Von Kinderbetreuung bis Sabbatical: Umfrage: Arbeitgeber sind unflexibel und hierarchisch
Sie verlangen viel, aber bieten wenig: Eine Umfrage unter Arbeitnehmern offenbart gravierende Defizite bei Arbeitgebern. Das ist auch für sie ein Problem.
Fast jeder dritte Arbeitgeber sperrt sich gegen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und in fast jedem zweiten Betrieb hierzulande ist wie anno dazumal zwingend erforderlich, dass die Mitarbeiter in allen Angelegenheiten den ordentlichen Dienstweg einhalten – auch wenn dies den Betrieb aufhält.
Das sind zwei Ergebnisse einer aktuellen und groß angelegten Umfrage unter 4000 Arbeitnehmern – durchgeführt von Xing, dem mit 8,3 Millionen Mitgliedern größten Karrierenetzwerk im deutschsprachigen Raum und dem Marktforschungsunternehmen Statista. Die beiden Hamburger Unternehmen hatten im März und April Mitarbeiter aller Berufsklassen, vom Kassierer bis zum Büroangestellten, befragt. Erste Ergebnisse liegen dem Tagesspiegel vor. Die vollständige Studie soll am 28. April in Berlin vorgestellt und mit Arbeitsmarktexperten diskutiert werden. Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass viele deutsche Arbeitgeber sich selber schaden.
Flexibel auch nach Feierabend
Der seit jeher stetig steigende Grad an Automatisierung, Rationalisierung und Digitalisierung erfordert es, dass Arbeitgeber Produktions- und Arbeitsabläufe immer wieder anpassen, will ein Unternehmen nicht den Anschluss verlieren. Vor dem Hintergrund fordern Arbeitgeber von ihren Angestellten immer mehr Flexibilität ein. In der Befragung gab fast die Hälfte (45 Prozent) an, dass von ihnen zeitliche Flexibilität auch über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus erwartet wird. Nachvollziehbar, allerdings wird einer Mehrheit der Arbeitnehmer (52 Prozent) nicht zugestanden, dass sie ihrerseits ihre Arbeitszeit frei gestalten – sofern sie nur ihre Wochenarbeitszeit erfüllen. Jeder vierte (26 Prozent) sagt sogar, dass der Arbeitgeber keine Freiheit einräumt, auf private Umstände schnell und flexibel zu reagieren.
Es liegt auf der Hand, dass eine Airline ihren Piloten, ein Hotelier seinen Köchen und ein Kita-Betreiber seinen Erzieherinnen bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit nicht völlig freie Hand lassen kann. Manche Tätigkeiten müssen zu speziellen Zeiten erledigt werden. Die Zahlen deuten aber darauf hin, dass viele Arbeitgeber unnötigerweise unflexibel sind und sich damit selber schaden: In Zeiten, in denen Fachkräfte fehlen und auch Mitarbeiter, die bereit sind, einfachste (und in der Regel schlecht bezahlte) Tätigkeiten zu erledigen, stehen Arbeitgeber zunehmend im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte. Und diese werden im Zweifel einen Arbeitgeber bevorzugen, der unter anderem ihr universelles Bedürfnis nach Flexibilität befriedigt.
Eine Auszeit nehmen? Die Hälfte verbietet das
„Wie weit kommt Ihnen Ihr Arbeitgeber bei der Bewältigung privater Lebenssituationen wie Kinderbetreuung oder Altenpflege entgegen?“, ließen die Marktforscher von Statista fragen. Fast jeder Dritte (30 Prozent) antwortete, dass sein Arbeitgeber kein Entgegenkommen zeigt. 40 Prozent aber gaben an, einen Arbeitgeber zu haben, der Entgegenkommen zeigt. Das sind für viele Arbeitnehmer die Firmen der Wahl, wenn es um diese wichtigen Fragen rund um Familie und Freizeit geht.
Ein ähnliches Bild zeichnen die Befragten beim Thema Auszeiten. So konnte nur die Hälfte derjenigen, die eine längere Auszeit, zum Beispiel ein Sabbatical oder unbezahlten Urlaub nehmen wollten, diese in vollem Umfang nehmen. 14 Prozent gaben an, dass ihr Arbeitgeber ihnen die Auszeit gar nicht gewährt hat. Bei der anderen Hälfte der Arbeitgeber war das allerdings kein Problem.
Im Betrieb ist die Demokratie unterentwickelt
Neben der Flexibilität der Arbeitszeit entscheiden auch flache Hierarchien über die Attraktivität eines Arbeitgebers. Auch hier stellten die Befragten den Arbeitgebern ein schlechtes Zeugnis aus. So sagt deutlich mehr als die Hälfte (66 Prozent), dass der offizielle Weg zwingend eingehalten werden muss und allenfalls bei Kleinigkeiten schon mal eine Ausnahme gemacht wird. Folglich wünschen sich 46 Prozent der Arbeitnehmer, dass es mehr Zusammenarbeit über Hierarchiewege und Abteilungsgrenzen hinweg gibt. Allerdings sagen ebenfalls 50 Prozent, dass die Prozesse der Zusammenarbeit so bleiben sollen, wie sie sind.
Auch innerbetriebliche Demokratie scheint unterentwickelt. Mehr als jeder dritte Interviewte (36 Prozent) sagt, dass er bei keinem der abgefragten Punkte mitentscheiden darf. Immerhin neun Prozent geben hingegen an, beim Thema Gehälter/Löhne mitentscheiden zu können.
Jeder Dritte begrüßt Veränderungen im Berufsbild
„Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen: In vielen Unternehmen sind die Ideale des ‚New Work‘ – zum Beispiel Vereinbarkeit von Familie und Beruf, demokratische Strukturen statt starrer Hierarchien sowie Führung nach Ergebnissen statt Arbeitszeit – noch nicht angekommen“, sagt Thomas Vollmoeller. Er sei davon überzeugt, dass der Innovationsstandort Deutschland dringend Arbeitsbedingungen bieten müsse, die Innovationen auch künftig möglich machen. Aspekte wie Kapital und Know-how sind dazu längst nicht genug. „Unternehmen, die innovativ sein wollen, müssen ein Betriebsklima schaffen, in dem Innovationen gedeihen können. Denn die stecken in den Köpfen der Mitarbeiter.“
Laut der Studie begrüßt immerhin jeder Dritte (34 Prozent) die Veränderungen des eigenen Berufsbildes. Weitere 37 Prozent stehen den erwarteten Veränderungen gelassen oder neutral gegenüber. Lediglich knapp zwölf Prozent geben an, besorgt zu sein.
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