Abgas-Skandal bei Volkswagen: VW-Chef Martin Winterkorn gibt auf
Die Aufsichtsratsspitze von Volkswagen hat Martin Winterkorn zum Rücktritt gedrängt und kündigt im Abgas-Skandal weitere Konsequenzen an.
Martin Winterkorn hat den Weg frei gemacht für einen Neustart bei VW. Im Anschluss an eine Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums von Volkswagen teilte der Konzern am Mittwochnachmittag den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden mit. „Volkswagen braucht einen Neuanfang, auch personell“, wurde Winterkorn in einer Mitteilung des Konzerns zitiert. „Mit meinem Rücktritt mache ich den Weg dafür frei.“ Bereits am Dienstag hatten sich, wie berichtet, Teile des Aufsichtsrats gegen Winterkorn gewandt. Trotzdem hatte der noch am Dienstag in einer Videobotschaft einen Rücktritt nicht ins Kalkül gezogen.
Das Präsidium des Aufsichtsrats unter der Leitung des früheren IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber konnte dann im Verlauf des Mittwochs Winterkorn offenbar umstimmen. Über die Nachfolge wurde am Mittwoch noch nichts bekannt. „Vorschläge werden bis zur Sitzung des Aufsichtsrates am kommenden Freitag vorliegen“, teilte das Präsidium mit. Als Favorit gilt Porsche-Chef Matthias Müller. Der 62-Jährige hat als langjähriger Audi- und Porsche-Manager Erfahrungen im VW-Konzern und genießt das Vertrauen der Familien Piëch und Porsche, die neben dem Land Niedersachsen die meisten Anteile an Volkswagen besitzen.
Der seit 2007 als Vorstandschef amtierende Winterkorn betonte in seiner Erklärung, er sei sich „keines Fehlverhaltens bewusst“. Ähnlich äußerte sich Aufsichtsratschef Huber: Winterkorn habe keine Kenntnis gehabt von den Manipulationen bei der Abgasmessung von Dieselautos. „Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist. Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren“, sagte Winterkorn und deutete dann an, wie schwer ihm der Rücktritt gefallen sein muss: „Volkswagen war, ist und bleibt mein Leben.“
In einer neun Punkte umfassenden Erklärung kündigte das Aufsichtsratspräsidium an, eine Strafanzeige gegen Unbekannt stellen zu wollen. Ferner werde es im Konzern „weitere personelle Konsequenzen“ geben. Ein Sonderausschuss soll die Affäre aufklären „sowie die notwendigen Konsequenzen vorbereiten“. Die Verantwortlichen für den „unermesslichen Schaden für Volkswagen“ würden „mit aller Konsequenz belangt“. Weiter heißt es , VW sei „ein großartiges Unternehmen, das auf der Leistung von hunderttausenden Menschen beruht“. Nun gehe es darum, „dass dieses Unternehmen in jeder Hinsicht wieder das Vertrauen seiner Kunden zurückgewinnt“.
Die gesamte deutsche Industrie gerät nach Ansicht von Branchenverbänden durch den Abgas-Skandal in Misskredit. In der Diskussion um die möglichen Folgen des Betrugs wurden am Mittwoch zudem strengere Regeln und Kontrollen bei der Messung von Autoabgasen gefordert. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete die Manipulationen des VW-Konzerns als „völlig inakzeptabel“. „Der Schaden, den einige Leute für das Unternehmen und die Mitarbeiter verursacht haben, ist riesig.“
Sowohl Industriepräsident Ulrich Grillo als auch die Verbände der Autoindustrie und des Maschinenbaus kritisierten Volkswagen, nahmen aber zugleich die deutsche Industrie insgesamt in Schutz. „,Made in Germany‘ steht für exzellente Produkte“, meinte Grillo. Der Maschinenbau „sieht mit Sorge, dass ein Fehlverhalten nun auf die gesamte deutsche Industrie übertragen werden könnte“.