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GDL-Chef Claus Weselsky bei seiner Pressekonferenz am Montag in Berlin.
© Wolfgang Kumm/dpa

GDL-Chef Weselsky rechtfertigt Bahnstreik: "Bahnkunden sind für die Bahn nur ein Spielball"

Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, hat in Berlin den "längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn AG" verteidigt. Die Bundesregierung kritisiert den Ausstand heftig. Und Wirtschaftsvertreter haben die volkswirtschaftliche Kosten geschätzt.

Zur Einstimmung auf den Streik ließ Weselsky die Reporter, die am Montag um 10 Uhr zu seiner Pressekonferenz ins Büro des Beamtenbundes nach Berlin-Mitte gekommen waren, zunächst zwölf Minuten lang warten. Dann aber legte er umso schneller los: Die Deutsche Bahn sei "verhandlungsunfähig", wisse offenbar nicht, "wo sie steht". Er erinnerte an das Platzen der letzten Verhandlungsrunde am 29. April. Dort habe sich erneut gezeigt, welche Verhandlungtaktik die DB verfolge: "Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück. Und kein Zwischenergebnis fixieren". So könne die Bahn sich jederzeit auf die Ursprungsposition zurückfallen lassen, erklärte der GDL-Chef. Er erinnerte an das "grundgesetzlich verbriefte Recht" seiner Gewerkschaft zu streiken. (Lesen Sie dazu hier einen Kommentar).

Die Bahn "vergießt Krokodilstränen", die Streiks hätten bereits betriebswirtschaftliche Schäden im Volumen 200 Millionen Euro verursacht. Um so verwunderlicher sei es, dass sie signalisiert, auch weitere Streiks verkraften zu können. "Das zeigt, die Bahnkunden sind für die Bahn offenbar nur ein Spielball ihrer Interessen."

Die neue Streikankündigung der Lokführer-Gewerkschaft GDL stößt bei der großen Koalition auf scharfe Kritik. "Der Tarifstreit bei der Bahn ist für Außenstehende kaum noch nachzuvollziehen", sagte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Der am Montag beginnende Ausstand der Lokführer werde "Pendler und Reisende, aber auch die Deutsche Bahn und die gesamte deutsche Wirtschaft insgesamt schwer treffen", sagte er der "Bild". Alle Beteiligten müssten sich fragen, ob der durch den Streik verursachte Schaden noch "in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Auseinandersetzung" stehe. "Statt Deutschland lahmzulegen, brauchen wir ernsthafte Verhandlungen", forderte Gabriel.

Er hat wenig Verständnis für die Streik-Pläne der GdL: Wirtschaftsminister Sogmar Gabriel (SPD)
Er hat wenig Verständnis für die Streik-Pläne der GdL: Wirtschaftsminister Sogmar Gabriel (SPD)
© dpa

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), sagte, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) werde "zu einem Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland". Die volkswirtschaftlichen Folgeschäden des Streiks seien "gewaltig", ein Stillstand im Frachtbereich führe schon nach wenigen Tagen "zu millionenteuren Produktionsausfällen". "Diese Machtspiele eines einzelnen Gewerkschafters sind einfach unerträglich", kritisierte Fuchs.

Grüne: Kein Tarifeinheitsgesetz verabschieden

Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, fordert derweil die Bundesregierung auf, das geplante Tarifeinheitsgesetz (Prinzip: ein Betrieb, eine Gewerkschaft) auf Eis zu legen. Die Regierung müsse das Gesetzesvorhaben zurücknehmen, "um diesen verschärften Konkurrenzkampf der Gewerkschaft wegzukriegen", sagte Hofreiter am Montag im Radiosender NDR Info. Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn geht es auch darum, dass die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) jeweils für Mitarbeiter in den gleichen Aufgabenbereichen Tarifverträge abschließen will.

Anton Hofreiter, Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag.
Anton Hofreiter, Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag.
© Thilo Rückeis

Hofreiter erklärte, "das Auftreten der GDL, insbesondere ihres Vorsitzenden, ist oft total ungeschickt". Die Folgen der Streiks seien unangenehm. Wenn jedoch das Streikrecht davon abhängig gemacht werde, welche Folgen die Ausstände für andere haben, "dann wird es ganz schnell kompliziert". Die Politik sei aufgerufen, "schlichtend und nicht verschärfend aufzutreten". Die Bundesregierung solle sich "moderierend" zu Wort melden.

Bis Sonntag, 9 Uhr, wird gestreikt

Die GDL hatte am Sonntag angekündigt, dass am Montag ab 15 Uhr der Güterverkehr der Deutschen Bahn bestreikt wird. Ab Dienstagmorgen um 2 Uhr sollen Lokführer und Zugbegleiter dann auch im Personenverkehr in den Ausstand treten. Der Streik soll bis Sonntagmorgen um 9 Uhr dauern. Am Mittwoch hatte die GDL ein Tarifangebot der Bahn zurückgewiesen und angekündigt, "richtig lange" zu streiken. Die Deutsche Bahn nannte den angekündigten Streik "absolut unangemessen und maßlos".

In dem schon zehn Monate andauernden Tarifkonflikt hat die GDL bereits mehrmals den Personen- und den Güterverkehr bei der Deutschen Bahn bestreikt, zuletzt Ende April. Die Bahn verhandelt parallel auch mit der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), weil beide Gewerkschaften sich nicht auf Spielregeln für ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten. EVG und GDL wollen Tarifabschlüsse für alle ihre Mitglieder erreichen, die Bahn will aber unterschiedliche Ergebnisse für ein und dieselbe Berufsgruppe verhindern.

Die Bahn bietet der GDL vom 1. Juli 2015 eine Entgelterhöhung um 3,2 Prozent und vom 1. Juli 2016 um 1,5 Prozent sowie eine Einmalzahlung von 1000 Euro. Da der Tarifvertrag aber schon Ende Juni 2014 ausgelaufen sei, entspreche dies alles in allem einer Entgelterhöhung von rund 3,5 Prozent für einen Tarifabschluss über 30 Monate, schrieb die GDL in einer Mitteilung vom Montag. Die Einführung einer weiteren Entgeltstufe habe die DB ebenso abgelehnt wie eine Verbesserung des Entgeltsystems der Zugbegleiter und Bordgastronomen. "Selbstverständlich gibt es auch keine Beteiligung am Unternehmenserfolg. Damit wird deutlich, was dem DB-Management das eigene Zugpersonal wirklich wert ist: nur Sonntagsreden, dem keine Taten folgen sollen", schreibt die GDL. Am Wochenende hatte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber einen externen Schlichter gefordert, um den Tarifkonflikt beizulegen.

DIHK: Streik kostet Wirtschaft eine halbe Milliarde Euro

DIHK-Präsident Eric Schweitzer hat die Kosten für den Streik überschlagen. "Lager laufen leer, die Produktion stottert, es kann sogar zu Produktionsausfällen kommen. Alles in allem drohen Streikkosten von einer halben Milliarde Euro", sagte Schweitzer dem "Handelsblatt". Der Streik koste die Wirtschaft nicht nur Nerven, sondern richtig Geld. "Wenn der Streik wie angekündigt sechs Tage dauert, kommt die Lieferkette ins Stocken", befürchtet Schweitzer. (mit AFP, dpa)

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