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Auch in Deutschland wollen Anwälte für VW-Kunden Schadenersatz erstreiten.
© dpa

Abgas-Affäre bei Volkswagen: US-Anwalt sammelt deutsche VW-Kunden

Der Berliner Partner des Star-Juristen Hausfeld sieht Chancen für Schadenersatz für VW-Kunden – und zwar auch ohne Sammelklagen wie in den USA.

Der Berliner Partner des US- Staranwalts Michael D. Hausfeld will tausenden VW-Kunden in Deutschland zu Schadenersatz in der Diesel-Betrugsaffäre verhelfen. „Warum sollten deutsche VW-Kunden leer ausgehen, nur weil es in Deutschland keine Möglichkeit zu Sammelklagen gibt wie in den USA?“, sagte Christopher Rother dem Tagesspiegel. Der Anwalt leitet als Partner der US- Kanzlei das Berliner Büro. Der Washingtoner Anwalt Hausfeld, der spektakuläre Erfolge in Verfahren von Ölpest-Geschädigten, Zwangsarbeiterfonds und Holocaust-Opfern errang, zählt zu den 22 Anwälten, die vor einer Woche in Kalifornien Sammelklagen gegen den VW-Konzern eingereicht hatten.

Eine Zahlung an Betroffene in Deutschland lehnt VW ab

Anders als in Deutschland will Volkswagen – wohl auch unter dem Druck angekündigter Klagen tausender Geschädigter – an 500.000 US-Kunden Gutscheine über jeweils 1000 Dollar ausgeben. Eine Zahlung an die 2,5 Millionen Betroffenen in Deutschland lehnt VW ab. Auch der Rückkauf von Fahrzeugen wird hierzulande nicht erwogen.

„Inhaltlich gibt es für die Ungleichbehandlung von amerikanischen und deutschen Kunden keinerlei Rechtfertigung“, sagte Rother. „Dass VW zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet ist, ist eigentlich unstrittig. Die Frage ist nur, in welcher Höhe.“

Der Anwalt ist mit dem Versuch, im VW-Fall zivilrechtlichen Schadenersatz zu erwirken, zwar nicht allein. Andere Kanzleien bemühen sich allerdings um Anleger mit VW-Aktien, die ihr verlorenes Geld wiederbekommen wollen.

Pro Auto dürfte der Schaden bei 1000 Euro liegen

Rother, der fast 20 Jahre lang die Kartellrechtsabteilung der Deutschen Bahn leitete, kalkuliert den Schaden von VW-Fahrzeughaltern mit der Minderung des Wiederverkaufswerts der betroffenen Autos. „Er liegt bei fünf bis zehn Prozent vom Neupreis. Im Schnitt dürfte der Schaden also bei 1000 bis 1500 Euro pro Auto liegen“, schätzt der Jurist. „Wir wissen von entsprechenden Schätzungen großer Flottenbetreiber. Letztlich wird das ein Gutachter genau beziffern.“

Damit einzelne VW-Kunden ihre Forderungen durchsetzen können, ohne das hohe individuelle Prozessrisiko tragen zu müssen, will Rother mit einem „Rechtsdienstleister“ zusammenarbeiten. An diesen sollen VW-Kunden ihre Ansprüche abtreten, indem sie sich auf einer eigens dafür eingerichteten Website, die im März online gehen soll, registrieren.

Ein Prozessfinanzierer ist bereits eingeschaltet

Der börsennotierte US-Prozessfinanzierer Burford stellt für das Verfahren zehn Millionen Euro zur Verfügung – die höchste je in Deutschland zu diesem Zweck gezahlte Summe. „Wir beziehungsweise unser Prozessfinanzierer verhandeln derzeit mit zwei Anbietern, die Erfahrung auf diesem Gebiet haben“, sagt Rother. „Bis Mitte März wollen wir uns entscheiden.“ Die Rechtsdienstleistungsfirma soll die gebündelten Ansprüche gegen den VW-Konzern durchsetzen. Kommt es nicht zum angestrebten außergerichtlichen Vergleich, treten die Hausfeld-Anwälte in Aktion.

„Das Ziel ist nicht, Jahre lang zu prozessieren. Es soll vielmehr ein Drohpotenzial dadurch aufgebaut werden, dass möglichst viele Kunden zusammenkommen und das Unternehmen zu einem außergerichtlichen Vergleich und zur Zahlung von Schadenersatz bereit ist“, erklärt Rother. „Unser Anreiz ist es, in diesem sehr großen und prominenten Fall trotz unseres angestaubten und ungeeigneten Rechtssystems Ansprüche von Geschädigten durchzusetzen.“ Was selbstlos klingt, ist natürlich ein Geschäftsmodell: Auch wenn das Modell nicht zum Erfolg führt, haben die Hausfeld-Anwälte daran verdient.

Eine Rechtsschutzversicherung brauchen die Kunden nicht

Das Risiko für VW-Kunden ist überschaubar. Scheitert das Vergleichsverfahren und gehen auch Prozesse verloren, bleiben keine Kosten beim Kunden hängen. Eine Rechtsschutzversicherung ist laut Rother nicht notwendig. „Im Erfolgsfall werden von der Schadenersatzzahlung, die VW leisten müsste, Provisionen abgezogen. Marktüblich sind 30 bis 35 Prozent“, sagt der Anwalt. In herkömmlichen Schadenersatzprozessen, die Verbraucher anstrengen, übersteigen die Anwalts- und Gutachterkosten häufig den erlittenen Schaden deutlich. „Volkswagen weiß, dass es sich für den individuell geschädigten Kunden nicht lohnt, seine Ansprüche geltend zu machen“, sagt Rother. Ähnliche Konstruktionen, in denen Verbraucher Ansprüche an Rechtsdienstleister abtreten, gab und gibt es bei Rechtsstreitigkeiten um Widerufsbelehrungen von Banken oder bei der Durchsetzung von Fluggastrechten. Ein so großes Verfahren wie im VW-Fall ist aber in Deutschland eine Premiere. „In dieser Größenordnung ist das bislang noch nicht gemacht worden“, sagte Rother.

Entscheidend ist, wie viele Kunden mitmachen

Wie viele VW-Kunden am Ende mitmachen, hänge entscheidend von der Benutzerfreundlichkeit, Professionalität und Bekanntheit der Website ab, auf der die VW-Kunden sich anmelden sollen. „Je mehr es werden, desto besser“, sagt der Berliner Anwalt. Es müsse aber noch zu bewältigen sein. „Bei etwa 50.000 Geschädigten hätte man aber wohl eine kritische Masse erreicht, die VW ernst nimmt.“

Bei einem durchschnittlichen Schaden von 1500 Euro kämen so auf VW zusätzlich 75 Millionen Euro an möglichen Schadenersatzzahlungen in Deutschland zu – neben den Kosten für Rückrufe und Reparaturen. „Insgesamt wird man für Volkswagen von einem Gesamtschaden in Deutschland von drei bis vier Milliarden Euro und mehr ausgehen müssen“, sagt Christopher Rother. Vorausgesetzt, der Konzern löse das Problem genauso wie in den USA. Rother: „Das ist viel Geld, aber wenig gemessen am VW-Gewinn der Jahre 2010 bis 2014.“

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