Hartz-IV-System: Verschwendung von Zeit und Millionen
Rückforderungen von Kleinbeträgen kosten die Jobcenter mehr als sie einbringen. Nicht nur das macht das Hartz-IV-System kompliziert und teuer.
Hartz-IV-Empfänger erhalten oft Geld unter Vorbehalt. Wenn es dann zu einer Nachberechnung kommt, müssen sie manchmal Kleinstbeträge an das Amt zurückbezahlen. Die Verwaltungskosten dafür sind allerdings weitaus höher als die Einnahmen. Der CDU-Arbeits- und Sozialpolitiker Kai Whittaker ließ das Verhältnis jetzt ausrechnen, mit dem Ergebnis: Im vergangenen Jahr forderten die Jobcenter insgesamt 18 Millionen Euro an Beträgen bis 50 Euro zurück. Dies hat aber Verwaltungskosten von 60 Millionen Euro verursacht.
Zu Überzahlungen kann es zum Beispiel kommen, wenn Gelder an einen Hartz-IV-Empfänger unter Vorbehalt ausgezahlt werden, weil noch ein Dokument fehlt. Wird es eingereicht, erfolgt die endgültige Berechnung. Schon bei Beträgen ab sieben Euro, die jemand zu viel erhalten hat, ist das Amt gezwungen, Erstattungsbescheide zu verschicken.
Bundesagentur-Chef Detlef Scheele fordert schon seit Jahren die Einführung einer Bagatellgrenze. Der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum Ertrag. Die SPD schloss sich dem am Mittwoch an. „Wir wollen Menschen schnell in Arbeit bringen und nicht verwalten“, sagte die SPD-Fraktionsvize Katja Mast. Eine BA-Sprecherin erinnerte daran, dass der Gesetzgeber letztlich über eine Reform entscheidet – und nicht die Behörde.
„Hartz IV verliert sich in Kleinigkeiten“
Hartz IV wird derzeit wieder intensiv diskutiert. Auch deswegen, weil die Verwaltung so kompliziert geworden ist. Ursprünglich sollte ein Fünftel der knapp 60 000 Mitarbeiter in den Jobcentern die Leistungsansprüche der fast sechs Millionen Empfänger ausrechnen. Inzwischen ist die Hälfte damit beschäftigt. Hinzu kommt: Zwei von drei Bescheiden umfassen mehr als 20 Seiten, manche bis zu 200. Die durchschnittliche Akte einer Familie ist rund 650 Seiten dick. Whittaker sagte: „Hartz IV verliert sich in Kleinigkeiten.“ Er fordert ein Gesetz zum Bürokratieabbau noch in diesem Jahr.
Was die Arbeitsagentur ändern möchte, sind zudem die extrem aufwendigen und kleinlichen Berechnungen von Geldern. „Der Warmwasserverbrauch muss als Mehrbedarf extra berechnet werden, wenn das warme Wasser nicht über die Zentralheizung kommt“, sagte Bernd Becking, Chef der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg, dem Tagesspiegel. Und dies sei nur eins von unzählig vielen Beispielen. „Mit weniger Bürokratie könnten wie die Menschen mit einem besseren Betreuungsschlüssel qualifizieren oder in Arbeit vermitteln.“
Den Aspekt kritisierte auch Sven Lehmann, Grünen-Sprecher für Sozialpolitik: „Immer mehr Gelder, die eigentlich für Eingliederungsmaßnahmen von Arbeitssuchenden eingesetzt werden sollten, werden für Bürokratieauswüchse ausgegeben.“ 2017 wurden sogar rund 911 Millionen, die für Förderung und Qualifizierung von Hartz-IV-Empfängern vorgesehen waren, in den Verwaltungshaushalt der Jobcenter umgeschichtet. Ein pauschaler Geldbetrag für Bedürftige anstatt etlicher einzelner Ansprüche – das wäre auch im Sinne des BA-Chefs Scheele, der seit seinem Amtsantritt dafür wirbt.
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