Auch Tencent und WeChat betroffen: Trumps TikTok-Verbot könnte dem Silicon Valley schaden
WeChat ist in China integraler Bestandteil des täglichen Lebens. Trumps Dekret hätte aber nicht nur für die App Auswirkungen - sondern auch für die USA.
Der atemberaubende Aufstieg von WeChat wird US-Präsident Donald Trump missfallen haben. Offiziell lautete seine Begründung: „Wie Tiktok erfasst WeChat automatisch riesige Mengen an Informationen von seinen Benutzern. Diese Datenerfassung droht der Kommunistischen Partei Chinas den Zugang zu persönlichen und geschützten Informationen der Amerikaner zu ermöglichen.“ In dem von Trump erlassenen Dekret heißt es weiter: „Die Vereinigten Staaten müssen aggressive Maßnahmen gegen den Eigentümer von WeChat ergreifen, um unsere nationale Sicherheit zu schützen.“
In China jedenfalls ist WeChat, oder Weixin, wie die App in China heißt, „too big to fail“, wie der seit der weltweiten Finanzkrise bekannte Spruch lautet. Auch das ist wohl ein Grund, warum Trump im derzeitigen Wettstreit um die Technologieführerschaft mit China plant, die App in den USA zu verbieten: Sie ist zu mächtig. Denn Tencent, das Unternehmen hinter WeChat zählt zu den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt mit WeChat vereint es diverse Funktionen der Firmen der US-Internet-Ökonomie in einer App.
WeChet ist in China die App für alles
Mit WeChat kann man im Supermarkt oder Restaurant bezahlen, Termine beim Arzt machen, online shoppen, Taxis buchen. Man kann Kinokarten bestellen, oder seit jüngstem auch die Corona Health App bedienen, die nachweisen soll, dass man gesund ist, um dann Bus oder U-Bahn fahren zu dürfen.
Chinas Softwarespezialist Tencent ging mit WeChat 2011 an den Start und hat seitdem eine Evolution vom Messenger-Dienst zum Alleskönner hingelegt. WeChat funktioniert wie Amazon, Whatsapp, Facebook, LinkedIn, Uber, Instagram, Skype, Twitter und mehrere andere Apps in einem. Für viele Chinesen ist WeChat eine unverzichtbare App, um im Alltag sowohl privat als auch beruflich zu kommunizieren.
„Jeder in China nutzt WeChat. Es ist schwer zu verstehen, wie wichtig die App ist, um Menschen in China zu erreichen“, sagte Willy Shih, Professor an der Harvard Business School mit Schwerpunkt auf Technologie und Management dem US-Fernsehsender CNN. „Es scheint, als würden wir versuchen, einen Eisernen Vorhang zwischen den Ländern zu errichten, damit die Menschen nicht miteinander kommunizieren können.“
WeChat wird von einer Milliarde Menschen genutzt, ist das Universalwerkzeug unter den Smartphone-Programmen. Allein in den USA sollen laut „Financial Times“ monatlich etwa drei Millionen Auslandschinesen und Studenten aus China WeChat nutzen, um mit ihren Familien in China zu sprechen.
Das Geld kam anfangs aus den USA
1998 hatte Ma Huateng Tencent gegründet und wurde mit dem Vorläufer, einem Instant-Messenger namens OICQ – Open ICQ – erfolgreich. Nach einem Namensstreit mit AOL aus den USA, änderte Ma den Namen zu QQ um, und Millionen von Chinesen nutzen den Dienst auch wegen der kostenlosen Versendungsmöglichkeiten von Dateien.
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Anfangs kam die finanzielle Starthilfe für Ma von US-amerikanischen Risikokapitalgebern. Auch der Naspers ist mit einem Drittel an Tencent Anteilseigner, was für den südafrikanischen Medienkonzern als eines der besten Börsengeschäfte der vergangenen Jahre gilt.
Das Leben vieler Chinesen spiegelt sich inzwischen auf WeChat. Für die Kommunistische Partei ist das extrem zweckdienlich, denn sie hat damit ihre Bürger im Griff und zensiert und überwacht. So hat die KP Zugriff auf regierungskritische Verlautbarungen, Daten und Fotos von allen WeChat-Konten. Seit zwei Jahren sind diese mit den Personalausweisdaten der Benutzer hinterlegt. Der Staat kann also voll durchgreifen.
Aktienkurs explodiert - dann kommt Trump
Diese Allmacht in einer App zahlt sich an der Börse aus. Der Aktienkurs von Tencent hat im vergangenen Jahr um über 50 Prozent zugelegt. Doch die Drohungen des US-Präsidenten zeigen auch hier Wirkung. Nach dem Dekret von Trump sind Tencents Aktien an der Börse von Hongkong um über zehn Prozent eingebrochen.
Innerhalb von zwei Tagen hat das Technologieunternehmen aus Shenzhen dadurch 66 Milliarden Dollar an Marktwert verloren. Was auf dem ersten Blick wie eine Bedrohung für eines der wichtigsten Geschäftsmodelle von Tencent aussieht, könnte sich aber auch verheerend auf einige US-Firmen auswirken.
Auswirkungen auf die USA
In den USA ist Tencent maßgeblich an dem Elektroautobauer Tesla und Snap, dem Hersteller von Instant-Messaging-Dienst Snapchat beteiligt. Tencent kaufte 2017 fünf Prozent des Elektrofahrzeugherstellers für 1,78 Milliarden US-Dollar. Tesla-Chef Elon Musk hat Tencent als „Investor und Berater von Tesla“ bezeichnet.
Mit der Basketball-Profiliga NBA, der American-Football-Liga NFL und der Baseball-Liga hat Tencent Streaming-Verträge über Hunderte von Millionen Dollar abgeschlossen. Auch Apple oder Googles App Stores könnte ein Verbot treffen, da beide zahlreiche Apps von Tencent enthalten, die nun spätestens bis zum 20. September aus den App-Stores entfernt werden müssten.
Probleme für Apple
Für Apple wäre dann der bisher wichtigste Markt in Asien für seine iPhones bedroht. „Da WeChat für chinesische Benutzer sehr wichtig ist und Kommunikations-, Zahlungs-, E-Commerce-, Social-Software-, Nachrichtenlese- und Produktivitätsfunktionen integriert, glauben wir, dass der Schritt iPhone-Lieferungen auf dem chinesischen Markt beeinflussen wird“, schrieb TF International Aktienanalyst Ming-Chi Kuo in einem Forschungsbericht an Investoren. „Wir schätzen, dass die weltweiten iPhone-Lieferungen um 25-30 Prozent zurückgehen werden.“
Aber nicht nur das Silicon Valley ist von Trumps Plänen betroffen. Vor allem die Computerspiele-Industrie, einst Tencents zweites Standbein neben WeChat, fürchtet um ihre Zukunft. Tencent hatte in den vergangenen Jahren bei führenden US-Spiele-Anbieter wie Epic Games, Blizzard und „League-of-Legends“-Entwickler Riot Games eingekauft. Mittlerweile soll die US-Regierung schon zurückgerudert sein und verkündet haben, dass die Videospielbranche nicht von dem Dekret von Trump betroffen sei. Das berichten Bloomberg und die „LA Times“.
Auch in Deutschland hat Tencent schon Beteiligungen, etwa an der Online-Bank N26. Die Chinesen sind begehrte Partner bei Start-ups, die große Summen an Beteiligungskapital brauchen, das sie in Europa nicht finden. Als der Elektroflugzeugbauer Lilium Ende März eine Finanzierungsrunde in Höhe von 240 Millionen Dollar abschloss, gab den größten Anteil: Tencent.
Ning Wang