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In den Berliner Vivantes-Kliniken, einem der größten Arbeitgeber der Stadt, stehen Einschnitte bevor. Am Mittwoch wird Vivantes-Chefin Andrea Grebe aber erstmal eine positive Jahresbilanz verkünden.
© imago
Update

7,9 Millionen Euro Plus bei Vivantes: Kämpfe im Krankenhaus

Vivantes-Chefin Andrea Grebe verkündet zwar einen Jahresgewinn. Für nötige Sanierungen reicht's aber nicht, dazu könnte der Streit mit den Therapeuten eskalieren.

Als Andrea Grebe an diesem Mittwoch vor Journalisten und Branchenvertretern erklärt, dass ihre in ganz Berlin verteilten Kliniken das vergangene Geschäftsjahr nach harter Arbeit gut überstanden haben, ist das die gewohnt leise Art der Vivantes-Chefin. Sicher, die landeseigene Klinikkette konnte 2014 mit 7.9 Millionen Euro Plus abschließen. Und Katastrophen – wie 2013 die Razzia im Büro des danach geschassten Vivantes-Finanzvorstandes – blieben aus.

Andrea Grebe kämpft sich durch Landespolitik und Krankenkassenarithmetik

Dramatisch ging es dennoch zu. Zunächst ist das kleine Millionen-Plus, das Grebe verkünden wird, angesichts einer Milliarde Euro Umsatz eher ein Symbol, eine schwarze Null statt ein Gewinn. Es reicht nicht, um die neun Großkrankenhäuser und die 13 Pflegeheime von Vivantes zu sanieren. Zudem musste Grebe, die lange als Ärztin arbeitete, zuletzt fast allein durch den Dschungel aus Landespolitik, Krankenkassenarithmetik und Berufsrecht: Ihren Personalvorstand, Christian Friese, hatte der Aufsichtsrat kürzlich nicht mehr gewollt, obwohl der Jurist nur zwei Jahre dabei war. Am schwersten aber wiegt, dass Grebe auf Senatswunsch den Sparkurs halten soll.

Vivantes braucht Geld - und spart erst mal beim Personal

Vivantes versorgt jeden dritten Klinikpatienten in Berlin. Die Kette ist Deutschlands größter Klinikkonzern in Staatseigentum. Während private Kliniken viele Mitarbeiter in Niedriglohnfirmen ausgegliedert haben, wurde das bei Vivantes vermieden. Weil aber alle Landesregierungen seit der Vivantes-Gründung 2001 wenig in die oft denkmalgeschützten Häuser investiert haben, wird es enger. So eng, dass die 55 Millionen Euro aus dem Siwa-Sonderfonds, die Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) für Vivantes sicherte, nicht reichen. Nötig wären 80 Millionen Euro. Pro Jahr.

Alles im Blick. Andrea Grebe, 53, ist Chefin der Vivantes-Geschäftsführung. In den landeseigenen Kliniken wird jeder dritte Berliner Krankenhauspatient versorgt.
Alles im Blick. Andrea Grebe, 53, ist Chefin der Vivantes-Geschäftsführung. In den landeseigenen Kliniken wird jeder dritte Berliner Krankenhauspatient versorgt.
© Thilo Rückeis

Unter dem Dogma staatlicher Schuldentilgung müssen die meisten Kliniken sparen. Und zwar vor allem am Personal, das 70 Prozent ihres Budgets ausmacht. Grebe will die Ausgaben auf 65 Prozent senken. Die Krankenkassen, die laut Gesetz eigentlich für Klinikpersonal und Medikamente aufkommen müssen, rücken kein Extrageld heraus – das würde, heißt es verständlicherweise, doch nur für die Versäumnisse des Senats ausgegeben.

"Buuh!" bekommt Senator Czaja selten zu hören

Vor einem Monat saßen deshalb im Dunkel eines Theatersaals am Potsdamer Platz fast 1500 Schwestern, Ärzte und Therapeuten zusammen. Auf der Bühne stand Senator Czaja – und ihm passierte, was ihm doch eigentlich nie passieren sollte: Der Christdemokrat wurde fast etwas pampig, noch dazu auf offener Bühne. Er warte schon sehr viel länger, sagte Czaja gereizt, als man mit ihm im Vorfeld vereinbart habe. Vivantes-Betriebsratschef Giovanni Ammirabile hatte an jenem Märztag zu einer Betriebsversammlung geladen. Czaja erklärte an diesem Tag dann, weshalb neue Physiotherapeuten statt 2400 nur noch 2000 Euro Monatsbrutto bekommen – und zwar in einer neuen Tochterfirma. Private Kliniken zahlten ihren Therapeuten seit Jahren weniger, sagte Czaja, weshalb Vivantes im Kampf um Patienten zu viel koste – prompt hallte es aus dem Dunkel von den Sitzen: „Buuuh!“

So viel Unmut bekam der Senator bislang kaum zu hören. Die Sparpolitik abzusegnen ist riskant, denn im industriearmen Berlin arbeiten Zehntausende in Kliniken, die Branche ist der größte Arbeitgeber. Allein Vivantes – mittelbar also Czaja selbst – beschäftigt 15.000 Schwestern, Therapeuten, Ärzte und Techniker. Senator Czaja ist in der Branche nach wie vor beliebt, immerhin beliebter als seine Vorgänger, die sich bei Schwestern und Pflegern kaum blicken ließen.

In den Vivantes-Rettungsstellen landen Kneipenschläger und Junkies

Doch der Auftrag eine Stadt zu versorgen, die schnell wächst, fordert den Senator – und der fordert die Verantwortlichen in den Kliniken. Jedes Jahr versorgt Vivantes mehr Patienten als im Jahr zuvor, 2014 waren es 231.000 stationäre und 310.000 ambulante Fälle gewesen sein. Der Umsatz stimmt, könnte man meinen. Doch in den Vivantes-Kliniken landen oft diejenigen, deren Behandlung mehr kostet, als die Kassen am Ende dafür bezahlen: Kneipenschläger, Junkies, vom Hamster gebissene Kinder. Die privaten Kliniken, deren Rettungsstellen nicht in der ganzen Stadt verteilt sind, haben oft lukrativere Patienten.

Wieder eine neuer Vorstand

Vor einigen Tagen hat übrigens Eibo Krahmer, bis dahin an der Universitätsklinik Mannheim tätig, seinen Job als Vivantes-Finanzchef angefangen. Gegen seinen Vorgänger wird seit der Razzia 2013 wegen Untreueverdachtes ermittelt. Noch diesen Sommer stellt Vivantes einen neuen Personalchef ein, grob vereinfacht also jemanden, der den Mitarbeitern klarmacht, wo es langzugehen hat - Ex-Personalchef Friese soll entlassen worden sein, weil er als zu weich galt. Der neue Chef ist eine Chefin: Annett Klingsporn. Bislang war sie bei der Deutschen Bahn tätig. Ein, nun ja, arbeitskampferprobtes Unternehmen.

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