Hartes Urteil in Diesel-Affäre: VW-Ingenieur muss 40 Monate in Haft
Ein Gericht in den USA hat einen ehemaligen Volkswagen-Mitarbeiter zu 40 Monaten Gefängnis und Geldstrafe verurteilt. Er war wegen der Diesel-Affäre angeklagt.
Im VW-Dieselskandal hat es ein erstes überraschend hartes Urteil gegen einen Verantwortlichen gegeben. Ein Gericht in den USA verurteilte am Freitag den angeklagten VW-Mitarbeiter Robert James Liang wegen seiner Beteiligung am Abgasbetrug zu drei Jahren und vier Monaten Haft sowie einer Geldstrafe von 200 000 Dollar. Damit lag das Urteil für den 63-Jährigen mit deutscher Staatsbürgerschaft über der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe von drei Jahren Haft und 20000 Dollar Geldbuße. Die Verteidigung hatte für eine mildere Strafe plädiert. Sie kann Berufung einlegen.
In Deutschland wird derweil weiter über ein Ende des Verbrennungsmotors diskutiert. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will sich nicht auf einen festen Zeitpunkt festlegen. Als Brückentechnologie werde es den Dieselantrieb noch lange geben, sagte der Sozialdemokrat nach Beratungen mit Arbeitnehmervertretern der großen Autohersteller in Frankfurt. Es sei falsch, feste Termine für den Verzicht auf Verbrennungsmotoren zu nennen. Die Käufer von Dieselautos müssten sicher sein, ihre Wagen lange nutzen zu können.
Seit den Manipulationen an weltweit mehr als elf Millionen Dieselfahrzeugen des VW-Konzerns ist die Verunsicherung bei Autofahrern groß. Viele trauen den Autobauern nicht mehr. Auch die Aussagen von Ex-Konzernchef Martin Winterkorn, er habe erst im September 2015 von den Abgastricks erfahren, werden stark bezweifelt. Gegen den 70-Jährigen ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Betrugs und Marktmanipulation.
Zudem verdichten sich die Hinweise, dass die oberste Führungsebene des Autokonzerns in den Abgasbetrug frühzeitig eingeweiht war. Der Ende 2015 zurückgetretene Winterkorn soll einem Bericht zufolge schon fast zwei Monate vor Bekanntwerden der Softwaremanipulationen an Millionen Dieselfahrzeugen von den Tricks seiner Ingenieure in den USA erfahren haben. Dies ist Aussagen des ehemals obersten Qualitätsmanagers bei VW gegenüber deutschen und amerikanischen Ermittlern zu entnehmen, über die „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR am Freitag berichteten. Demnach informierte der führende VW-Qualitätsmanager Bernd Gottweis, ein Vertrauter Winterkorns, den Vorstandsvorsitzenden bereits am 27. Juli 2015 telefonisch darüber, dass VW in den USA „beschissen“ habe. Erst am 19. September hatte Volkswagen die Manipulation von Abgaswerten bei Dieselmotoren zugegeben. Der Manager soll den Ermittlern gesagt haben, er selbst habe am 21. Juli 2015 von einer illegalen Software erfahren. Geschehen sei nach dem Telefonat mit Winterkorn aber nichts. Der Konzern äußerte sich mit Hinweis auf laufende Ermittlungen nicht. Winterkorns Anwalt war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
VW äußerte sich nicht zu dem Urteil
Mit dem ersten Urteil gegen einen VW-Mitarbeiter in den USA beginnt im Abgasskandal ein neues Kapitel. Volkswagen hatte dort die „Dieselgate“-Affäre auf Konzernebene mit Milliarden-Vergleichen weitgehend abhaken können. Nun folgen einige Prozesse gegen Mitarbeiter. Das Problem der Amerikaner ist jedoch, dass neben Robert Liang nur Oliver Schmidt, der bis 2015 in leitender VW-Funktion mit Umweltfragen in den USA betraut war, gefasst werden konnte. Die restlichen Beschuldigten werden in Deutschland vermutet, wo sie vor den US-Ermittlern relativ sicher sind.
Für den 63-jährigen Dieselexperten Liang hatte die Staatsanwaltschaft eine relativ milde Strafe gefordert, weil sie die eigentlichen Drahtzieher, die „Masterminds“ des Abgasbetrugs woanders vermutet. Richter Sean Cox sagte, das Urteil werde hoffentlich andere abschrecken. Der Angeklagte sei Teil einer längeren Verschwörung gewesen. „Dies ist ein sehr ernstes Vergehen gegen unser Wirtschaftssystem.“ VW äußerte sich nicht zu dem Urteil. Der Konzern kooperiere weiter vollumfänglich mit dem US-Justizministerium, erklärte ein Sprecher lediglich.
Liang war 35 Jahre lang für VW tätig. Er hatte im September 2016 ein Geständnis abgelegt – rund ein Jahr nach dem offiziellen Bekanntwerden des Skandals. Seitdem kooperierte er als Kronzeuge mit den US-Behörden. Mittlerweile wurden in den USA Strafanzeigen gegen weitere sieben amtierende und ehemalige Mitarbeiter des VW-Konzerns gestellt. (mit rtr, dpa)