Bewerber im Test: Unter Konkurrenten
Vor allem größere Unternehmen schicken ihre Bewerber ins Assessmentcenter. Dort sollen die besten ausgewählt werden. Was die Kandidaten erwartet.
Schlaflose Nächte, Herzrasen, Schweißausbrüche – bei der Einladung zum Assessmentcenter bekommen viele weiche Knie. Und das wird nicht besser, wenn es erst so weit ist. Die Psychologin Sandra Schönborn erlebt immer wieder nervöse Kandidaten. Seit elf Jahren unterstützt sie für die Düsseldorfer Karriereberatung Von Rundstedt Unternehmen dabei, für eine Stelle den passenden Mitarbeiter zu finden. „Die Nervosität gehört dazu, Bewerber sollten aber versuchen, sich nicht so sehr unter Leistungsdruck zu setzen“, rät Schönborn.
Assessmentcenter sind Verfahren zur Personalauswahl, bei dem mehrere Beobachter die Leistung von einem oder mehreren Bewerbern beschreiben und bewerten. Auf diese Weise versuchen Unternehmen etwa, neue Mitarbeiter für Trainee-Stellen zu finden. Sie versuchen zu erkennen, welche ihrer Mitarbeiter sich für Führungsaufgaben eignen oder wo deren Potenziale liegen. Das Verfahren ist beliebt: 27 von 30 Dax-Konzernen greifen darauf laut einer Studie des Arbeitskreises Assessment Center zurück.
Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungskraft und Analysefähigkeit, das sind die Kriterien, nach denen dabei vorwiegend gefahndet wird. „Mit einem Assessmentcenter wollen die Unternehmen sicherstellen, dass das Auswahlverfahren rational und objektiv und damit unabhängiger von der Entscheidung einzelner Personaler verläuft“, sagt Christof Obermann, Partner bei Obermann Consulting in Köln. Kleinere Betriebe nutzten das Verfahren weniger. Dort wisse der Chef am besten, wen er einstellen möchte.
Populär ist das Assessmentcenter in allen Branchen, aber besonders oft setzen es Dienstleister wie Versicherungsunternehmen oder Banken ein. Auch EU-Behörden und internationale Organisationen nutzen das verfahren. „Dort spielen Kommunikation und Teamfähigkeit und damit der Umgang mit Kunden und Kollegen eine größere Rolle“, sagt Obermann, der auch Wirtschaftspsychologe an der Rheinischen Fachhochschule Köln ist.
In Branchen, in denen dagegen Ingenieure oder Techniker gesucht sind, seien die fachlichen Gründe entscheidend. Und um die festzustellen, brauche man kann Assessmentcenter. „Die lassen sich durch Noten schneller erkennen“, sagt er.
Sandra Schönborns Job beginnt meist damit, die Kompetenzen zu definieren, die von einem Bewerber erwartet werden. „Sucht ein Unternehmen etwa einen Controller, sind Kompetenzen wie Ergebnisorientierung, analytisches Denken oder Gewissenhaftigkeit wichtig“, sagt sie. Diese Fähigkeiten möglichst treffend einzuschätzen, ist dann Ziel des Testcenters.
Konflikte wollen gelöst werden
Methoden, um zu einem möglichst präzisen Urteil zu kommen, gibt es viele. Oft eingesetzt werden Rollenspiele, in denen der Kandidat Konfliktsituationen bewältigen muss. Zum üblichen Repertoire zählen neben Selbstpräsentation, Interview oder Gruppendiskussion auch Fallstudien, die zu bearbeiten sind. Dabei werden unternehmenstypische Problemsituationen dargestellt, die alleine oder im Team gelöst werden müssen. „Man kann damit gut überprüfen, wie Kandidaten Prioritäten setzen, wie ergebnisorientiert sie arbeiten oder wie sie mit Informationen umgehen“, sagt Schönborn. Auf Präsentationen setzt sie dagegen, wenn der Mitarbeiter etwa im Vertrieb häufig sein Unternehmen oder deren Produkte vorstellen muss. „Die Methoden variieren, je nachdem für welche Positionen Beschäftigte gesucht werden“, sagt sie.
Während des Assessmentcenters kann es zu interessanten Wendungen kommen. Ein Bewerber, so erinnert sich Schönborn, galt wegen seines fachlichen Wissens als Kandidat für eine große Karriere. Allerdings war das Unternehmen unsicher, ob er in der Lage ist, ein Team zu führen. Bei den fachlichen Übungen stand der Bewerber dann auch gut da. „Doch als er in einer Rollensimulation kritische Gespräche mit Mitarbeitern führen und sich um soziale Dinge kümmern musste, war ihm schnell selbst bewusst, dass das nicht sein Ding ist – und er hat von sich aus auf die neue Aufgabe verzichtet“, erzählt die Psychologin. Für beide Seiten sei es hilfreich gewesen, dass damit nun Klarheit geherrscht habe.
Sich im Assessmentcenter zu verstellen, ist zumeist wenig erfolgreich. „Wir merken, wenn etwas nicht stimmt“, ist sich die Psychologin Schönborn sicher. Wer sich etwa sachlich gibt, aber eigentlich eher emotional ist, kommt damit selten durch. In Testsituationen werde Stress und Druck erzeugt, um zu sehen, wie die Kandidaten damit umgehen und auf welche Verhaltensweisen sie zurückgreifen, um sich ihre Sicherheit zurückzuholen. Dabei lasse sich eine künstliche Fassade nicht lange aufrecht erhalten.
Gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Doch der Stress lässt sich reduzieren, ist sich Jürgen Hesse vom Berliner Beratungsunternehmen Hesse/Schrader sicher. Entscheidend sei dafür, dass man sich gut vorbereite, dass man sich über das Unternehmen informiere, die wirtschaftlichen Kennzahlen im Kopf habe. Und dass man sich im Vorhinein etwas einfallen lasse zu Standardübungen wie der Selbstpräsentation: „Nur Namen, Alter und die Stadt zu nennen, in der man gerade wohnt, ist äußerst einschläfernd für alle Beteiligten“, sagt Hesse. Idealerweise sollte man sich deshalb deutlich von den anderen Kandidaten unterscheiden – ohne als witziger Entertainer aufzutreten.
Bei Assessmentcentern gehe es im Wesentlichen darum, dem Unternehmen zu zeigen, was man kann, wie leistungsstark und motiviert man ist und wie es um die Persönlichkeit bestellt ist. „Wer sich das verdeutlicht, hat einen guten Leitfaden für die Vorbereitung“, sagt Hesse.
Die Psychologin Schönborn rät: Die Teilnehmer sollten ganz basale Dinge beachten, wie pünktlich erscheinen, ausgeschlafen sein und gefrühstückt haben. Das sei wichtig, nicht nur, um einen guten Eindruck zu machen, sondern auch, um sich gut konzentrieren zu können.
Auch sollte man sich die Stellenanzeige des Unternehmens vorher nochmal gut durchlesen. Worauf legt der Arbeitgeber wert? Welche Kompetenzen sind gesucht? Gab es Situationen, in denen man diese schon mal anwenden konnte? Das sollte man versuchen, darzulegen. „Es kommt immer darauf an, die eigenen Stärken zur Geltung zu bringen“, sagt Schönborn.
„Bei Assessmentcentern lernen sich beide Seiten kennen. Das ist auch eine Chance für den Bewerber, herauszufinden ob der Arbeitgeber für ihn der richtige ist. „Außerdem nehmen die Kandidaten etwas Wertvolles mit“, weiß die Psychologin. Sie bekommen ein Feedback – und erfahren in den Übungen viel über sich selbst.
Benjamin Haerdle
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