Halbjahresbilanz der Deutschen Bahn: Volle Züge, mehr Gewinn
Der Schienenkonzern ist flott unterwegs, der Vorstand hebt nach guten Zahlen die Prognose für das Gesamtjahr an – selbst in der Cargo-Sparte soll es schwarze Zahlen geben.
Richard Lutz wählte ein Bild aus der Luftfahrt, um zu beschreiben, wie zufrieden er ist: „Wir haben Wind unter den Flügeln, aber mental heben wir nicht ab“, sagte der Chef der Deutschen Bahn am Mittwoch bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz in Berlin. Tatsächlich ist der Schienenkonzern im laufenden Jahr erfolgreich unterwegs: die Fahrgastzahlen und die Pünktlichkeit steigen, Umsatz und Ergebnis legen zu – und selbst die angeschlagene Güterbahn will im Gesamtjahr schwarze Zahlen schreiben. „Unser Kurs stimmt“, freute sich Lutz, der seit März die Bahn führt und zugleich ihr Finanzchef ist. Für 2017 hob er die Prognose für Umsatz und Gewinn an.
Ein Bild aus der Autoindustrie wählte Lutz in einem Zusammenhang, der eher unangenehm für ihn ist. Er gehe davon aus, „dass der Vorstand bald nicht mehr mit vier, sondern mit sechs Zylindern läuft“, sagte Lutz. Ein Verweis auf das jüngste Gerangel um zwei seit März unbesetzte Vorstandsposten. Am vergangenen Donnerstag hatte der Aufsichtsrat eigentlich die Ressorts Güterverkehr und Logistik sowie Technik und Digitalisierung besetzen wollen. Doch zu einer Einigung auf die Favoriten Jürgen Wilder (derzeit DB Cargo-Chef) und Sabina Jeschke (Maschinenbauprofessorin aus Aachen) kam es nicht. Nach einer Intervention des Bundeswirtschaftsministeriums, so hört man, wurde die Sitzung verschoben. Es gebe noch Abstimmungsbedarf. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hätte gerne zwei Frauen im Vorstand. BVG-Chefin Sigrid Nikutta, die schon einmal bei DB Cargo tätig war, war ebenfalls als Kandidatin gehandelt worden. Im Aufsichtsrat hält man es nun für wahrscheinlich, dass die Personalentscheidung erst nach der Bundestagswahl im September fällt.
"Gerne auch mit Frauen"
Richard Lutz gab sich am Mittwoch trotz der ersten Schlappe seiner Amtszeit entspannt: Es gebe aktuell keine Lücke im Vorstand, weil Verkehr- und Transport- Vorstand Berthold Huber das Geschäftsfeld Güterverkehr mitbetreue. Im übrigen erwarte er, dass der Aufsichtsrat „irgendwann“ über den Personalvorschlag der Findungskommission entscheide und den Vorstand komplettiere – „gerne auch mit Frauen“, so Lutz.
Schwungvoll ins Amt gestartet ist der neue Bahn-Chef im ersten Halbjahr 2017. Mehr als 68 Millionen Passagiere fuhren IC und ICE – auch weil die Bahn im Wettbewerb mit Fernbussen auf Sonderangebote setzt. Laut Lutz waren 81 Prozent der Züge trotz Unwetters und Anschlägen im Vorfeld des G20-Gipfels pünktlich, hatten also weniger als sechs Minuten Verspätung. Dies ist auch die Zielmarke für das Gesamtjahr. Der Umsatz des DB-Konzerns stieg um gut fünf Prozent auf 21 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern kletterte vor allem wegen des Fernverkehrbooms von um 17 Prozent auf 1,18 Milliarden Euro.
Optimismus verbreitete auch Berthold Huber: Die Güterbahn DB Cargo habe ihre Verluste zuletzt reduziert. Noch 2015 hatte die Sparte den gesamten Bahn-Konzern ins Minus gesteuert. Im Gesamtjahr solle das Ergebnis nun um 100 Millionen Euro verbessert und wieder ein kleiner Gewinn ausgewiesen werden, kündigte Huber an. „Wir investieren.“ Weil es vielfach Beschwerden von Kunden über Verspätungen und fehlende Kapazitäten gegeben hatte, hat die Bahn den geplanten Personalabbau in der Cargo-Sparte fast komplett gestoppt. Statt des ursprünglich vorgesehenen Verkaufs sollen nun 4000 neue Waggons und bis zu 100 neue Güterloks gekauft werden, wie Huber sagte. Nach Informationen aus Konzernkreisen sollen die Loks für gut 370 Millionen Euro bei Siemens geordert werden. Huber wollte Details nicht preisgeben, nannte aber für die ersten 60 Loks ein Investitionsvolumen von 250 Millionen Euro.
Senkung der Trassenpreise gibt "Wachstumsimpuls"
Erleichtert wird das Güterbahngeschäft auch durch die von der Bundesregierung versprochene Halbierung der Trassenpreise, was die Sparte um 350 Millionen Euro entlasten soll. Richard Lutz sprach von „Wachstumsimpulsen“, die die Bahn nutzen werde. Er sei überzeugt davon, dass mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werde. Die Bahn setzt sich auch im Personenverkehr für eine Senkung der Trassenpreise ein.
Bei der Prognose für das Gesamtjahr räumte Richard Lutz ein, dass der Gewinn auch von Sondereffekten profitieren werde: So wurden 100 Millionen Euro aus Rückzahlungen der als verfassungswidrig eingestuften Atomsteuer verbucht. Die Bahn ist Mitbetreiber eines Atomkraftwerks. Im Gesamtjahr 2017 erwartet der Vorstand jetzt einen Umsatzrekord von mehr als 42,5 Milliarden Euro (bisher: 41,5 Milliarden) sowie einen Betriebsgewinn von mindestens 2,2 Milliarden Euro (bisher: 2,1 Milliarden Euro).
Vorausgesetzt der große Regen hört bald auf. „Wenn das Wetter so bleibt, müssen auch wir mit Beschränkungen rechnen“, sagte Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla. Bisher sei es wegen Überschwemmungen und Dauerregen aber noch nicht zu nennenswerten Zugausfällen gekommen.