Algorithmen sollen Firmen kontrollieren: Unternehmen in China werden bald noch strenger überwacht
Das chinesische Sozialkreditsystem gängelt bisher nur Bürger, nun soll es auf Unternehmen ausgeweitet werden. Das könnte auch für Europäer zum Problem werden.
Die positiven Punkte des am Mittwoch vorgestellten EU-Positionspapiers zu China sind schnell zusammengefasst. Künftig werden alle Unternehmen in der Volksrepublik erst einmal die gleichen Startbedingungen haben. Das geplante Sozialkreditsystem für Unternehmen, egal ob chinesische oder ausländische, will alle auf dem Marktplatz China gleich behandeln. Dass dann sozusagen farbenblind und herkunftsunabhängig bewertet wird, sollen Algorithmen garantieren.
„Dann endlich werden die überlagernden Regulierungen der chinesischen Behörden nicht mehr die europäischen Unternehmen treffen“, so Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China im Vorwort des Papiers der EU-Handelskammer in China.
Bisher ist es häufig vorgekommen, dass gerade im Bereich Umweltschutz auch ausländische Unternehmen ihre Produktion in China unterbrechen mussten, wenn etwa die Luftwerte zu schlecht wurden, obwohl viele von ihnen – im Gegensatz zu ihren chinesischen Wettbewerbern – schon längst entsprechende Filteranlagen installiert hatten.
Damit sind die positiven Aspekte aus Sicht der EU-Beamten aber auch schon genannt. Denn was diesen Regelungen zugrunde liegt ist ein Sozialkreditsystem für Unternehmen. Was bislang vor allem für die Bürger der Volksrepublik angewandt wurde, soll bald auch für Firmen gelten. Wer etwa mit Zulieferern Geschäfte macht, die die chinesische Regierung kritisch sieht, muss mit Nachteilen rechnen.
Schon ab dem 1. September sollen die ersten Maßnahmen auf dem Weg dorthin greifen. Das System soll zwar erst Ende 2020 voll in Kraft treten, die Weichen, so sieht es die EU in ihrer aktuellen Publikation, werden aber jetzt schon gelegt.
30 Behörden entscheiden über die Punktevergabe
Die Liste der Nachteile aber ist laut Papier der EU-Handelskammer lang. Bislang ist zwar unklar, nach welcher Gewichtung geurteilt wird, ob Firmen ihre Geschäfte „vorbildlich und lobenswert“ machen, oder sie mit Strafpunkten sanktioniert werden. Doch schon jetzt weiß man, dass über 30 Behörden daran beteiligt sind, in Zukunft über diese Punkte zu entscheiden. Die Schwierigkeit liegt auch in der Uneinheitlichkeit der Datenerfassung und Auswertung. Höhere Punktzahl führen zu geringeren Steuersätzen, besseren Kreditbedingungen, einfacheren Marktzugang oder mehr öffentlichen Beschaffungsmöglichkeiten für Unternehmen, schreibt die EU-Kammer.
Auch Systeme, die darauf zielen, dass die Unternehmen sich gegenseitig kontrollieren, sind in Planung. Zu Minuspunkten könnte das Rating für die Firmen führen, wenn diese etwa gegen Umweltvorschriften verstoßen, das führt dann auch soweit, dass auch die Bewertung des Auftraggebers dann darunter leiden könnte.
Schon seit 2013 werden von der chinesischen Zentralregierung Gesetze und Regulierungen verkündet, die auf lokaler Ebene in über eintausend Dokumenten definieren sollen, was das Sozialkreditsystem ist. Seit Mitte dieses Jahres seien die verschiedenen Mechanismen des Systems anwendbar, heißt es in dem EU-Papier.
Einige Bewertungen auf alle in China aktiv tätigen Unternehmen werden demnach bereits vorgenommen. Dabei werden große Mengen an Daten gesammelt, die die Performance dieser Unternehmen bewertet und deren Geschäftstätigkeit beeinflusst.
Das Seidenstraßen-Projekt ist schon Teil des Systems
Das Fazit der EU ist ernüchternd: Hatten chinesische Firmen schon jetzt Vorteile im Wettbewerb, weil Peking Interesse daran hatte, seine Staatsunternehmen aufzubauen, so droht ausländischen Firmen mit dem Sozialkreditsystem noch ein weiterer Malus.
Denn heimische Unternehmen haben ein Informationsvorteil auf ihrer Seite und sie können viel schneller auf neue Verordnungen reagieren als manche kleine oder mittelständische Betriebe aus dem Ausland. Bis diese überhaupt erfahren oder erfassen können, inwieweit sie betroffen sind, sind sie die Fallen des Überwachungssystems gestiegen. Es scheitert häufig schon allein an der Sprache.
Während die Europäische Handelskammer Ratschläge gibt, wie sich Unternehmen besser auf das Kreditsystem vorbereiten könnten, scheint China anderenorts schon Tatsachen geschaffen zu haben.
So ist das Sozialkreditsystem ein integraler Bestandteil der Seidenstraßen-Projekte, die Staats- und Parteichef Xi Jinping angestoßen hat. Mit dem Mittel der Infrastrukturhilfsmaßnahmen wird in den Bündnisländern auch gleich ein Wissens- und Informationsnetzwerk aufgebaut, das mit den Datenbanken des Sozialkreditsystems abgeglichen werden wird.
Mit der Mongolei, Thailand und Frankreich führte China schon Gipfeltreffen über Kooperationen für Kredite im Rahmen der Seidenstraßeninitiative. Der Arm reicht bis nach Zentraleuropa, wo im Juni eine Delegation der staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) und der National Public Credit Information Center in der Tschechischen Republik auf Regierungsvertreter trafen, um ein Sozialkreditsystem als Teil ihrer Seidenstraßen-Zusammenarbeit zu vereinbaren.
Ning Wang