GDL gegen Deutsche Bahn: Unfähig zum Kompromiss
Der Konflikt zwischen der GDL und der Bahn ist kompliziert, und mit jedem Streiktag wird eine Einigung schwieriger. Doch die Beteiligten müssen endlich Verantwortung übernehmen. Ein Kommentar.
Dieser Streik kommt wie bestellt. Am Montag hörte der Bundestag ein Dutzend Sachverständige zum geplanten Gesetz über die Tarifeinheit an, mit dem künftig kleinen Gewerkschaften das Geschäft erschwert werden soll. Seit fünf Jahren schwebt das Vorhaben in der Berliner Luft, jetzt kommt das umstrittene Gesetz auf die Zielgerade. Der gewaltige Arbeitskampf der Lokführer spielt den Befürwortern in die Karten. Dazu gibt es eine hübsche Verschwörungstheorie, die auch Streikführer Claus Weselsky für schlüssig hält: Der Bund als Bahn-Eigentümer hat das Bahn-Management aufgefordert, sich in den Verhandlungen nicht zu bewegen.
Denn nach dem inzwischen achten Streik der Lokführer wird es niemanden mehr geben im genervten Streikland, der Tarifeinheit nicht gut findet. Das neue Gesetz verspricht ja, kleine Berufsorganisationen wie die GDL an die Kette zu legen. Vor ein paar Jahren, in der schwarz-gelben Koalition, zuckte Angela Merkel noch zurück. Jetzt zieht es die Regierung durch. Und nutzt dabei Weselskys Überziehen, denn mit diesem Arbeitskampf verspielt die GDL alle Sympathien. Weselsky hat das Maß verloren.
Das Management der Bahn ist ganz bestimmt sehr tüchtig, doch Tarifpolitik können die Herrschaften nicht. Die Verhandlungen ziehen sich bald über ein Jahr, unzählige Papiere und Protokolle, Spitzengespräche und Lösungsversuche – außer Spesen nichts gewesen. Der Personalvorstand Ulrich Weber ist nicht weniger verantwortlich für den Crashkurs der Tarifgegner, die doch eigentlich Partner sein sollen, als Weselsky. Für die Unfähigkeit dieser Verhandlungsführer zahlen die Bahnfahrer, die Steuerzahler und die Unternehmen, die abhängig von einer funktionierenden Infrastruktur und halbwegs pünktlichen Arbeitnehmern und Gütern sind. Dass jetzt Verkehrs- und Wirtschaftsminister empört tun und friedliche Verhandlungen reklamieren, ist wohlfeil. Alexander Dobrindt und Sigmar Gabriel müssen die vergangenen Wochen im Ausland verbracht haben. Denn seitdem klar ist, dass Streik Nummer sieben vor zwei Wochen nichts gebracht hat, war der große Arbeitskampf nur eine Frage der Zeit.
Wo sind die Verantwortlichen?
Der Konflikt ist kompliziert, weil es ein Verteilungskonflikt der besonderen Art ist. Um Lohnprozente und kürzere Arbeitszeiten geht es nur am Rande. Im Mittelpunkt steht die Machtfrage. Bei der Bahn gibt es zwei Gewerkschaften, die sich weitaus feindseliger gegenüberstehen als gemeinhin Gewerkschaften und Arbeitgeber.
Die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG gehört zum DGB und ist deutlich größer als die Lokführergewerkschaft GDL, die Mitglied im Beamtenbund (dbb) ist. In den vergangenen Jahren gab es ein Friedensabkommen, auf dessen Grundlage die GDL für Lokführer Tarifverträge abschloss und die EVG für die übrigen Bahnbeschäftigten. Das Abkommen ist tot, der Verteilungskonflikt zwischen den Gewerkschaften so lebendig wie nie. Und lässt im Übrigen auch die Dachverbände DGB und dbb ziemlich alt aussehen. Oder geht es auch dort vor allem um die Tarifeinheit? Der DGB ist dafür, der dbb dagegen. Über das Gesetz zur Tarifeinheit wird das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben; die Nachteile für kleine Gewerkschaften sind so groß, dass womöglich die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit eingeschränkt wird. Das Gesetz, für das die Arbeitgeber seit fünf Jahren mit allen Mitteln werben, ist vermutlich nicht verfassungskonform.
Den Konflikt bei der Bahn müssen Weselsky und Weber selbst lösen. Weber hat aber die weiße Fahne gehisst und nach einem neutralen Schlichter gerufen. Weselsky ruft seine Mitglieder in den Streik und lehnt eine Schlichtung ab, weil er allein als Sieger aus dem Bahnhof kommen will. Mit jedem Streiktag wird der Kompromiss schwieriger. Und was macht Bahn-Chef Rüdiger Grube in diesen Tagen? Und wo ist der Vorsitzende des Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, ohne den sich die GDL die ständigen Streiks nicht leisten könnte? Millionen stehen am Gleis, und die Herren schlagen sich in die Büsche. Erbärmlich.