Vorsichtige Väter: Viele Männer würden lieber länger in Elternzeit gehen
Angst vor dem Karriereknick? Finanzielle Not? Männer wollen sich mehr um den Nachwuchs kümmern, nehmen meist aber nur acht Wochen Elternzeit. Woran das liegt.
Nach der Geburt seiner Tochter war für Jan Willemsen klar: Er will sich die Elternzeit mit seiner Frau teilen. Sie ist Bilanzbuchhalterin und hatte Angst, den Anschluss im Job zu verpassen. Willemsen wollte für seine Frau und seine kleine Tochter da sein. Sieben Monate arbeitete der IT-Gruppenleiter deshalb in Teilzeit, ging an seinen freien Tagen mit der Tochter zum Babyschwimmen, später auf den Spielplatz. Bereut hat er das nicht – im Gegenteil. „Im Nachhinein wäre ich sogar gerne noch länger in Elternzeit geblieben“, sagt er. Bei seinem Arbeitgeber, der Commerzbank, engagiert Willemsen sich deshalb heute im Väternetzwerk. Er will andere Männern dazu animieren, sich ebenfalls stärker um den Nachwuchs zu kümmern. Und er will das Vorurteil abbauen, Elternzeit bedeute zwangsläufig einen Karriereknick. Denn noch sind Männer, die in Elternzeit gehen, hierzulande in der Minderheit.
Nur jeder Dritte nimmt überhaupt Elternzeit
Bundesweit haben zuletzt 32 Prozent der Väter Elterngeld beantragt, um für den Nachwuchs eine Zeit lang beruflich kürzerzutreten. Und diejenigen, die diesen Schritt gehen, tun das meist nur für zwei Monate – während die Mütter deutlich länger zu Hause bleiben. Dabei gibt es unter den Vätern durchaus den Wunsch, mehr Zeit für die Familie zu haben. Das zeigt eine Studie, die die Commerzbank jetzt vorgestellt hat. Sie hat gut 750 Väter im Unternehmen befragt, die zuletzt in Elternzeit gegangen sind. Das Ergebnis: 70 Prozent von ihnen haben die Auszeit für die Familie auf zwei Monate begrenzt – obwohl sie lieber länger zu Hause geblieben wären.
„Dass Väter nur zwei Monate Elternzeit nehmen, hat sich so eingebürgert“, sagt Volker Baisch von der Unternehmensberatung Väter gGmbH. Viele wüssten nicht, dass sie länger zu Hause bleiben können, oder hätten Angst, im Job den Anschluss zu verlieren. Hinzu kommt, dass es auch eine finanzielle Frage ist, ob die Mutter oder der Vater länger zu Hause bleibt. Denn noch immer verdienen die Männer in der Regel mehr als die Frauen. Unternehmen und Politik versuchen daher, ihnen entgegenzukommen.
Die Arbeitgeber sind gefordert
„Eltern möchten heute Familie und Beruf partnerschaftlich teilen“, sagt Petra Mackroth, Abteilungsleiterin im Bundesfamilienministerium. „Väter wollen sich stärker in der Familie einbringen und mehr Zeit für ihre Kinder haben.“ Eine Antwort der Politik darauf ist das Elterngeld Plus: So können Eltern seit diesem Jahr auch dann eine finanzielle Unterstützung bekommen, wenn sie in Teilzeit arbeiten. Müttern und Vätern soll das mehr Spielraum geben, sich die Elternzeit so einzuteilen, wie es am besten zu ihrem Lebensentwurf passt. Das allein reicht nach Ansicht des Bundesfamilienministeriums allerdings nicht. Auch die Unternehmen seien gefordert und müssten stärker auf „eine väterfreundliche Personalpolitik“ setzen.
Erkannt haben die Firmen das längst und experimentieren mit verschiedenen Modellen. So gibt es in der Berliner Charité zum Beispiel ein Team ehrenamtlicher Väterbeauftragter. Sie sollen Kollegen die Angst vor der Elternzeit nehmen und sie über Teilzeitmodelle für Väter informieren. Bei der Deutschen Bahn setzt man unter anderem auf Jobsharing: Führungskräfte, die sich mehr um die Kinder kümmern wollen, können sich eine Stelle teilen. Ein Väternetzwerk organisiert zudem regelmäßig Ausflüge für Mitarbeiter mit Kindern, bei denen die Väter sich austauschen und vernetzen können. Die Commerzbank bietet Vätern wie Müttern an, auch während der Elternzeit an Teamsitzungen oder Fortbildungen teilzunehmen, um später leichter wieder einzusteigen.
Unerkannte Möglichkeiten
Dass trotz all dieser Angebote viele Männer nur kurz oder gar nicht in Elternzeit gehen, hat vor allem mit Unwissenheit zu tun. So gaben in der Befragung der Commerzbank 53 Prozent der Väter an, die Angebote der Bank zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht zu kennen. Martin Fischedick, Bereichsvorstand Personal bei der Commerzbank, will das ändern. „Familienfreundlichkeit ist für Unternehmen heute eine wirtschaftliche Notwendigkeit“, sagt er. Die jüngere Generation würde bei der Wahl des Arbeitgebers viel Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen. „Zumal eine gute Familienförderung einen positiven Effekt auf die Leistung der Mitarbeiter hat“, sagt Fischedick. Viele Väter kämen sehr motiviert aus der Elternzeit zurück.
So wie Jan Willemsen. Der Gruppenleiter ist überzeugt, dass die Elternzeit ihn persönlich weitergebracht hat. „Von morgens bis abends für ein Kind verantwortlich zu sein, verändert einen“, sagt er. So sei er heute geduldiger. Auch habe er gelernt, sich besser zu organisieren – und davon profitiere letztlich auch sein Arbeitgeber.
Carla Neuhaus