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Viele Menschen haben weder eine Betriebsrente noch eine Lebensversicherung. Sie verlassen sich auf die Rente.
© Oliver Berg/dpa

Altersvorsorge: Die Groko muss die Rente stärken

Die gesetzliche Rente schlägt die betriebliche und die individuelle Altersvorsorge. Doch die Groko schwächt das System. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dr. Tim Köhler-Rama

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 7. Februar 2018 steht: „Wir halten am Drei-Säulen-Modell fest und wollen in diesem Rahmen die private Altersvorsorge weiterentwickeln und gerechter gestalten.“ Diese Absichtserklärung bedeutet, dass der Ausbau der kapitalgedeckten Alterssicherung im Rahmen der betrieblichen Vorsorge (zweite Säule) und der privaten Vorsorge (dritte Säule) weiter mit Steuermitteln vorangetrieben werden soll. Das hat zur Folge, dass der Marktanteil des umlagefinanzierten staatlichen Rentensystems (erste Säule) langfristig weiter sinken wird. Nichts anderes bedeutet es nämlich, wenn trotz steigender Kosten der Alterssicherung in einer alternden Gesellschaft der Rentenbeitrag langfristig nicht über 20 Prozent steigen soll.

Die Rente ist attraktiver als die betriebliche und die private Vorsorge

Das Festhalten an dem von Kanzler Schröder im Jahre 2001 eingeführten „Drei-Säulen-Paradigma“ ignoriert zentrale Befunde der letzten Jahre. Erstens liegen die Lohnwachstumsraten seit Jahren über den Zinsen für risikolose Anleihen. Das heißt: Das umlagefinanzierte Rentensystem ist für den Beitragszahler rentabler als die Zusatzvorsorge. Gutverdiener nutzen diese Tatsache bereits seit langem, indem sie freiwillige Rentenbeiträge leisten. Sie wissen, dass sich diese Beiträge sehr gut verzinsen.

Die kapitalgedeckte Alterssicherung ist dagegen aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen immer unattraktiver. An dieser Tatsache ändert sich auch durch einen höheren Aktienanteil an der privaten Altersvorsorge nichts, denn er führt vor allem zu steigenden Risiken der Altersvorsorge. Die Menschen betreiben aber gerade deshalb Altersvorsorge, weil sie Einkommenssicherheit im Alter wollen. Altersvorsorge auf der Basis riskanter Anlageprodukte kann dies nicht gewährleisten. Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren in Ländern, die über stark ausgebaute Zusatzsysteme verfügen (etwa die Niederlande), das Mischungsverhältnis der Alterssicherung wieder zugunsten der umlagefinanzierten Systeme zurück verschoben.

Tim Köhler-Rama ist Dozent an der Hochschule des Bundes, Fachbereich Sozialversicherung.
Tim Köhler-Rama ist Dozent an der Hochschule des Bundes, Fachbereich Sozialversicherung.
© privat

Die Rente ist die wichtigste Vorsorge

Zweitens: In Deutschland reichen Umfang und Verbreitung der Zusatzvorsorge einfach nicht aus, um die Absenkung des Leistungsniveaus im Rentensystem zu kompensieren. Etwa ein Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verfügen weder über eine betriebliche noch über eine private Altersvorsorge. Bei denjenigen, die eine Zusatzvorsorge betreiben, liegen die Eigenbeiträge im Durchschnitt unter 120 Euro im Monat. Auch in Zukunft wird daher der Großteil der Alterseinkommen aus der ersten Säule kommen.

Wenn das Leistungsniveau des staatlichen Rentensystems sinkt, steigt unweigerlich das Altersarmutsrisiko für sehr viele Menschen, die nicht über ausreichende weitere Einkommensquellen verfügen. Im Grunde hat Deutschland den Einstieg in die kapitalgedeckte Altersvorsorge zu spät begonnen und in den letzten Jahren auch nur halbherzig verfolgt. Beispielsweise gibt es hierzulande – anders als beispielsweise in der Schweiz seit 1985 – noch immer keine Verpflichtung zur betrieblichen Altersvorsorge. Ohne Verpflichtung lässt sich aber eine ausreichende Zusatzvorsorge nicht realisieren.

Betriebsrente ohne Garantie

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz, das Anfang 2018 in Kraft getreten ist, soll mithilfe von mehr steuerlichen Anreizen die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge weiter fördern. Für die meisten Menschen bringt dieses Gesetz aber keinen Vorteil, denn die neu eingeführte „Zielrente“ beinhaltet keinerlei Leistungsgarantien. Und anders als gesetzliche Renten werden Betriebsrenten nicht regelmäßig an die Lohnentwicklung angepasst. Es ist paradox: Obwohl das staatliche Rentensystem lukrativ ist wie nie, wird es durch die jüngste Reform weiter geschwächt, denn die eingeführten Freibeträge für Betriebsrenten bei der Grundsicherung im Alter gelten nicht für gesetzliche Renten. Das unterminiert die Akzeptanz des staatlichen Rentensystems.

Tim Köhler-Rama ist Autor und Dozent an der Hochschule des Bundes, Fachbereich Sozialversicherung.

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