zum Hauptinhalt
Fahrer der Dienste Uber und Lyft protestieren im US-Staat Massachusetts gegen deren Geschäftspraktiken.
© REUTERS/Brian Snyder

Das Ziel sind 90 Milliarden Dollar: Uber will an die Börse – und steht global in der Kritik

Seit Monaten versucht der Fahrdienst, sein Image aufzubessern. Grüner und nachhaltiger will es werden. Doch die Kritik an dem Unternehmen verstummt nicht.

#UberShutDown. Unter diesem Hashtag zeigten sich die Passagiere in Großbritannien und den USA am Mittwoch solidarisch mit ihren Uber-Fahrern. Kurz vor dem großen Börsengang des US-Fahrdienstes gingen sie in London, Nottingham, Glasgow, New York, Los Angeles, San Francisco, Chicago und mehreren anderen größeren Städten, in denen der Fahrdienst aktiv ist, auf die Straße. Mit dem Protest wollten sie auf die Diskrepanz zwischen ihren Arbeitsbedingungen und den erwarteten Gewinnen der Investoren bei für dem für Freitag geplanten Börsengang hinweisen.

Uber peilt eine Bewertung von mehr als 90 Milliarden Dollar an. Der Ausgabepreis pro Aktie soll Schätzungen zufolge zwischen 44 und 50 Dollar liegen, zunächst soll nur ein Teil der Anteilsscheine veräußert werden. Der Sprung aufs Parkett erfolgt nur wenige Wochen nach dem Börsengang des Rivalen Lyft.

In Deutschland gingen zuletzt die Taxifahrer in mehreren Städten immer wieder gegen Uber und andere digitale Fahrdienste auf die Straße. Grund dafür ist eine geplante Gesetzesänderung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Er will das Personenbeförderungsgesetz so reformieren, dass es Fahrdiensten wie Uber und Lyft das Geschäft erleichtern würde. Unter anderem soll beispielsweise die Rückkehrplicht wegfallen, die solche Dienste dazu zwingt, an ihren Betriebssitz zurückzukehren, wenn sie keinen direkten Folgeauftrag haben.

Uber auch in Deutschland aktiv

In der SPD formiert sich Widerstand gegen die von Scheuer geplante Reform. Taxen blieben nach wie vor wichtig, lässt sich Sören Bartol zitieren. Sie werden auch in Zukunft eine Rolle spielen, glaubt der SPD-Fraktionsvize. Den Vorschlag, die Rückkehrpflicht für Mietwagen einseitig abzuschaffen, sehe er kritisch. Hintergrund seiner Kritik ist die Sorge, dass private Fahrdienste nicht nur Taxen, sondern auch den öffentlichen Nahverkehr bedrohen und zu mehr Autoverkehr in den Städten führen könnten. Das zeigen Erfahrungen aus den USA, wo Uber schon länger aktiv ist. Scheuer will nun nach einer Lösung in dem Streit suchen. Der Verkehrsminister hat eine „Findungskommission“ mit Vertretern der Bundesländer und Parteien eingerichtet. Die erste Sitzung ist für Freitag geplant.

Uber ist seit 2013 in Deutschland aktiv und aktuell in Berlin, München, Frankfurt am Main, Düsseldorf und Köln verfügbar. Doch in den letzten Jahren hat das Start-up einen Strategiewechsel eingeleitet. Wohl auch, um seinen Aktionären eine positives Narrativ zu liefern: Statt auf Konfrontation setzt der Fahrdienst zunehmend auf Kooperation – und arbeitet neuerdings mit Städten und Kommunen zusammen, statt sich vor Gericht zu streiten.

Aggressives Wachstum

In Nizza läuft noch bis Juli ein Pilotprojekt. Von 20 Uhr abends bis 2.30 Uhr morgens ersetzt Uber die Buslinien zwischen den Haltestellen in den Vororten bis zum Straßenbahn-Bahnhof am Stadtrand. Fahrgäste zahlen pauschal sechs Euro pro Fahrt, die Lücke zu den tatsächlichen Kosten schließen die Stadt und der Anbieter des dortigen öffentlichen Nahverkehrs.

Das Projekt ist beispielhaft für den Kurswechsel des Unternehmens. Jahrelang hatte sich Uber gegen die Städte und ihre Gesetze gestellt. Zahlreiche EU-Staaten verboten dem Start-up, Privatpersonen zu Chauffeuren zu machen. Der Europäische Gerichtshof stufte Uber schließlich als Verkehrsdienstleister ein, womit er das ursprüngliche Geschäftsmodell des US-Unternehmens zunichtemachte.

Uber aus: Kurz vor dem Börsengang protestierten weltweit Uber-Fahrer.
Uber aus: Kurz vor dem Börsengang protestierten weltweit Uber-Fahrer.
© Nacho Doce/REUTERS

Nicht nur seine aggressive Wachstumsstrategie, sondern auch Datenskandale, sexuelle Übergriffe der Fahrer und Vorwürfe von Diskriminierung, Sexismus und einer chauvinistischen Unternehmenskultur machten dem US-Start-up in der Vergangenheit zu schaffen. Als Dara Khosrowshahi im Sommer 2017 auf dem Chefsessel Platz nahm, leitete er den radikalen Kurswechsel ein.

„Wir wollen uns verdoppeln. Uber wird mehr als nur eine Mitfahrgesellschaft“, sagte Jahan Khanna, Ubers Produktchef für „New Modalities“ vor einigen Monaten und ergänzte: Dies könne nur in Form einer echten Partnerschaft mit den Städten und Verkehrsbetrieben gelingen.

Im Januar ging Uber einen weiteren ungewöhnlichen Schritt. Auf seinem Firmenblog rief das Unternehmen die Europäische Kommission, Regierungen und Städte dazu auf, mehr Geld in den öffentlichen Nahverkehr zu stecken. Nur so könne das Privatauto aus der Stadt gedrängt werden. Ridesharing-Firmen wie Uber spielten dabei eine „entscheidende Rolle“. Die Ausbreitung von E-Bikes und Scootern trage darüber hinaus dazu bei, dass die Fahrer ihr Auto in Zeiten von besonders viel Verkehr stehen ließen und auf andere Verkehrsmittel umstiegen.

Amazon des Transportsektors

Wie ein solches „integriertes Netzwerk“ aussehen könnte, zeigt sich in Denver: Über die Uber-App können Reisende seit Jahresanfang Bus und Bahn direkt buchen. Das soll bald auch in europäischen Metropolen möglich sein, hofft das US-Unternehmen: London und Paris seien die nächsten Wunschkandidaten, sagte ein Sprecher. Das langfristige Ziel sei, dass Uber zum Amazon des Transportsektors werde.

Daneben will Uber die Bewegungsdaten seiner Kunden mit den Behörden teilen, um Stadtplanern zu helfen. Sie sollen wissen, welche Strecken in der Stadt besonders häufig befahren werden und an welchen Stellen Pendler lange im Stau stehen. In mehreren US-Städten und in Paris wurden diese Informationen im Rahmen der Initiative Uber Movement veröffentlicht. Indem der Fahrdienst seine Informationen an die Kommunen weitergibt, will er zeigen, dass die erhobenen Daten der Allgemeinheit nützten – und nicht nur dem eigenen Profit dienen.

Auch an anderer Stelle bastelt das Unternehmen an seinem Image, will grüner und nachhaltiger werden. Vor rund einem Jahr hat Uber den Leihradanbieter Jump übernommen. Der Kauf ist bemerkenswert: Erstmals gehört dem Unternehmen, das bisher nur als Plattform fungierte, eine eigene Fahrzeugflotte. Nachdem der Fahrdienst die elektrischen Räder in San Francisco und anderen US- Städten in seine App integriert hat, steht nun die Expansion nach Europa auf der Agenda. In Berlin startete im Herbst 2018 ein Pilotprojekt für ausgewählte Testpersonen.

Parallel zur Diskussion um die Reform des Personenbeförderungsgesetzes und dem geplanten Börsengang teilte Uber kürzlich mit, auch hierzulande seinen Fahrdienst bald in ländlichen Gebieten anbieten zu wollen. Durch mindestens drei Pilotprojekte in kleineren Städten und Landkreisen solle die Mobilität im ländlichen Raum verbessert werden, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Statement des Unternehmens. Außerdem solle in allen deutschen Städten, in denen der Dienst verfügbar ist, künftig das gesamte Stadtgebiet sowie die Außenbezirke bedient werden. Daneben strebe man „binnen der nächsten zwei Jahre“ Kooperationen mit ÖPNV-Unternehmen an. Erste Gespräche dazu liefen bereits. Zudem wird am heutigen Donnerstag in Berlin ein neuer Dienst des US-Start-ups vorgestellt, wie aus einer Presseeinladung hervorgeht. Er soll zunächst in Berlin getestet werden und später in ganz Deutschland verfügbar sein. (mit dpa)

Zur Startseite