Autobahnraststätten: Warum an Raststätten alles immer so teuer ist
Rund 500 Millionen Reisende machen pro Jahr eine Pause bei Tank & Rast. Der Quasi-Monopolist nutzt das aus. Doch jetzt bekommt er Ärger.
"Is this Chicken?“, fragt der Lkw-Fahrer und deutet in die Kühltheke, wo die Tellergerichte stehen. „Nee, dit is’ Schnitzel!“, gibt die Angestellte hinter dem Tresen zurück. Montagvormittag, Rasthof „Linumer Bruch“ an der A24, nördlich von Berlin. Vier polnische Trucker haben Hunger. „Chef!?“, ruft einer in Richtung Küche, „Omelette!“ Sie sprechen kein Deutsch, aber man hat verstanden. „Bin schon ’bei, allet juut“, schallt es aus der Küche. Die Kollegen sind noch unschlüssig, lehnen an den Stehtischen und starren auf die Speisekarte. Currywurst mit Pommes und Softdrink: 11,98 Euro. Kleine Cola: 2,99 Euro. Tasse Kaffee 2,99 Euro. Willkommen in der Welt von Tank & Rast.
Die vier Trucker gehören zu den 500 Millionen Reisenden, die jedes Jahr Station machen an einer der 360 Tankstellen und 410 Raststätten, die der Konzern an den Bundesautobahnen betreibt. Auch zum Ende der Sommerferien in Berlin werden viele Urlauber wieder eine Pause bei Tank & Rast (T & R) einlegen – und sich über die Preise für Sprit, fürs Essen oder für den Toilettenbesuch ärgern.
Der Liter Super kostet an jenem Vormittag 1,60 Euro (in Berlin im Schnitt 1,45 Euro), die Pinkelpause bei der T&R-Tochter Sanifair 70 Cent, von denen 50 Cent in den T&R-Shops wieder eingelöst werden können. Eine buchstäblich saubere Sache – an den Sanitäranlagen gibt es nichts auszusetzen. Doch alles ist teuer.
"Zwangslage wird schamlos ausgenutzt"
Das war an der Autobahn schon immer so. Allerdings dreht sich seit der Privatisierung der Raststättengesellschaft vor 20 Jahren die Preisspirale unaufhörlich nach oben. 2018, so scheint es, hat der Quasi- Monopolist Tank & Rast, der die Raststätten exklusiv betreiben oder verpachten darf, die Schmerzgrenze erreicht.
„Die Zwangslage der Reisenden auf der Autobahn wird schamlos ausgenutzt“, sagt Marion Jungbluth, Verkehrsexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die Privatisierung habe offensichtlich nicht zu einem gesunden Wettbewerb geführt, mit einem guten Angebot von Waren zu akzeptablen Preisen. „Die Realität an den Autobahnraststellen sieht anders aus“, sagt Jungbluth.
Nichts geändert hat daran offenbar auch die Tatsache, dass es abseits der Autobahnen noch 190 Autohöfe gibt, die versuchen, in den T&R-Herrschaftsbereich einzudringen und Reisende – vor allem Lkw-Fahrer – mit niedrigeren Preisen, besserem Service und Burger-King- Filialen anzulocken. Das Bundeskartellamt sieht auch deshalb keinen Grund, im Geschäftsgebaren von Tank & Rast eine Gefahr für den Wettbewerb zu sehen.
Tank & Rast kauft Wettbewerber auf
Ein Fehler, wie die Vereinigung Deutscher Autohöfe (Veda) findet. „Betriebswirtschaftlich macht der Konzern das wirklich gut, Kompliment“, sagt Veda-Geschäftsführer Herbert Quabach. „Aber die Kunden werden dabei abgekocht.“ Kritisch beobachtet Quabach den Expansionsdrang von T&R. Das Unternehmen hat damit begonnen, Autohöfe zu übernehmen. 13 gehören schon zum Raststättenreich. Wie eklatant die Preisunterschiede zwischen T&R, Autohöfen und dem herkömmlichen Einzelhandel sind, hatte jüngst auch der Verein „Mobil in Deutschland“ ermittelt (siehe Interview).
Der Automobilclub ACE fragt sich ebenfalls, ob T&R seine Marktmacht zu Lasten der Allgemeinheit missbraucht. „Das Controlling wäre hier sehr wichtig“, sagt ACE-Chef Stefan Heimlich. „Die Monopolstellung von Tank & Rast sollte beobachtet werden.“ Die größte Lobby der Autofahrer, der ADAC, ist zu diesem Thema „nicht sprechfähig“. Weil der Club mit Tank & Rast ein Rabattprogramm für Mitglieder vereinbart hat, äußert man sich nicht mehr. Das war früher anders: Die jährlichen Raststätten-Tests des ADAC gaben Verbrauchern ein objektives Qualitäts-Ranking an die Hand. 2013 stellte der ADAC sie ein.
90 meist mittelständische Pächter
Die Gäste müssen sich seitdem selbst ein Bild machen. „Die sieht ja gut aus“, sagt eine Rentnerin im „Linumer Bruch“- Restaurant und zeigt auf die große Bockwurst, die eine Mitreisende aus einer Pappschale isst. 3,99 Euro kostet die Wurst. Eben noch hat die Dame versucht, ihre Bekannten nach nebenan zu locken, zu McDonald’s, wo es viel voller ist als im Restaurant des T&R-Pächters Autogrill. Doch die Bockwurst gewinnt. Die T&R- Gäste haben die Wahl: links zu Autogrill, rechts zu McDonald’s. „Die Geschmäcker sind verschieden“, sagt ein Mann, der rechts in einen Big Mac beißt. Nicht nur die Geschmäcker, auch die Geldbeutel: Bei McDonald’s kosten die Menüs so viel wie in einer normalen Filiale.
Derzeit gibt es im Servicenetz von Tank & Rast rund 90, meist mittelständische Franchisenehmer. Die Pachtzahlungen der Restaurant- und Tankstellenbetreiber sind die wichtigste Einnahmequelle des Konzerns, der 2015 für 3,5 Milliarden Euro an ein Konsortium von Finanzinvestoren verkauft wurde: Allianz Capital Partners, Omers Infrastructure (kanadischer Pensionsfonds), Infinity Investments (Staatsfonds aus Abu Dhabi), MEAG (Asset Manager der Munich Re) und China Investment. Verkäufer war der Finanzinvestor Terra Firma gewesen, der T&R nach bester „Heuschrecken“-Manier mit MilliardenSchulden beladen hatte, die noch heute auf dem Unternehmen lasten.
Investoren wollen Rendite sehen
Wie hoch sie tatsächlich sind, ist unklar. Transparenz ist nicht die Stärke des Raststätten-Konzerns. Auch zu seinen aktuellen Geschäftszahlen äußert sich T&R nicht – „aus Wettbewerbsgründen“. Fragen werden schriftlich beantwortet. Nach letzten Brancheninformationen lagen allein die Pachteinnahmen für Shops und Gaststätten zuletzt bei 230 Millionen Euro. Insgesamt kamen alle T&R-Pachtbetriebe 2017 auf einen geschätzten Umsatz von mehr als 600 Millionen Euro – bei einem Schuldenstand von mehr als zwei Milliarden Euro.
Der Druck der Eigentümer, die Rendite nach oben zu treiben, ist also groß. Den Vorwurf der Preistreiberei und Abzocke weist Tank & Rast dennoch entschieden zurück. „Sie entbehren jeder sachlichen Grundlage und sind falsch“, heißt es. Verwiesen wird auf ein „branchenübliches Franchisemodell“ mit „selbstständigen Unternehmern mit Kundenfokus“. Auf die Gestaltung der Preise an den Raststätten habe T&R keinen Einfluss, dies gelte auch für die Spritpreise.
Teure Auktion, hohe Spritpreise
Doch die Macht des Verpächters wirkt mittelbar. So sind die Preise, die Tankstellenkonzerne im Rahmen einer Auktion für T&R-Standorte zahlen müssen, zuletzt gestiegen. Anfang 2018 hatte T&R sogenannte Einlieferungsrechte für 2018 bis 2022 an 133 Autobahnstationen versteigert. Zum Zuge kamen vor allem Mineralölkonzerne, die ihre höheren Kosten nun an die Kunden weiterreichen. Demnächst soll an allen Tank & Rast-Plätzen auch Strom getankt werden können. In Kooperation mit Autokonzernen und gefördert vom Bund wird ein Netz von Schnellladestationen aufgebaut. Ein Grund mehr, Tank & Rast genauer unter die Lupe zu nehmen, meinen Kritiker. „Die finanzielle Unterstützung des Bundes dient der Renditeerwartung der Anteilseigner von Tank & Rast anstatt dem Allgemeinwohl zu nützen“, sagte Marion Jungbluth vom vzbv. Die Bundesregierung müsse bei der nächsten Ausschreibung der Konzessionen dafür sorgen, dass Quasi-Monopole wie Tank & Rast verhindert würden und mehr Anbieter zum Zuge kommen.
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