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Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman im vergangenen Jahr beim seinem "Future Investment Initiative (FII)" in Riad. In diesem Jahr sagen erste Teilnehmer ab - wegen des Falls Kaschoggi.
© AFP PHOTO / FAYEZ NURELDINE

Fall Dschemal Kaschoggi: US-Konzerne boykottieren ein Investmentforum in Riad

Mehrere US-Unternehmen haben ihre Teilnahme an einem Investmentforum in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad abgesagt. Siemens-Chef Joe Kaeser nicht.

Vom 23. bis 25. Oktober soll in der saudischen Hauptstadt Riad die große internationale Konferenz „Future of Investment“ stattfinden. Vertreter einiger prominenter Institutionen, Investoren und Würdenträger haben beschlossen, diese Konferenz zu boykottieren, berichteten amerikanische und arabische Medien. Als Grund verwiesen sie mehr oder minder direkt auf das mysteriöse Verschwinden des saudischen Journalisten und Regimekritikers Jamal Kaschoggi in dem saudischen Konsulat in Istanbul.

So erklärte die Sprecherin des Forum-Medienpartners New York Times, Elaine Murphy, ihr Verlag habe beschlossen, sich als Sponsor der Initiative zurückzuziehen. Die Washingtoner PR-Firma Harper teilte mit, dass sie ihren seit April 2017 bestehenden Vertrag mit der Regierung in Riad gekündigt habe, wie Harper-Geschäftsführer Richard Mintz erklärte. Der Vertrag habe ein Volumen von 80.000 Dollar im Monat. Auch der iranisch-amerikanische Chef des Fahrdienstanbieters Uber, Dara Khosrowshahi, erklärte, dass sein Unternehmen die Konferenz wegen Kaschoggis Verschwinden möglicherweise boykottieren werde. „Er ist sehr verärgert über die bisherigen Nachrichten über Kaschoggi“, sagte ein Firmensprecher. Die Teilnahme an der Konferenz mache der Uber-Chef nun davon abhängig, ob sich die Faktenlage deutlich ändere. Sollte sich der Verdacht des Mordes aber bestätigen, dürften andere Konsequenzen notwendig sein. Der Schritt erfordert Mut: Der saudische Staatsfonds ist mit 3,5 Milliarden Dollar größter Anteilseigner bei Uber.

Die Nachrichtenplattform "Al Dschasira" aus dem Emirat Katar, das schon länger mit den saudischen Nachbarn in heftigem Streit liegt, nennt auch den Investor und Chef des Gründerzentrums Y Combinator aus Mountain View, dem Sitz von Apple in Kalifornien: Y-Combinator-Chef Sam Altman habe demnach erklärt, er wolle seine Rolle im Beirat des saudischen Städtebauprojekts Neom bis zur Klärung des Falls Kaschoggi ruhen lassen.

Der Scheich sucht Helfer für seine Vision 2030

Das Projekt Neom ist ein wichtiger Teil in der „Vision 2030“ des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammad bin Salman. 2025 soll der erste Bauabschnitt im Nordwesten des Landes am Roten Meer fertiggestellt sein. Geleitet wird das Projekt von dem deutschen Manager Klaus Kleinfeld, der bis 2007 Chef des Siemens-Konzerns war und später den US-Aluminiumproduzenten Alcoa führte.

Auch andere Deutsche arbeiten für das saudische Regime. So steht hinter der Investorenkonferenz die saudische "Future Investment Initiative" (FII), zu deutsch "Initiative für Zukunftsinvestitionen". Als einer der "strategischen Partner" der FII ist der Technologiekonzern Siemens auf der Internetseite aufgeführt - neben anderen nicht-saudischen Unternehmen wie etwa den Großbanken HSBC und Credit Suisse. Im Beirat dieser Initiative sitzt Klaus Kleinfelds Nachfolger, der heutige Siemens-Konzernchef Joe Kaeser. Er ist auch als Redner auf der Konferenz angekündigt.

"Wir beobachten die Entwicklung sehr genau und auf vielen Ebenen", sagte ein Sprecher der Siemens-Konzernzentrale in München dem Tagesspiegel am Freitagnachmittag. Eine Planänderung stehe derzeit nicht an. Siemens hat - wie in sehr vielen anderen Ländern - seit Jahrzehnten eine Niederlassung in Saudi-Arabien. Derzeit ist der Konzern unter anderem an einem Konsortium beteiligt, das zwei U-Bahn-Linien und Züge für die Stadt Riad baut. Neben dem Siemens-Chef sind auch andere prominente Manager beziehungsweise Unternehmer im Beirat der königlichen Initiative vertreten, darunter Stephen A. Schwarzman, Chef des Finanzinvestors Blackstone, Masayoshi Son, der die japanische Softbank führt, die US-Verlegerin Arianna Huffington (Huffington Post) sowie der deutschstämmigen Silicon-Valley-Investor und Donald-Trump-Unterstützer Peter Thiel.

Szene am Freitag (12. Oktober 2018) vor der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul, wo der Regimekritiker Dschmal Kaschoggi bisher spurlos verschwunden sein soll.
Szene am Freitag (12. Oktober 2018) vor der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul, wo der Regimekritiker Dschmal Kaschoggi bisher spurlos verschwunden sein soll.
© Ozan Koze/AFP

Im Silicon Valley schämt man sich für den Großinvestor

Überhaupt scheint speziell die Start-up-Szene im Valley besonders aufgeschreckt angesichts des Khashoggi-Falls. Denn Saudi-Arabien hat Milliardenbeträge in die dortigen Tech-Konzerne gesteckt, nicht nur in Uber. Doch fraglich ist, ob die intensiven finanziellen Verflechtungen mit dem Königreich überhaupt aufgelöst werden können – ohne das eigene Unternehmen nachhaltig in eine finanzielle Krise zu stürzen.

Leichter hat es da vielleicht der britische Milliardär und Abenteurer Sir Richard Branson, Gründer und Eigentümer der Virgin-Gruppe. Er sagte dem Londoner "Guardian", er habe Gespräche über eine Beteiligung der Saudis an seinem Weltraumtourismusprojekt "Virgin Galactic" auf Eis gelegt. Zudem habe er seine Mitarbeit an zwei großen Tourismusprojekten, die am Roten Meer geplant sind, vorerst gestoppt. "Ich hatte große Hoffnungen in die aktuelle Regierung des Königreiches und ihren Führer Kronprinz Mohammad bin Salman gesetzt". Wenn aber die Berichte über eine Beteiligung des Regimes am Verschwinden Kaschoggis bewiesen werden sollten, "würde das für uns allen im Westen ganz klar die Möglichkeiten verändern, Geschäfte mit der saudischen Regierung zu machen", sagte Branson der Zeitung.

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