „Tech-Company“, sagt Vorstandsmitglied Pieter Nota. Das werde man auf der IAA zeigen. Britta Seeger von Daimler verspricht einen „eindrucksvollen und lebendigen Auftritt“, VW-Markenvorstand Jürgen Stackmann „faszinierende Innovationen“.
Tatsächlich aber geht das Interesse an der IAA zurück, auch wenn die bisherigen Absagen, wie man beim VDA betont, nur für 18 Prozent Marktanteil in Deutschland stünden. Weltweit aber ist es fast ein Drittel. Seit fast 70 Jahren findet die IAA mit kurzen Unterbrechungen in Frankfurt statt (die IAA für Nutzfahrzeuge wird in Hannover organisiert). Kamen 2015 noch 1100 Aussteller - Hersteller und Zulieferer – und 930000 Besucher an den Main, waren es 2017 nur noch 994 Aussteller und 810.000 Auto-Fans. Schon 2017 hatten mehrere renommierte Hersteller auf die IAA verzichtet, andere wie Audi den Auftritt abgespeckt.
Autos Anfassen
Beim Verband der Automobilindustrie, der die Schau veranstaltet, sieht man die Entwicklung, ist aber nicht pessimistisch. Man sei weiter mit vielen Firmen im Gespräch, sagt VDA-Präsident Bernhard Mattes. Er glaubt im Herbst ein attraktives Forum bieten zu können, auch mit Autos zum Anfassen, Test-Fahrten und Fahrerlebnissen auf dem IAA-Gelände. Ziel sei eine moderne IAA. „Die großen Fortschritte bei Elektromobilität, Digitalisierung, vernetztem und automatisiertem Fahren sowie dem autonomen Fahren werden wir auch auf der IAA 2019 erleben. Wir freuen uns auf viele neue Formate und Player, von Startups und Tech- und Software-Unternehmen. Die IAA transformiert sich wie die gesamte Branche“.
Mattes weiß, dass Computermessen wie am Jahresanfang die CES in Las Vegas für traditionelle Automessen zur echten Konkurrenz werden. 2017 hatte der VDA deshalb Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg zur IAA-Eröffnung nach Frankfurt geholt. Mercedes, BMW und Audi, und Zulieferer wie Bosch, Continental oder Schäffler waren im Januar in Kalifornien. Mattes auch. Auf die klassische Automesse in Detroit hatte er verzichtet. „Die Kernbotschaften, die wir auf der CES gehört haben, werden im September in Frankfurt auf der IAA noch akzentuierter formuliert“, verspricht er.
IAA soll weiter in Frankfurt bleiben
Jürgen Pieper, renommierter Kenner der Branche vom Bankhaus Metzler, verweist auch auf den hohen finanziellen Aufwand eines IAA-Auftritts. „Es sind die schnöden Kosten, von geschätzt bis zu 100 Millionen Euro allein beim VW-Konzern. Das ist dann doch irgendwann zu viel.“ Auch Daimler greift bei der Anmietung der Festhalle tief in die Tasche. Sie wird monatelang aufwendig umgestaltet, drei Ebenen verbunden mit Rolltreppen werden eingebaut. Das verschlingt einen ansehnlichen zweistelligen Millionenbetrag. Auch die Kosten für die aufwendig gestalteten Fahrzeugpräsentationen sind immens. Beim Marketing schauten Hersteller sehr genau, wo und wie sie das Geld ausgeben, sagt Pieper. Auf einer Messe mit der ganzen Modellpalette aufzutreten, sei überholt. „Die klassische Automesse gilt als ‚old-fashioned' gegenüber modernen Messen wie etwa der CES.“
All das spielt auch eine Rolle bei den derzeit laufenden Gesprächen zwischen dem VDA und der Frankfurter Messe über einen neuen Vertrag. Die aktuelle, 2011 geschlossene Vereinbarung läuft mit der IAA im September aus. Die Messe, die Stadt Frankfurt und das Land Hessen – 60 Prozent der Anteile liegen bei der Stadt, 40 Prozent beim Land – haben größtes Interesse, dass die IAA weiter am Main bleibt, schließlich bringt das sichere Einnahmen und die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Stadt und die Region sind enorm.
Allein schon wegen der engen Anbindung an den größten deutschen Flughafen gilt Frankfurt als optimaler IAA-Standort. Zudem modernisiert die Messe das Gelände und die Hallen laufend und hat unlängst die neue Halle 12 eröffnet. „Der VDA und die Messe Frankfurt, das passt ganz einfach“, sagt Messe-Chef Wolfgang Marzin. Jetzt muss es noch in einen neuen Vertrag gegossen werden.