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Mehr als 50 zusätzliche Linien will der Marktführer in den nächsten Monaten nach eigenen Angaben einführen.
© Lukas Schulze/dpa

Fernbus-Chef Putsathit im Interview: "Viele können sich jetzt wieder eine Reise leisten"

Der Chef von MeinFernbus FlixBus, Panya Putsathit, spricht im Interview über fehlende Haltestellen, Ticketpreise und den Ausbau des Liniennetzes.

Herr Putsathit, der Streik bei der Bahn ist vorerst abgewendet – sind Sie enttäuscht?

Für die Reisenden ist es natürlich besser, weil kein Chaos an den Bahnhöfen ausbricht. Wir hätten allerdings die Leute auch gerne zu ihren Zielen gebracht.

Wie haben Sie von früheren Bahnstreiks profitiert?
Wir hatten beim Streik im November letzten Jahres viermal so viele Kunden wie zu gewöhnlichen Zeiten. Dafür haben wir aber auch großen Aufwand betrieben, um Zusatzbusse rechtzeitig und an den richtigen Orten zur Verfügung zu stellen.

Die Bahn selbst will nun ihr Fernbus- Angebot deutlich ausbauen. Bis Ende 2016 soll die Zahl der Verbindungen vervierfacht werden. Macht Sie das nervös?
Eigentlich nicht. Die Ankündigung der Bahn ist nicht von großem Ehrgeiz geprägt. Der Konzern täte besser daran, sein Kernprodukt auf der Schiene richtig aufzusetzen. Dann hätte die Bahn einen deutlich größeren Hebel, um Kunden an sich zu binden.

Panya Putsathit
Panya Putsathit
© dpa

Die Bahn hat vermutlich größere finanzielle Ressourcen als Sie, um mit ihren Fernbussen in den Preiskampf zu ziehen.
Ich hoffe es nicht. Natürlich hat die Bahn Geld. Das stammt aber zu erheblichen Teilen vom Staat, also vom Steuerzahler. Die Bahn hört das nicht gerne, aber mit ihrer marktbeherrschenden Stellung macht sie Gewinne, die man nutzt, um den mittelständischen Fernbusunternehmen das Leben schwer zu machen.

Man könnte es auch Wettbewerb nennen.
Nein, es ist ungerecht und bringt den Kunden keinen Mehrwert. Es gibt bereits ein funktionierendes Fernbusnetz, und MeinFernbus FlixBus wird sein Netz dieses Jahr weiter ausbauen. Warum muss die Bahn einen Bus fahren lassen, wo schon drei andere unterwegs sind?

"MeinFernbus hat 2014 Geld verdient"

Mehr als 50 zusätzliche Linien will der Marktführer in den nächsten Monaten nach eigenen Angaben einführen.
Mehr als 50 zusätzliche Linien will der Marktführer in den nächsten Monaten nach eigenen Angaben einführen.
© Lukas Schulze/dpa

Der Konzern behauptet, 2014 rund 120 Millionen Euro durch die Fernbuskonkurrenz verloren zu haben.
Ich behaupte, die Bahn hat nicht durch uns verloren, sondern weil sie schlecht gewirtschaftet hat. Wir gewinnen gar nicht so viele Bahnfahrer. Der Fernbus fährt komplementär zur Bahn. Die Deutsche Bahn sollte sich lieber mit ihrem eigenen Produkt beschäftigen.

Sie kann Schiene und Straße verknüpfen.
Das sehe ich anders. Für die Bahnreisenden ist es unbequem, weil sie umsteigen müssen. Auch liegen die Bushaltestellen nicht immer direkt an den Bahnhöfen. Und man ist nur schneller, wenn die Anschlüsse auch klappen. Etwa die Hälfte unserer 10 000 Verbindungen führt direkt zum Ziel.

MeinFernbus und Flixbus dominieren den Markt. Wann steigen die Preise?
Wir haben anlässlich der Fusion erst einmal 111.000 Tickets für elf Euro verkauft. Die Aktion sollte zeigen, dass wir weiterhin Mobilität für alle zu günstigen Preisen anbieten wollen.

Bei Angebotspreisen von vier Cent pro Kilometer dürften Sie kein Geld verdienen.
MeinFernbus hat 2014 Geld verdient.

Wie viel?
Dazu sagen wir nichts. Wir haben uns gefreut, dass es sich gut entwickelt hat.

Werden Sie das Kontingent der superbilligen Tickets reduzieren?
Die günstigsten Tickets werden in der Reisesaison schneller weg sein, weil die Reisenden früher buchen. Das ist bei der Bahn oder den Fluggesellschaften aber nicht anders. Wie groß das Kontingent der besonders preiswerten Tickets ist, hängt immer von der konkreten Verbindung und den Terminen ab. Natürlich wird es zu Ostern weniger günstige Kontingente geben als an einem gewöhnlichen Dienstag oder Mittwoch.

Fahren Sie lieber länger mit Verlust, um Kunden zu halten?
Am Ende entscheiden die Kunden, was sie zu zahlen bereit sind. Und wir wollen keine Kunden verlieren.

"Im Sommer könnte es einen Engpass bei den Fahrern geben"

Mehr als 50 zusätzliche Linien will der Marktführer in den nächsten Monaten nach eigenen Angaben einführen.
Mehr als 50 zusätzliche Linien will der Marktführer in den nächsten Monaten nach eigenen Angaben einführen.
© Lukas Schulze/dpa

Die Liniennetze von MeinFernbus und Flixbus sind auf vielen Strecken deckungsgleich. Wie viele Verbindungen werden Sie streichen?
Wir wollen das Netz ausbauen und nicht verkleinern. Mehr als 50 zusätzliche Linien werden wir in den kommenden Monaten anbieten. Die beiden getrennt geplanten Netze müssen natürlich umgebaut werden. Wenn wir früher um 7 Uhr 50 von Berlin nach Köln gefahren sind und Flixbus um 8 Uhr, dann macht das jetzt keinen Sinn mehr. Das ist nicht produktiv und muss entzerrt werden.

Ende des Jahres wollen Sie 1000 Busse einsetzen, fast doppelt so viele wie heute. Doch schon heute fahren Sie nur mit einer Auslastung von gut 50 Prozent. Wie wollen Sie die Busse füllen?
Die Höhe der genannten Auslastung können wir so nicht bestätigen, wir sind sehr zufrieden. Die Nachfrage ist da – der Markt ist noch jung. Und unser Angebot schafft Nachfrage, weil es sich viele Kunden wieder leisten können, zu verreisen. Bis heute haben wir noch keine Linie wieder eingestellt. Wir brauchen jeden Bus.

Man hört, dass Sie nicht genug Fahrer finden, weil der Beruf unattraktiv ist.
Er ist in der allgemeinen Wahrnehmung nicht attraktiv. Die Praxis sieht anders aus. Tatsächlich könnte es aber sein, dass wir im Sommer hier einen Engpass bekommen.

Was tun Sie dagegen?
Wir denken über Vieles nach. Auch darüber, Kraftfahrer umzuschulen.

Das größte Hindernis für Ihr Wachstum ist die Infrastruktur. In Berlin und anderen Großstädten platzen die Stationen aus allen Nähten. Wie stark bremst Sie das?
Wir haben tatsächlich in vielen Städten Schwierigkeiten, Haltestellen zu bekommen. In großen Städten sind die Zentralen Omnibus-Bahnhöfe (ZOB) an der Kapazitätsgrenze, kleinere Städte haben gar keine geeigneten Haltestellen. Das bereitet mir Bauchschmerzen, gerade mit Blick auf unseren geplanten Angebotsausbau.

Umfragen zeigen, dass sich potenzielle Busnutzer von der mangelnden Infrastruktur abschrecken lassen.
Ich kann manche Städte nicht verstehen, denen es egal zu sein scheint, dass Reisende buchstäblich im Regen stehen, ohne Anbindung an den ÖPNV und eine entsprechende Versorgung mit Informationen oder Proviant.

"Die Investitionen müssen von den Kommunen kommen"

Mehr als 50 zusätzliche Linien will der Marktführer in den nächsten Monaten nach eigenen Angaben einführen.
Mehr als 50 zusätzliche Linien will der Marktführer in den nächsten Monaten nach eigenen Angaben einführen.
© Lukas Schulze/dpa

Wer soll die Investitionen in die Infrastruktur bezahlen? Die Kommunen sagen, Fernverkehr ist Bundessache. Der Bund schiebt die Verantwortung Städten und Gemeinden zu. Und die fordern eine stärkere Beteiligung der Busfirmen.
Wir – und da kann ich sicher für die Branche sprechen – haben nichts dagegen, für die Nutzung von Haltestellen eine angemessene Nutzungsgebühr zu bezahlen. Das tun wir in einigen Städten ja schon. Aber, mit Verlaub, wir sind ein mittelständisches Unternehmen, das sich nicht an der Finanzierung für alle 300 Haltestellen beteiligen kann, die wir ansteuern.

Also wer ist am Zug?
Die Investitionen müssen von den Kommunen kommen, womöglich mit Beteiligung des Bundes oder privater Investoren. Wenn man es gut macht, kann ein cleveres Haltestellenkonzept eine Einnahmequelle sein. Wir brauchen auch nicht überall einen ZOB. Es geht weniger um die Frage, wer die Infrastruktur bezahlt, sondern darum, wo sie hin soll.

Die Bahn hat einen Vorteil, weil sie ihre Bahnhöfe nutzen kann.
Sicher, die Bahn hat hier den ein oder anderen Vorteil. Genau wie auf der Schiene sollte sie aber mit ihrer Betreibergesellschaft DB Station & Service Bussen einen diskriminierungsfreien Zugang gewähren. Sie will sich ja schließlich als Mobilitätsdienstleister etablieren, der Fern- und Nahverkehr miteinander verknüpft.

Die Bahn zahlt Trassengebühren, warum sollten Busse keine Maut zahlen?
Hier wird nicht fair argumentiert, weil die Bahn ihre Gebühr mit Regionalisierungsmitteln und Subventionen in Milliardenhöhe verrechnen kann. Es ist übrigens auch eine Mär, dass der Bus seine Wegekosten nicht deckt. Das Gegenteil ist der Fall, weil wir über Mineralöl-, Umsatz-, Gewerbesteuer und andere Abgaben die Kosten der Straßenabnutzung mehr als ausgleichen.

Aus der Maut könnte die Infrastruktur finanziert werden.
Das wäre prima. Allein, mir fehlt der Glaube, dass die Einnahmen zweckgebunden verwendet würden. Es wird Sie nicht wundern, dass ich mich gefreut habe, dass in dieser Legislaturperiode eine Bus-Maut vom Tisch ist. Langfristig, das heißt wenn sich der noch junge Fernbusmarkt ausreichend etabliert hat, wäre eine Maut für uns aber tragbar, wenn alle anderen Straßennutzer auch zahlen müssten.

Panya Putsathit (39) ist Gründer und aktuell einer der beiden Geschäftsführer des Berliner Unternehmens MeinFernbus. Das 2011 entstandene Unternehmen fusionierte im Januar mit dem Wettbewerber FlixBus. Zusammen sind beide Marktführer mit einem Anteil von 75 Prozent. Bevor er zusammen mit Torben Greve MeinFernbus gründete, war Putsathit bei der Unternehmensberatung Accenture, bei der Deutschen Bahn und dem Online-Bezahldienst Paypal tätig.

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