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„Mit dem Versuch einer für viele Seiten gesichtswahrenden Lösung zur Beruhigung der Lage bei Volkswagen verliert Herbert Diess weiter an Macht“, kommentierte ein Analyst.
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Herbert Diess bleibt Volkswagen-Chef: VW bemüht sich nach Chaostagen um ein Bild der Geschlossenheit

Der Spitzenmann des Wolfsburger Autokonzerns kann sich im Machtkampf durchsetzen – doch er muss Verantwortung abgeben.

Zu keinem Zeitpunkt habe er während der schwierigen Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen die Lust verloren, sagt Volkswagen-Chef Herbert Diess am Donnerstag. „Ich fühle mich deutlich gestärkt.“ Bis vor einigen Tagen noch war über seine Ablösung spekuliert worden, nachdem der Streit mit dem Aufsichtsrat und den Arbeitnehmervertretern über die Zukunft des Autokonzerns eskaliert war. „Es war ein intensiver Prozess und ich bin froh, dass Herr Pötsch nicht die Geduld verloren hat“, fügt Diess nach der Sitzung des Aufsichtsrats hinzu.

Zusammen mit Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und Betriebsratschefin Daniela Cavallo, die Diess öffentlich scharf angegriffen hatte, steht der 63-Jährige im Presse-Studio, um Auskunft über das Ende des Wolfsburger Machtkampfs und die Investitionen des Konzerns in den kommenden fünf Jahren zu geben. „Machen Sie sich Sorgen, wenn es ganz ruhig ist in Wolfsburg“, bemerkt Pötsch mit einem Lächeln. „Das würde nämlich bedeuten, dass sich hier zu wenig bewegt.“

„Das war alles andere als toll fürs Unternehmen“

Deutlich wird, dass sich alle Beteiligten nach den Chaostagen darum bemühen, ein Bild der Geschlossenheit zu bieten. Diess’ Planspiele vom Abbau von mehr als 30.000 Arbeitsplätzen am Standort Wolfsburg sind vergessen. „Heute ist ein guter Tag für die Kolleginnen und Kollegen von Volkswagen“, sagt Cavallo. Und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der sich wegen seiner Teilnahme an der Ministerpräsidentenkonferenz entschuldigen lässt, freut sich schriftlich, dass sich Volkswagen „zu seinen niedersächsischen Wurzeln“ bekennt. Cavallo und Weil, der im Aufsichtsrat sitzt, waren es gewesen, die einen Verbleib von Herbert Diess an der Spitze des größten Industriekonzerns Europas am deutlichsten in Frage gestellt hatten. „Musste so etwas sein wie in den vergangenen Wochen? Nein“, sagte Pötsch. „Das war alles andere als toll für das Unternehmen.“

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Nun also scheint man sich zusammengerauft zu haben. Diess bleibt im Amt, gibt aber einige Zuständigkeiten ab. Wichtig: Für den Konzernkern, die so genannte Volumengruppe, bleibt er im Vorstand verantwortlich – „zumindest bis Mitte des kommenden Jahres“, wie Diess sagte. Zusätzlich trägt er nun die Gesamtverantwortung für die Software-Entwicklung bei der Tochter Cariad – ein zentraler Baustein in der Transformation des Autobauers zum digialen und elektrischen Mobilitätskonzern.

Diess muss das wichtige China-Geschäft abgeben

Bestätigt wurden Neubesetzungen im Vorstand. VW-Markenchef Ralf Brandstätter rückt wie berichtet zu Jahresanfang in den Vorstand auf und übernimmt das neue Ressort „Volkswagen Pkw“. Diess soll im kommenden Jahr die Leitung des China-Geschäfts an Brandstätter abgeben. Als Nachfolger Brandstätters soll Thomas Schäfer, zurzeit Chef der Marke Skoda, in den Vorstand aufrücken. Neu in das Gremium treten zum 1. Februar auch Hauke Stars als Vorständin für das neu geschaffene Ressort für IT und Organisation und die Audi-Managerin Hildegard Wortmann für den Vertrieb ein. Damit steigt die Zahl der Mitglieder auf elf. Chefjustiziar Manfred Döss übernimmt das Ressort für Integrität und Recht von der scheidenden Vorständin Hiltrud Werner. Personalvorstand Gunnar Kilian erhält einen neuen Vertrag.

Die als „Planungsrunde 70“ bezeichnete Aufsichtsratssitzung legte neben den Personalien vor allem fest, welche Investitionsschwerpunkte Volkswagen in den kommenden fünf Jahren setzt, und welche Fahrzeuge in welchen Werken produziert werden. Hier ist der Standort Niedersachsen mit den Werken in Wolfsburg, Hannover, Salzgitter, Osnabrück, Braunschweig und Emden eindeutig Gewinner. Insgesamt veranschlagt Volkswagen Gesamtinvestitionen von 159 Milliarden Euro. Davon fließen 56 Prozent, also 89 Milliarden Euro, bis 2026 in Zukunftsthemen wie Elektromobilität, Vernetzung und Software. Deutlich mehr als der Autobauer noch in seinen letzten Fünf-Jahres-Plan eingestellt hatte (73 Milliarden Euro).

Gesichtswahrung und Machtverlust

„Mit dem Versuch einer für viele Seiten gesichtswahrenden Lösung zur Beruhigung der Lage bei Volkswagen verliert Herbert Diess weiter an Macht“, kommentierte Nord LB-Analyst Frank Schwope die Beschlüsse. Allerdings dürfte es beim nächsten ernsten Konflikt enger für den Vorstandschef werden. Diess hatte Aufsichtsräte und Belegschaft unter anderem mit dem wiederholten Verweis auf Tesla genervt. Am Donnerstag sprach er ausschließlich von einem „amerikanischen Hersteller“. „Wir dürfen keine Angst vor dem Wettbewerb haben, wir müssen ihn nur ernst nehmen“, sagte Diess.

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