Lieber Hans als Hakan: Türkischer Name ist bei Bewerbungen ein Nachteil
Integration ist bei Azubis oft nur Theorie. Jugendliche mit türkischen Vornamen haben jedenfalls schlechtere Chancen - auch wenn sie gut qualifiziert sind. Anonyme Bewerbungen helfen da nur bedingt.
Gleiche Noten, gleiche Bewerbung: Dennoch scheint auf dem Arbeitsmarkt immer noch der richtige Name entscheidend zu sein. Nach einer Studie des Forschungsbereichs des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration Migration braucht ein Bewerber mit türkischem Namen eineinhalb mal so viele Bewerbungen wie einer mit deutschem Namen, bis er zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird.
Forscher schickten fiktive Bewerbungen raus
Das Forschungsteam hatte jeweils zwei Bewerbungen um Ausbildungsplätze für Mechatroniker und Bürokaufleute testweise an 1794 Unternehmen geschickt. Einmal war der Bewerber ein fiktiver junger Mann mit deutschem, das andere Mal einer mit türkischem Namen – beide Mal keine Frau, weil Diskriminierung durch Geschlecht ausgeschlossen werden sollte. Die Schreiben waren nicht identisch, gaben aber zu erkennen, dass beide gleichermaßen qualifiziert waren.
Beide waren zudem 16 Jahre alt, Realschüler, deutsche Staatsbürger und boten überdurchschnittliche Schulleistungen, vor allen in den Fächern, die für die gewünschten Berufe entscheidend waren. Um die Verfälschung der Ergebnisse durch Anti- oder Sympathien für das Äußere der Kandidaten zu vermeiden, waren sogar die Bewerbungsfotos gemischt und einmal dem deutschen Namen, einmal dem türkischen beigegeben, sagte bei Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin Ruta Yemane, Mitglied im Forschungsteam. Immer war Deutsch als Muttersprache erwähnt, wer als Personaler die angeblichen Bewerber anrief, hörte junge männliche Stimmen ohne jeden Akzent.
Wie unterschiedlich die Antworten ausfielen
Ergebnis, trotz allem: Gar keine Antwort erhielten die fiktiven Schüler mit den deutschen Namen in 36,5 Prozent der Fälle, ihre türkisch wirkenden Mitbewerber dagegen in 40,1 Prozent. Ein ähnliches Bild bei den Absagen: 37 zu 41,7 Prozent zugunsten der Kandidaten mit den deutschen Namen. Das umgekehrte Verhältnis dagegen zeigten die Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch: Von den Bewerbungen, die unter den deutschen Namen abgeschickt worden waren, führten 20,2 Prozent zu einer Einladung, die der fiktiven Bewerber mit türkischen Namen aber nur zu 14,6 Prozent.
Dabei fielen auch Unterschiede in der „Nettodiskriminierungsquote“ auf: Sie war bei kleinen Unternehmen bis zu sechs Mitarbeitern besonders hoch (11,2 Prozent), in großen und mittleren betrug sie 5,4 bzw 3,8 Prozent. Eine Ursache, so die Forscher, könnte sein, dass größere Firmen Bewerbungen professioneller verwalten und dabei auch mehrere spezialisierte Mitarbeiter einsetzen. Dass die Werte für den jungen Mechatroniker noch schlechter waren als die des Bürokaufmann-Kandidaten, erklären die Autorinnen und Autoren nicht nur allgemein mit „unbewussten Assoziationen, stereotypen Zuschreibungen oder der Bevorzugung der eigenen Bezugsgruppe“.
Sie könnte auch auf die Sorge der Unternehmen zurückgehen, dass Kunden einen türkischen Fachmann womöglich weniger akzeptieren – was für Kfz-Mechatroniker mit ihrem in der Regel größeren und persönlicheren Kontakt zur Kundschaft stärker ins Gewicht fällt als beim Bürokaufmann.
Wissenschaftler empfehlen anonyme Bewerbungen
Als Abhilfe empfiehlt das Forschungsteam den Unternehmen anonymisierte Bewerbungsverfahren, in denen das schriftlichen Unterlagen nur die Qualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern erkennen lassen, aber weder ihr Geschlecht, Alter noch ihre ethnische Zuordnung. An dieser ersten Stelle sei, wie internationale Forschungen bewiesen, die Diskriminierung am größten. Die Kammern könnten kleinen und kleinsten Mitgliedsbetrieben helfen, indem sie für sie einfach zu handhabende Software dafür entwickelten. Und alle Ausbilder, die ja ihrerseits Lehrgänge zu durchlaufen hätten, sollten stärker interkulturell fit und sensibel gemacht werden.
Für die Größe des Problems zu ermessen, genügt ein Blick in die Statistik: Während ein knappes Fünftel der deutschen Wohnbevölkerung migrantische Wurzeln hat, galt das in der fraglichen Altersgruppe der Azubis, die 15- bis 20-Jährigen, im letzten Mikrozensus von 2012 bereits für mehr als ein Viertel. "Wenn qualifizierte Kandidaten nur deshalb nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, weil ihr Name ausländisch klingt, geht dem angespannten Ausbildungsmarkt wertvolles Potenzial verloren", heißt es in der Studie. Dies gefährde mittelfristig Deutschlands Fachkräftebasis. Und es lässt auch den Zusammenhalt der Gesellschaft bröseln, wie die Forscher schreiben: "Die Erfahrung wiederholter Ablehnung" könne bei den Jugendlichen "zu Resignation und Rückzugstendenzen führen".
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