Niedersachsen und VW: Volkswagen ist ein politischer Konzern
Die Aufsichtsratsmandate wahrnehmenden Politiker müssen sich ihrer Doppelrolle bewusst sein. Und der Gefahren – vor allem im Wahlkampf.
Ministerpräsident Stephan Weil hat eine gute Figur gemacht in diesem wilden Jahr. Im Frühjahr ging der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch auf Distanz zum Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn; Piëch verlor das Scharmützel und trat ab. Im Herbst kam der Dieselbetrug ans Licht, Winterkorn musste gehen. Das Krisenmanagement im weltgrößten Autokonzern lag 2015 in den Händen der Aufsichtsräte Berthold Huber und Stephan Weil; Gewerkschafter und Politiker behielten einigermaßen den Überblick im Tohuwabohu. Sie beide drängten Winterkorn zum Rücktritt und begannen mit der Aufklärung des Dieselbetrugs, die indes auf halbem Wege steckenblieb.
An dieser Stelle kann man das Verhalten Weils damals zu verstehen versuchen: die Abstimmung seiner Regierungserklärung zum VW-Skandal. VW hat die Ergebnisse der externen Aufklärer wider ursprünglicher Zusage nicht veröffentlicht, weil der Konzern dadurch Nachteile in den unzähligen Schadensersatzverfahren befürchtet. Und der Aufsichtsrat und Ministerpräsident Weil hat die juristische Expertise von VW eingeholt, um weder VW noch sich als Aufsichtsrat zu schaden. Aber es sieht nicht gut aus, wenn ein Regierungschef sich seine Worte vom Konzern absegnen lässt. Bleibt als Schlussfolgerung der Rückzug aus dem Aufsichtsrat? Nein. Der Ministerpräsident gehört da rein.
Der Bund hat seine Anteile längst verkauft, das Land nicht
Volkswagen war immer ein politisches Unternehmen. Hitler wollte einen Kleinwagen fürs Volk, der weniger als 1000 Reichsmark kostet, und ließ dafür bei Fallersleben am Mittellandkanal nördlich von Braunschweig ab 1938 das VW-Werk bauen. Übrigens auch mit dem Geld der von den Nazis enteigneten Gewerkschaften. Nach dem Krieg kam der Käfer, und die britische Militärregierung übergab das Werk an das Bundesland Niedersachsen und die Bundesregierung. 1960 beschloss der Bundestag die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und die Teilprivatisierung, jeweils 20 Prozent Anteile blieben beim Bund und beim Land. Damals entstand das VW-Gesetz, das dem Land Niedersachsen bis heute eine Sperrminorität sichert.
Der Bund hat seine Anteile längst verkauft, das Land jedoch besitzt unverändert eine Schlüsselstellung wegen jenes Gesetzes, das zuletzt 2013 vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand hatte. Das VW-Gesetz schützt das Unternehmen vor reinen Kapitalinteressen, und das ist beruhigend für Niedersachsen, wo knapp 200 000 zumeist gut bezahlte Arbeitsplätze am Konzern hängen. Kein verantwortlicher Landespolitiker erwägt den Verkauf der VW-Anteile und mithin den Verzicht auf Einfluss.
Dem Konzern haben Politik und IG Metall im Übrigen nicht geschadet. Wie sonst hätte Volkswagen vom Mittellandkanal aus zu einem Konzern mit zwölf Marken und mehr als 600 000 Beschäftigten in rund 120 Fabriken in aller Welt werden können?
Die Aufsichtsratsmandate wahrnehmenden Politiker müssen sich ihrer Doppelrolle bewusst sein. Und der Gefahren – vor allem im Wahlkampf. Als der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder 1996 auf Einladung des damaligen VW-Chefs Ferdinand Piëch in dessen Loge beim Wiener Opernball auftauchte, gab es Hohn und Spott und Rücktrittsforderungen. Zwei Jahre später löste Schröder Helmut Kohl ab – und wurde ein erfolgreicher Autokanzler.
Alfons Frese
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