Drei AKW werden abgeschaltet: Vor welchen Problemen die Atommüll-Zwischenlagerung steht
Drei der letzten sechs Kernkraftwerke werden zum Jahresende abgeschaltet. Beobachter blicken angespannt auf die Entwicklungen in der Zwischenlagerung.
Als Robert Habeck noch Umweltminister von Schleswig-Holstein war, sprach er gerne von der „grünen Wiese“. Zu der sollte das Akw Brunsbüttel, dessen Abriss in dieser Zeit drängte, zügig zurückgebaut werden. Doch als es darum ging, für das leicht strahlende Material Deponien zu finden, erntete er im Lokalen massiven Widerstand. „Allein die Vorstellung, da kommt Bauschutt aus einem Atomkraftwerk, führt zu Ängsten“, sagte er Tagesspiegel Background im vergangenen Jahr. „Das Wort ‚Atom‘ hat eine enorme emotionale Sprengkraft.“ Nun drängen noch mehr Rückbauten – und mit ihnen die Zwischenlagerung.
Das Zeitalter der Atomkraft scheint in Deutschland beendet. Noch im Dezember gehen mit Grohnde, Grundremmingen C und Brokdorf drei der letzten sechs Atomkraftwerke vom Netz. Im kommenden Jahr dann, wenn Isar II, Emsland und Neckarwestheim II abgeschaltet werden, endet nach Jahrzehnten die deutsche Atomenergieerzeugung. Nur ist das Zeitalter nicht wirklich an seinem Ende angekommen. Jahrzehnte des komplizierten Rückbaus und des Umgangs mit den Hinterlassenschaften stehen noch bevor. Erst in Jahrzehnten wird der Müll in Endlager verbracht sein. Die Ära der Zwischenlagerung dauert also an – und rückt nun in den Fokus. Es gibt allen Grund dazu.
BUND: Viele Abfälle nicht geeignet gelagert
Beobachter des Atomenergiesektors blicken angespannt auf die Entwicklungen in der Zwischenlagerung. Zwar haben 14 von 16 Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle eine aktuelle Genehmigung und erst in den 2030er Jahren enden weitere, wie das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) auf Anfrage mitteilt. Bei den Lagern für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle tun sich allerdings Probleme auf. Sie machen 95 Prozent des Mülls aus. Und die meisten Lager sind rappelvoll, heißt es bei Beobachtern.
Eine Studie im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kam im Juli zu dem Schluss, dass viele Abfälle sogar in Bereichen gelagert werden, die dafür gar nicht vorgesehen sind. Selbst Hallen, die zur Transportbereitstellung errichtet wurden, dienen demnach mittlerweile als Zwischenlager. Und das, „obwohl sie für diesen Zweck weder ausgelegt noch ausgerüstet sind und die gelagerten Abfälle oftmals nicht explizit für eine längerfristige Zwischenlagerung konditioniert wurden“.
Noch immer werden neue Zwischenlager gebaut
Ein Kenner des Sektors sagt mittlerweile: „Die Zwischenlager laufen über.“ Dabei sind einige Meiler sogar noch am Netz und viele Rückbauten noch nicht weit fortgeschritten. Derzeit entstehen sogar neue Zwischenlager. Die Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe (KTE) etwa hat zuletzt neue Gebäude zur Lagerung von Abfällen errichtet. Und erst in diesem Jahr stellte Preussen Elektra in Grafenrheinfeld eine sogenannte Bereitstellungshalle fertig. Ein Endlager muss also schnell her, das im fortschreitenden AKW-Rückbau wie eine Art Überlaufventil wirken könnte. Der beschleunigte Atomausstieg macht dies noch dringender.
Dass das geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe, Schacht Konrad, zeitnah einsatzbereit ist, wird immer wichtiger. Ab 2027 soll es im Laufe der Jahrzehnte 303.000 Kubikmeter Atomschrott aufnehmen – und das wird kompliziert. Wie, auf welche Weise gestapelt und welcher Abfall zusammenstehen darf, unterliegt einem strengen Regiment. Chargen, die zusammenstehen sollen und zuerst eingelagert werden müssen, sind in den Lagern teils schwer erreichbar. Eingelagert ist nach dem Prinzip: „Last in – first out“. „Wie im Keller gestapelt“, heißt es salopp von einem Akteur, der sich in der Zwischenlagerung gut auskennt. „Man blickt von der Tür gerade noch in die erste Reihe.“ Es muss also rangiert werden – und über Tage wird am Standort Konrad wenig Platz sein.
Zentrales Lager in Würgassen ist umstritten
Eine Schlüsselrolle kommt daher dem Logistikzentrum in Würgassen zu, geplant von der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ). Dort sollen die Chargen so zusammengestellt werden, wie sie in Konrad gerade benötigt werden – wenn Würgassen denn kommt. Seit Bekanntgabe des geplanten Standorts steht dieser in der Kritik: Das Lager liege im Überschwemmungsgebiet der Weser, eine zweigleisige Bahnanbindung sei nicht vorhanden, Konrad mit 130 Kilometer viel zu weit entfernt, sagen Aktivisten. Es gilt: Kaum ein Atom-Standort ohne Widerstand.
Doch Würgassen ist auch in der Landespolitik umstritten. Und auch der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) bezieht Stellung. „Alles muss getan werden, wenn die Erbschaftstücke dieser Zeit zu bewältigen sind, dass Vertrauen ausgebaut wird. Und genau das ist hier nicht passiert“, sagte er zuletzt dem WDR. Die Landesregierungen in NRW und Niedersachsen haben mittlerweile ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Standort untersuchen soll.
Die BGZ betont, die Beteiligung der Öffentlichkeit bereits vor anderthalb Jahren gestartet zu haben. Das Baugelände liege nicht im Überflutungsgebiet der Weser. Selbst für extrem unwahrscheinliche Hochwasser sei die Sicherheit gewährleistet, bestätige ein Gutachten. Der eingleisige Bahnanschluss sei letztlich nicht von sicherheitstechnischer Bedeutung.
Im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen steht: „Genehmigte Endlager müssen zügig fertiggestellt und in Betrieb genommen werden. Hierzu gehören auch die Standortauswahl und die Errichtung des notwendigen Logistikzentrums.“ Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Betreiberin des Schachts Konrad, wird die Entwicklungen mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen. Denn fällt Würgassen als Standort aus, wird eine rasche Einlagerung in Konrad schwieriger.
„Ein Schlag in die Magengrube für Salzgitter“
Dabei ist Schacht Konrad selbst auch ein Streitfall. Zum frischen Koalitionsvertrag sagte Linken-Bundestagsabgeordneter Victor Perli vor kurzem: „Der Vertragstext ist ein Schlag in die Magengrube für Salzgitter und die Region.“ SPD, Grüne und FDP würden die fehlende Eignung des geplanten Endlagers Schacht Konrad ignorieren.
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Im Mai hatten BUND und Naturschutzbund von der Landesregierung in Niedersachsen einen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses gefordert, im September übergaben Aktivisten Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) eine Liste mit 20.000 Unterschriften, damit dieser das Projekt beenden möge.
Auch das BUND-Gutachten griff Konrad auf. Weil die mehrfachen Verschiebungen der Inbetriebnahme des Endlagers Schacht Konrad sukzessive, in Zeiträumen von jeweils nur einigen Jahren, aufgetreten seien, fehlte die Veranlassung für eine Neubewertung der Aufbewahrung von radioaktiven Abfällen, hieß es dann im Gutachten zwei Monate später. „Insgesamt wurde damit die Bedeutung der Zwischenlagerung über Jahrzehnte unterschätzt.“
Würde Konrad noch einmal infrage gestellt, hätte es vor allem eine Folge: Der schwach- und mittelradioaktive Atommüll würde noch deutlich länger an der Erdoberfläche aufbewahrt werden müssen.