Steuern, Strafen, Sanktionen: VW im Strudel der Krise
Der Staatsanwalt nimmt die CO2-Manipulationen bei Volkswagen ins Visier, der Finanzminister deutet Steuernachzahlungen an - und die EU will strengere Kontrollen für Autos.
Volkswagen hat Ärger an allen Fronten: Der Staatsanwalt interessiert sich nun auch für die jüngst eingeräumten „Unregelmäßigkeiten“ bei CO2-Angaben. Der Fiskus könnte hohe Nachzahlungen verlangen, weil zu wenig Kfz-Steuer floss. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung steht im Raum. Insidern zufolge bereitet sich der Konzern derweil auf weitere, milliardenschwere Rückstellungen vor. Zugleich erhöht die Politik den Druck: Die EU-Kommission dringt auf strengere Kontrollsysteme für Autos – und beklagt ein geplatztes Treffen mit dem VW-Vorstand.
Dem Staat sind wegen manipulierter Abgaswerte in diesem Jahr laut einer Schätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) 1,8 Milliarden Euro an Kfz-Steuern entgangen. Rein rechtlich gesehen seien die Autokonzerne nicht verpflichtet, diese Mindereinnahmen auszugleichen, sagte der Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH berät, am Donnerstag in Berlin: „Steuerschuldner ist der Fahrzeughalter.“ Damit Verbraucher, die in gutem Glauben ein Fahrzeug gekauft hätten, nicht auf den Kosten sitzenblieben, müsse die Verantwortung dafür auf den Hersteller übertragen werden – durch eine entsprechende Vereinbarung. Die Höhe der Kfz-Steuer ist in Deutschland an den Ausstoß von CO2 und damit auch an den Verbrauch gekoppelt.
Schäuble: Keine Lasten für Fahrzeughalter
Die Bundesregierung will VW per Gesetz zu fälligen Kfz-Steuer-Nachzahlungen zwingen. Man arbeite an einer Gesetzgebung, „die dafür sorgt, dass nicht der Kunde durch diese Mehrkosten belastet wird, sondern der Volkswagen-Konzern“, hatte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch angekündigt. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plädierte für eine Lösung zugunsten der Autobesitzer. „In erster Linie wollen wir dem Unternehmen helfen, mit seinen Kunden Wege zu finden, die die Dinge nicht weiter belasten“, sagte Schäuble am Donnerstag. Mögliche Steuernachzahlungen dürften nicht zulasten der Fahrzeughalter gehen, die damit weiter verprellt werden könnten. „Das ist etwas, das im Interesse des Unternehmens ist“, sagte Schäuble. Denn VW werde die Krise nur überstehen, „wenn es auch weiterhin Autos verkauft“.
Laut DUH lag bei den zehn in Deutschland am häufigsten zugelassenen Pkw- Modellen der Spritverbrauch zuletzt im Schnitt um 42 Prozent über den offiziellen Angaben. Auch deshalb kündigte die EU-Kommission am Donnerstag an, nationale Regulierer und deren Kfz-Zulassungswesen unter die Lupe zu nehmen. EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska, die zu Gesprächen nach Berlin gereist war, wollte dort auch mit dem neuen VW-Markenchef Herbert Diess sprechen. Der Termin platzte jedoch. Aus Kreisen der Behörde hieß es, man sei über die Absage von Volkswagen enttäuscht.
Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig läuft eine Vorprüfung
Auch die geschönten Sprit- und CO2- Angaben von 800 000 Volkswagen-Modellen – 200 000 davon in Deutschland – rufen die Staatsanwaltschaft Braunschweig auf den Plan. Es laufe eine Vorprüfung auf mögliche Straftatbestände, sagte ein Sprecher. Denkbare Delikte seien Betrug und unlauterer Wettbewerb. Die Justiz ermittelt schon wegen der Software- Manipulationen an Dieselfahrzeugen.
Angesichts der CO2-Manipulationen ist absehbar, dass auf den VW-Konzern noch größere finanzielle Schäden zukommen. Die Höhe der zusätzlich nötigen Rückstellungen stehe bislang aber noch nicht fest, sagte ein VW- Manager. Das wirtschaftliche Risiko hatte der Konzern auf etwa zwei Milliarden Euro beziffert. Unklar ist, ob diese Summe reichen wird. 6,7 Milliarden Euro hatte VW bereits für den Rückruf von rund elf Millionen Diesel-Fahrzeugen zurückgestellt. mit dpa/rtr