Der Aufsichtsrat hat gewählt: Richard Lutz führt offiziell die Deutsche Bahn
Der bisherige Finanzvorstand Richard Lutz ist zugleich neuer Vorstandschef des Schienenkonzerns. Er folgt auf Rüdiger Grube - der hat bald einen neuen Job.
Die Bahn hat einen neuen Vorstandsvorsitzenden – und der alte Chef einen neuen Job. Der Aufsichtsrat des Konzerns wählte am Mittwoch erwartungsgemäß Richard Lutz (52) als Nachfolger von Rüdiger Grube an die Spitze der Deutschen Bahn, deren Eigentümer der Bund ist. Lutz bleibt zugleich Finanzchef, sein Vertrag gilt für fünf Jahre. Er habe keinerlei Bedenken, der Doppelrolle nicht gerecht zu werden, sagte Lutz in Berlin, fügte aber hinzu: „Bahnchef ist kein Job wie jeder andere.“ Er habe Respekt vor der Aufgabe und freue sich „riesig auf die größere Herausforderung“. Eisenbahn sei „Mannschaftssport, und das fängt im Vorstand an“. Lutz versicherte, er werde den von seinem Vorgänger eingeschlagenen Kurs von mehr Kundenfreundlichkeit und Qualität fortsetzen. „In einer solchen Situation wird natürlich niemand das Spielsystem und die Strategie in Frage stellen.“
Lutz ist seit 1994 bei der Deutschen Bahn und seit April 2010 Vorstand für Finanzen und Controlling. „Keiner kennt die Deutsche Bahn so gut“, erklärte Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht. Lutz’ Kompetenzen und Erfahrungen stünden für die „notwendige Kontinuität, die das Unternehmen inmitten eines rasanten Wandels benötigt“.
Grube kontrolliert den Hamburger Hafen
Rüdiger Grube (65), der im Januar im Streit über seine Vertragsverlängerung zurückgetreten war, soll im Juni Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) werden. „Es wird Rüdiger Grube – und das ist eine gute Entscheidung für das Unternehmen“, hieß es am Mittwoch aus dem HHLA-Umfeld. Bei der Hauptversammlung am 21. Juni soll die Personalie perfekt gemacht werden.
Grubes Nachfolger tritt einen der schwierigsten Managerjobs in Deutschland an. Die von unterschiedlichen politischen Interessen gesteuerte Bahn will pünktlicher, kundenfreundlicher und digitaler werden, sie kämpft mit Wettbewerbern auf der Straße (Fernbusse) und in der Luft (Billigflieger). Im defizitären Güterverkehr, der größten Baustelle des Konzerns, verliert sie Marktanteile, im Regionalverkehr geht sie häufiger bei Ausschreibungen leer aus. Zwar haben sich in der Amtszeit von Rüdiger Grube das Erscheinungsbild und der Service im Personenfernverkehr verbessert. Hohe Schulden, rote Zahlen im Cargo-Geschäft und die marode Infrastruktur belasten aber den Konzern. An diesem Donnerstag wird Richard Lutz in Berlin die Jahresbilanz 2016 präsentieren. Das vergangene Jahr sei erfolgreich gewesen, sagte Lutz am Mittwoch, die Pünktlichkeit und das operative Ergebnis seien gestiegen.
Kritik von den Grünen an Pofallas Vertragsverlängerung
Neben dem neuen Vorstandsvorsitzenden werden Infrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla (57) und der Chef des Personenverkehrs, Berthold Huber (53), sitzen. Beide erhielten am Mittwoch vorzeitig einen Fünf-Jahres-Vertrag, der jeweils bis März 2022 läuft, wie die Bahn mitteilte. Der Vertrag von Personalvorstand Ulrich Weber (67) war bereits um zwei Jahre verlängert worden.
Der Aufsichtsrat kündigte zudem die Einrichtung eines Ressorts Technik und Digitalisierung sowie eines für Güterverkehr und Logistik an. Die Besetzung solle zügig entschieden werden. Als Kandidaten gelten die Berliner BVG-Chefin Sigrid Nikutta und der Siemens-Manager Siegfried Russwurm.
Kritik an der vorzeitigen Vertragsverlängerung für Ronald Pofalla kam von den Grünen. Sie sei „völlig übereilt und wirft Fragen auf“, sagte der bahnpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Matthias Gastel. Fraglich sei zum Beispiel, welche Projekte Pofalla als Infrastrukturvorstand zum Erfolg geführt habe. „Es drängt sich gerade der Eindruck auf, dass Pofalla jetzt am Stuhl von Richard Lutz sägen darf und nach einer Wiederwahl von Angela Merkel bei der Bundestagswahl ihr Intimus zum neuen Vorstandsvorsitzenden aufsteigen darf“, sagte Gastel.