Nach Gerichtsentscheidungen: Verdi setzt Amazon-Streiks am Sonntag aus
Die Gewerkschaft Verdi will ihren Arbeitskampf beim Online-Versandhändler Amazon am Sonntag nach Gerichtsentscheidungen vorübergehend aussetzen. Ab Montag soll dann aber bis Heiligabend weiter gestreikt werden.
Die Gewerkschaft Verdi will ihren Arbeitskampf beim Online-Versandhändler Amazon am Sonntag vorübergehend aussetzen. In den Versandzentren Bad Hersfeld (Hessen) und Leipzig (Sachsen) sei man mit dem Versuch gescheitert, gegen die dort geplante Sonntagsarbeit gerichtlich vorzugehen, sagte Bernhard Schiederig, Verdi-Handelsexperte in Hessen, am Samstagabend.
Schiederig sprach von einem „klaren Rechtsbruch“ der zuständigen Behörden. Verdi behalte sich weitere rechtliche Schritte vor. Da sich Amazon-Mitarbeiter bereits freiwillig zur Arbeit am vierten Adventssonntag gemeldet hätten, werde an diesem Tag nun kein Streik stattfinden, sagte Schiederig. An zwei weiteren geplanten Streikorten werde sonntags ohnehin nicht gearbeitet. Der Ausstand soll laut Verdi dann aber am Montag weitergehen. In Bad Hersfeld, Leipzig, Graben (Bayern) und Rheinberg (Nordrhein-Westfalen) soll der Arbeitskampf bis Heiligabend anhalten.
Eine Amazon-Sprecherin am deutschen Hauptsitz in München äußerte sich nicht zu dieser Frage. Sie verneinte erneut, dass es bei den Auslieferungen zu Verspätungen komme: „Unsere Mitarbeiter sind stolz, daran mitzuwirken, dass die Kunden ihre Weihnachtspäckchen pünktlich bekommen.“ Amazon setzt im Weihnachtsgeschäft in Deutschland eine Stammbelegschaft von 10.000 Beschäftigten sowie ebenso viele Saisonkräfte ein. Zudem kann der Versandhändler auf ausländische Logistikzentren etwa in Polen zurückgreifen. Am Streik beteiligen sich nach Unternehmensangaben etwa 2000 Mitarbeiter, Verdi spricht von 2400. Allein in Bad Hersfeld sollen es in den vergangenen Tagen etwa 600 gewesen sein.
Amazon-Mitarbeiter in Bad Hersfeld berichten nach Angaben von Verdi von einem Rückstau an Bestellungen. Die Gewerkschaft erhalte auch E-Mails von Kunden, denen zufolge die Lieferzeiten länger sind als üblich. Die Online-Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlichte dagegen schon am Freitag eine nicht repräsentative Leserumfrage. Sie deutet darauf hin, dass Amazon tatsächlich in den meisten Fällen pünktlich liefern kann.
In dem seit 2013 laufenden Konflikt will Verdi erzwingen, dass Amazon nach dem Versand- und Einzelhandelstarif zahlt. Amazon hingegen sieht die neun deutschen Versandzentren an acht Standorten hingegen als Logistikeinheiten. Mit einem Einstiegslohn von 9,55 Euro in der Stunde liege die Bezahlung bereits am oberen Ende der in der Logistik üblichen Vergütung. Ums Geld geht es Verdi aber nicht nur. Das US-Unternehmen ist bislang nicht einmal bereit, die Gewerkschaft als Gesprächspartner anzuerkennen. Amazon betreibe Unternehmenspolitik und wolle bei den Mitarbeitern weltweit eigene Standards durchdrücken, lautet deshalb der Vorwurf der Arbeitnehmervertreter. Seit dem Beginn der Streiks im vergangenen Jahr haben sich nach und nach Mitarbeiter an immer mehr Standorten an den Aktionen beteiligt. Mit Koblenz kam Anfang der Woche der sechste hinzu. (dpa/Tsp)