CES in Las Vegas: Hier sind die Berliner Start-ups Auge in Auge mit Google
Die CES in Las Vegas gilt als Weltmarkt für Technikträume. Auch Berliner Technologieunternehmen suchen hier Kunden und Kontakte.
Nein, er hat nicht gespielt. Kein Roulette. Kein Poker. Aber Peter Kürpick, Vize-Chef des Kartenkonsortiums Here, schaut den Spielern schon mal über die Schulter. Er staunt vor allem, „wie sich diese Stadt durch die CES verändert“. Die weltgrößte Technologiemesse spüle gut eine Million Menschen Anfang Januar in die Wüstenstadt, einige davon auch aus Berlin. Und Here, das Gemeinschaftsunternehmen von BMW, Mercedes, Audi, Bosch und Continental, ist eine der größten Attraktionen vor Ort: mit einem Pavillon vor der zentralen Ausstellungshalle. Direkt neben Google – „unserem Konkurrenten“.
Here beschäftigt inzwischen weltweit 9000 Mitarbeiter und ist eine der Schlüsselfirmen im Geschäft mit der Digitalisierung der Städte. Dass Kürpick seine Firma dabei in der Konkurrenz mit dem Giganten Google auf Augenhöhe sieht, hat vor allem einen Grund: Die hochaufgelösten Karten, die Städte bis auf zehn Zentimeter genau in die virtuelle Welt „kopieren“, gründen auf einer offenen Plattform.
Hersteller von Autos, aber auch andere Dienstleister können diese lizensieren und auf das eigene Geschäft zuschneiden. Dagegen ist „Google eine Einbahnstraße“, sagt Kürpick. Was der Konzern mit den Daten aus der Navigation macht, wisse keiner so ganz genau. Zumal zu deren Geschäft die Einspielung von Werbung am Rande der Strecke liegender Firmen gehört. Ein No-go für Konzerne wie BMW, dessen Vize-Chef für „Digitales und Dienste“, Dieter May, in dasselbe Horn stößt: „Mit Google kauft man sich ein trojanisches Pferd ein“ – deshalb gehen die Bayern eigene Wege mit ihrer Beteiligung an Here.
Die USA sind Berliner Unternehmen nicht so weit voraus
Aber warum muss Kürpick im Januar immer vom Sitz in der Invalidenstraße an den Strip nach Las Vegas? „Weil alle Firmenchefs hier sind und wir die Themen Auge in Auge besser rüberkriegen.“ Und weil die aus dem Start-up Gate5 hervorgegangene Firma global agiert. Mitarbeiter aus 200 verschiedenen Ländern an Standorten bis ins indische Mumbai, ein Umsatz von kolportiert gut einer Milliarde Euro sowie viele US-Kunden, da liegt Vegas fast schon zentral.
Dass sich die Amerikaner auf dem Weg zum autonomen Auto weit voraus wähnen, hält Kürpick für einen Irrtum. „Was manche hier machen, würde in Europa nicht ausreichen, um rückwärts in eine Parklücke zu stoßen.“ Experimentierfreudiger kann man das nennen, aber auch gefährlich. Dass ein Tesla eine Radfahrerin mit einer Plastiktüte verwechselte und überfuhr, wird immer noch diskutiert. Auch dass sich Jugendliche als Mutprobe vor autonome Fahrzeuge werfen, damit diese eine Notbremsung ausführen. Oder dass in San Diego innerhalb eines Monats drei autonome Fahrzeuge des Transportdienstes Lyft attackiert wurden. „Die Menschen müssen sich an diese Fahrzeuge gewöhnen“, sagt Kürpick.
Neben Here sind eine Reihe weiterer Tüftler und Ingenieure, Firmengründer und Informatiker aus Berlin nach Las Vegas gereist. Zwei Handvoll Firmen präsentieren sich an einem gemeinsamen Messestand, den Berlin Partner betreut.
Der Berliner Stand ist in der zweiten Reihe
Strahlend blauer Himmel. Dichtes Gedränge. Hupende Autos und grimmig dreinblickende Cops – aber wo bitte ist der Berlin-Stand? Im „Westgate“, noch hinter der Nordhalle des Messezentrums. Warum so versteckt in der zweiten Reihe? „Ist er doch gar nicht“, sagt Holger Weiss, Gründer und Eigner von German Autolabs. Die Nordhalle schließe doch an und dort seien Mercedes, BMW, Ford, kurz die ganze Branche.
Weiss ist zum 15. Mal hier, inzwischen mit seinem dritten Start-up. Auch Gate5 gründete Weiss, also den Firmenkern von Here – so klein ist die Welt. Der 48-Jährige strahlt ohne die hier in viele Gesichter gezeichneten Spuren von Jetlag: „Superhappy“ sei er über die neuen Geschäftskontakte zur Vermarktung von „Chris“. Das ist ein kugelrunder Navigations- und Multimedia-Assistent für ältere Autos, der per Bluetooth mit dem Smartphone gekoppelt wird. Auf Zuruf nimmt das 299 Euro kostende Gerät Anrufe an und erledigt andere Dienste. Der Fahrer muss seine Hände nicht mehr vom Lenkrad nehmen.
35 Mitarbeiter beschäftigt Weiss in der Köpenicker Straße bei der vor zwei Jahren gegründeten German Autolabs: Pakistaner, Iraner und Israelis sind darunter. Aber auch deutsche „Rückkehrer aus Silicon Valley“. Denn „spätestens wenn die Kinder im schulfähigen Alter sind, wird es eng“. An die 400 000 Dollar im Jahr braucht ein Haushalt im Valley fürs Leben. Dazu kommt noch die Sorge, ob das europäische Bildungssystem nicht doch Vorteile hat.
Einen Stand weiter sitzen Kevin Valdek und Risto Vahtra von High-Mobility. Beide stammen aus Tallinn in Estland, lernten sich aber erst als Studenten im schwedischen Göteborg kennen. Von dort verschlug es sie nach Berlin. 31 und 35 Jahre jung sind sie. Für ihre Schnittstelle zwischen Daten im Auto und Apps sowie Anwendungen von Dienstleistern draußen, haben sie gerade einen dicken Fisch an Land gezogen: Eine Kooperation mit Mercedes ist unterzeichnet.
An einem Pokertisch oder einem Geldautomaten saßen sie noch nicht: „Wir sind Risiko-Manager“, sagt Vahtra und schmunzelt – das Risiko zu verlieren ist gigantisch. Die Cocktailparty mit Burgern und Whiskey am Vorabend nahmen sie mit. „Aber wir waren vor elf zurück im Hotel“, sagt Valdek. Schließlich tragen die beiden Wahlberliner Verantwortung für 20 Mitarbeiter. Und solange die Firma „Investoren-Gelder verbrennt“, sei harte Arbeit bei der Anbahnung neuer Kontakte und die Pflege bestehender angesagt.
Tesla geht mehr Risiko ein als deutsche Firmen
50.000 Euro hat sich das Land Berlin die 36 Quadratmeter für vier Tage kosten lassen. Die acht Berliner Aussteller zahlen jeweils 1000 Euro für ihre Arbeitsplätze in der Wüstenstadt – plus Flüge und Hotel. David Blumenthal von den Berlin-Partnern berichtet von vielen weiteren Interessenten: „Schon vor Messebeginn kam der Vertreter eines Start-ups aus den USA, der seine Zentrale nach Berlin verlegen will.“ Im nächsten Jahr sollen erstmals auch Firmen aus den Segmenten Ingenieurtechnik und Smart Cities mitreisen.
Gleich um die Ecke stehen zwei Forscher: Karl Hübner vom Daimler Center for Automative Information Technology Innovations an der Technischen Universität sowie Robert Protzmann vom Fraunhofer Institut Fokus. Die beiden behaupten sich im Wettbewerb mit Chinesen und US-Amerikanern um die Krone bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Sind die USA nicht weit vorne, allein schon wegen der Vernetzung von Berkeley und dem Silicon Valley? Protzmann winkt ab: „Die gehen stärker ins Risiko und kommunizieren anders.“ Lauter würde wohl jeder sagen, der die CES in Vegas kennt.
Ein Teil der Technologie des brandneuen CLA, eine Weltpremiere von Mercedes auf der CES, fußt auf Forschungen der beiden Männer. Zwei Teststrecken stehen ihnen in Reinickendorf und im Tiergarten für autonome Fahrzeuge zur Verfügung. „Der CLA ist schon sehr weit voraus“, sagt Protzmann. Risiken eingehen wie der US-Hersteller Tesla würden deutsche Firmen niemals. „Da sind die ganz vorsichtig.“ Die Sicherheit zuerst sei eben das Credo aller deutschen Firmen, und das sei auch nicht verhandelbar.
Ins Kasino verschlug es die beiden auch nicht. „Das Geld haben wir lieber in einen Mietwagen investiert und sind damit rausgefahren“, sagt Hübner. Einmal in die Wüste, wo die großen runden Dornenbüsche wie im Western durch die staubtrockene rote Landschaft rollen. Und einmal in die schneebedeckten Berge, nur wenige Kilometer weiter.
Die Reise zur CES nach Las Vegas wurde unterstützt durch die Firma Intel.