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VW-Konzern zerlegt. Details des Manipulationsskandals kommen jeden Tag ans Licht. Die VW-Tochter Audi stellte am Mittwoch Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt, ist aber auch selbst Gegenstand von Spekulationen.
© Dado Ruvic/Reuters

Abgasskandal bei Volkswagen: VW-Manager wackeln, Blume neuer Porsche-Chef

Ob Finanzchef Hans Dieter Pötsch neuer VW-Chefkontrolleur werden soll, ist im Aufsichtsratspräsidium umstritten. Die Familien Porsche und Piëch stellen sich hinter ihn.

Personalien und die finanziellen Folgen des VW-Skandals haben am Mittwoch erneut das Aufsichtsratspräsidium des VW-Konzerns beschäftigt. Das fünfköpfige Kontrollgremium wollte dem Vernehmen nach eine erste Zwischenbilanz des Krisenmanagements seit Bekanntwerden der Abgasmanipulationen vor zehn Tagen ziehen. Die VW-Tochter Audi stellte Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt.

Frankreich und Spanien prüfen, ob sie Fördergelder für VW vom Unternehmen zurückfordern sollen. In Großbritannien sind 1,2 Millionen Fahrzeuge des Herstellers betroffen. Die Motorenproduktion in Salzgitter wurde vorsorglich zurückgefahren. Politiker bekräftigten ihre Forderungen nach einer lückenlosen Aufklärung. „VW wird am Ende nicht mehr das sein, was es war“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Interview.

Für Diskussionen sorgt die Neubesetzung von Schlüsselpositionen im Konzern – insbesondere die Besetzung der Aufsichtsratsspitze mit Noch-Finanzchef Hans Dieter Pötsch. Die Familien Porsche und Piëch bekräftigten am Mittwoch, dass sie eindeutig hinter Pötsch stehen, wie ein Sprecher der Dachgesellschaft Porsche SE sagte. Die Holding hält die Mehrheit an VW, die Familien Piëch und Porsche wiederum spielen eine maßgebliche Rolle in der Porsche SE. Wolfgang Porsche gehört dem Präsidium des VW-Aufsichtsrats an.

Pötsch soll am 9. November in Berlin von den Aktionären gewählt werden

Pötsch ist umstritten, weil er in seiner neuen Rolle die Aufklärung des Dieselskandals beaufsichtigen soll – für den er in seiner Zeit als VW-Vorstand aber möglicherweise eine Mitschuld tragen könnte. Auch im Präsidium selbst waren dem Vernehmen nach am Mittwoch Zweifel aufgekommen, ob Pötsch der richtige Mann sei. So soll vor allem das Land Niedersachsen noch Klärungsbedarf haben.

Der 20-köpfige VW-Aufsichtsrat hatte – auf Empfehlung des Präsidiums von Anfang September – in der vergangenen Woche beschlossen, dass Pötsch im November in den Aufsichtsrat wechseln soll. Die Personalie soll bei der außerordentlichen Hauptversammlung am 9. November in Berlin von den Aktionären abgesegnet werden.

Beschlossen wurde am Mittwoch, wer neuer Porsche-Chef wird: der bisherige Produktionsvorstand Oliver Blume. Er folgt auf Matthias Müller, der am Mittwoch seinen zweiten offiziellen Arbeitstag als neuer VW-Vorstandsvorsitzender hatte. Nach Wolfsburg wechseln wird wohl auch der bisherige Porsche-Sprecher Hans-Gerd Bode. Er soll Nachfolger des bisherigen Leiters der VW-Konzernkommunikation, Stephan Grühsem, werden. Grühsem gilt als enger Vertrauter von Martin Winterkorn, der als Konzernchef zurückgetreten war. Bode sei ein enger Vertrauter von Müller, hieß es.

Bernhard und Pischetsrieder wollen nichts gewusst haben

Im Zuge der Manipulationsaffäre hat VW rund ein Dutzend Mitarbeiter beurlaubt. Wie das „Manager-Magazin“ berichtete, werden die Betroffenen verdächtigt, an Entwicklung und Einsatz der zur Manipulation von Abgaswerten genutzten Software beteiligt gewesen zu sein – oder frühzeitig davon gewusst zu haben. Der Großteil der beurlaubten Mitarbeiter sei in der Motorenentwicklung und Abgasnachbehandlung tätig gewesen. Unter den beurlaubten Mitarbeitern sind „Entwickler und Manager auch höherer Hierarchieebenen in Deutschland und den USA“.

Der Rechercheverbund von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR hatte berichtet, dass der ranghohe VW-Manager Heinz-Jakob Neußer in den Fokus des Skandals geraten sei. Interne Untersuchungen hätten ergeben, dass der inzwischen beurlaubte Manager 2011 den Hinweis eines Motorentechnikers auf möglicherweise illegale Praktiken abgetan habe.

Der frühere Konzernchef Bernd Pischetsrieder und der frühere VW-Markenchef Wolfgang Bernhard ließen über ihre Anwälte mitteilen, sie hätten keine Kenntnis vom Einbau der Software gehabt. Die Entscheidung zum Einbau soll bereits 2005 und 2006 gefallen sein und zwar in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale in Wolfsburg.

Die VW-Krise ist nach Ansicht von Finanzminister Schäuble auch eine Folge von immer mehr Gier auf dem Weltmarkt. Wie schon bei der Finanzmarktkrise stelle sich heraus, dass der globale Wettbewerb, „wenn man auf dem Weltmarkt erfolgreich sein will, unglaublich brutal“ sei. Immer wollten alle „die Größten“ sein, sagte Schäuble dem „Redaktions-Netzwerk Deutschland“ am Mittwoch. „Es ist auch die Gier nach Ruhm, nach Anerkennung. Man steht fassungslos davor und sieht doch immer wieder, wie das endet“, sagte Schäuble. (mit rtr,dpa)

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