Gesundheitsversorgung in Berlin: Vivantes-Kliniken drohen Millionenverluste
Keine eigene Herzchirurgie und Druck durch die Krankenhausreform: Ab 2016 könnte die Berliner Vivantes-Kette bis zu 100 Millionen Euro im Jahr einbüßen.
In der Vivantes-Zentrale in Berlin-Reinickendorf wird derzeit noch eifriger gerechnet als sonst: Das Ergebnis für 2015 – vermutlich ein knapper Überschuss von sieben oder acht Millionen Euro bei 1,1 Milliarden Euro Umsatz – soll bald feststehen. Wichtiger aber sind die Aussichten für 2016. Und die sind düster. So düster, dass sich Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) bei der Vivantes-Aufsichtsratsitzung an diesem Mittwoch mit den Managern der Klinikkette streiten wird.
Vivantes kämpft um die Folgen einer Senatsentscheidung, die Krankenhausreform und die Gehälter seiner Mitarbeiter. Der Klinikkette drohen deshalb 2016 Umsatzeinbußen und Mehrbelastungen von insgesamt rund 100 Millionen Euro. Da wären zunächst Umsatzeinbußen von 25 Millionen Euro im Jahr, so interne Prognosen, wenn der Senat dabei bleibt, die lukrative Herzchirurgie in Berlin nur am Weddinger Campus der Charité zu konzentrieren, wo auch das Deutsche Herzzentrum seinen Sitz hat.
Hintergrund ist ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) aus Krankenversicherungen, Kliniken und Kassenärzten. Der GBA hatte entschieden, einige kardiologische Eingriffe nur dort zuzulassen, wo es eine Herzchirurgie gibt. Das soll Kosten senken und Patienten schützen.
Für Vivantes geht es um die so genannten Tavis. So heißen Eingriffe, bei dem alterschwache Herzklappen durch zusammengefaltete Kunstklappen ersetzt werden, die in einem durch die Blutbahnen geführten Katheterschlauch zum Herz geschoben werden – ganz ohne Operation. Dafür erhält eine Klinik im Durchschnitt 30.000 Euro, einige Tausend Euro bleiben – je nach individuellem Aufwand – für die Klinik übrig.
Darf Vivantes keine Herzchirurgie unterhalten, dürfen Ärzte in den Vivantes-Häusern auch keine Tavi-Eingriffe mehr machen. Vivantes wollte deshalb eine Herzchirurgie für Privatpatienten einrichten, die nicht von den gesetzlichen Kassen finanziert wird und auch nicht unter den Krankenhausplan des Senats fällt. Die Landesregierung kann als Eigentümer der Klinikkette aber beschließen, den Plan abzusagen. Nach Tagesspiegel- Informationen hat Finanzsenator Kollatz-Ahnen das bereits getan und den Vivantes-Vorstand angewiesen, keine Herzchirurgie aufzubauen.
Krankenhausreform trifft Kliniken, die Alltagsleiden behandeln
Ein solches De-facto-Verbot ist selten. Vivantes-Aufsichtsratschef Peter Zühlsdorff sagte am Dienstag, er ärgere sich zwar über den Senat, der an der Charité ein „herzchirurgisches Monopol“ errichte, man klage dennoch nicht gegen die Entscheidung des Landes. Und der Vivantes-Betriebsratsvorsitzende Giovanni Ammirabile erklärte: „Wir sollen uns immer dem Wettbewerb stellen, heißt es vom Senat, aber wenn’s dann anders passt, verbietet man uns das.“
Neben dem Ärger um die Herzchirurgie geht es aktuell noch um 30 Millionen Euro, die Vivantes nach der Krankenhausreform pro Jahr verlieren könnte. Indirekt bestraft die Reform jene Kliniken, die immer mehr Patienten mit Alltagsleiden behandeln – was auf Vivantes in der wachsenden Hauptstadt zutrifft. Anders als viele private Krankenhäuser muss Vivantes alle Patienten versorgen.
Gewerkschaften fordern Tarifvertrag für alle 15.000 Beschäftigten
Drittens steht Vivantes vor einer neuen Tarifrunde. Gewerkschaften und die SPD fordern, alle 15 000 Vivantes-Mitarbeiter nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zu bezahlen – was letztlich hieße, die 2000 Mitarbeiter der Vivantes-Tochterfirmen deutlich besser zu entlohnen. Das könnte den Konzern 45 Millionen Euro zusätzlich im Jahr kosten. Die Gehälter müssen eigentlich mit den Geldern der Kassen bezahlt werden – die ihre Mittel nicht erhöhen werden.
Vivantes ist der drittgrößte Arbeitgeber in Berlin und Deutschlands größte staatliche Klinikkette mit neun Krankenhäuser, 13 Heimen, einer Reha-Station, Versorgungszentren und Pflegedienst.