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Instagram will mit Reels Jugendliche erreichen.
© imago images / imagebroker

Reels soll das neue Tik Tok werden: Instagram führt neue Kurzvideo-Funktion ein

15-sekündige Videos, die man mit Musik und Effekten unterlegen kann: Facebook will seine Foto-App damit für jüngere Nutzer attraktiv halten.

Instagram-Nutzer in Deutschland werden in den nächsten Tagen einen neue Funktion in ihrer App entdecken. „Reels“ nennt sie sich und ist ein Tool, mit dem man 15-sekündige Kurzvideos aufnehmen, mit Musik unterlegen und dann im eigenen Feed posten kann. „Reels wird in den kommenden ein bis zwei Tagen allen Nutzern in Deutschland zur Verfügung stehen“, teilte Facebook, wozu Instagram gehört, dem Tagesspiegel am Dienstag auf Anfrage mit.

In Brasilien wird die Funktion bereits getestet, neben Deutschland soll sie auch in Frankreich an den Start gehen. „Durch den Test erhoffen wir uns, Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Nutzung erkennen zu können, die dann eventuell die weitere Produktentwicklung beeinflussen, bevor wir es in weiteren Ländern ausrollen“, heißt es von Facebook dazu weiter.

Reels kann als Angriff von Facebook auf das soziale Netzwerk Tik Tok verstanden werden. Denn mit ebensolchen Videos hat die chinesische App in kürzester Zeit ein immenses Wachstum hingelegt. Laut einem geleakten Dokument, das als Pitch für einen Werbekunden gedacht war, hatte Tik Tok Ende 2019 über 800 Millionen Nutzer weltweit; in Deutschland sollen es rund 5,5 Millionen sein. Angesichts dessen, dass das Netzwerk erst 2016 gegründet wurde, ist Facebook alarmiert.

Tik Tok wächst rasant

Das US-Netzwerk von Mark Zuckerberg ist mit knapp drei Milliarden Mitgliedern zwar noch deutlich größer. Doch die Foto-App Instagram ist mit rund einer Milliarde aktiver User bereits in Sichtweite von Tik Tok, das mit der Übernahme des sozialen Netzwerkes Musical.ly 2017 zudem bewiesen hat, welch aggressiven Wachstumskurs es verfolgt. Auch wiederkehrende Vorwürfe, Tik Tok unterwerfe sich der Zensur der chinesischen Regierung und würde Inhalten in deren Sinne entfernen, konnte dem Erfolg der App bislang keinen Abbruch tun.

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Vor allem aber hat Tik Tok das, was Facebook sich am meisten wünscht: junge Nutzer. Während Facebook inzwischen von fast allen Altersklassen und auch Unternehmen professionell genutzt wird, tummeln sich bei der chinesischen Video-App hauptsächlich junge Menschen. In sozialen Medien gilt vielfach die Faustregel: Sobald die Älteren ein Netzwerk entdecken, verschwinden die Jungen.

Auch wenn sogar die alt-ehrwürdige Tagesschau sich dort inzwischen einen Account eingerichtet hat, bleibt das wichtigste Kapital von Tik Tok die junge Nutzerschaft und deren Kurzvideos. Wie sehr Facebook solchen Content auch bei Instagram sehen will, zeigen die vergangenen Neuerungen. Mit den Instagram-Stories wurde ein Element für Kurzvideos eingeführt, das auf den US-Konkurrenten Snapchat abzielte. Denn diese Kurzvideos sind ebenso wie bei Snapchat nach einem Tag nicht mehr aufrufbar.

Die App von Tik Tok lockt viele Jugendliche an.
Die App von Tik Tok lockt viele Jugendliche an.
© imago images/Hollandse Hoogte

Dann folgte Instagram-TV (IGTV) inklusive eigener Anwendung. Doch wegen mangelnden Interesses wurde der IGTV-Button inzwischen schon wieder von der Instagram-Startseite entfernt. Laut dem Tech-Magazin „TechCrunch“ soll die IGTV-App in den ersten 18 Monaten nur sieben Millionen Mal heruntergeladen worden sein – Tik Tok im selben Zeitraum hingegen 1,15 Milliarden Mal.

Reels bietet Lip-Sync-Videos

Was den Instagram-Videoformaten bislang abging, war das spielerische Element. Tik Tok wurde mit sogenannten „Lip-Sync“-Videos groß, bei dem die Nutzer mimen, zu einem im Hintergrund eingeblendeten Song zu singen oder zu tanzen. Ähnliches will Facebook jetzt bei Instagram ermöglichen. Es gibt künftig Buttons für die Musik-Auswahl – Facebook sicherte sich Rechte für viele Songs – sowie für Effekte wie Zeitlupe oder eingeblendete Hintergründe.

Nutzer können sich aus dem Reels-Feld heraus auch weitere Clips mit einem speziellen Song anzeigen lassen. Und sie können auch eine Serie von Reels aufnehmen. Man kann die Kurzvideos auch mit anderen Apps erstellen und bei Instagram hochladen. Sie können aber nur im Hochformat gedreht werden.

Die Reels bekommen dabei keinen eigenen Knopf in Instagrams Menüleiste, sondern tauchen im Feed der Nutzer sowie im oberen Bildschirmteil des „Entdecken“-Bereichs auf. Für dieses Feld wird ein Instagram-Team eine Auswahl aus öffentlich zugänglichen Reels-Videos erstellen – praktisch als Best-Practice-Beispiele. Den wichtigsten Faktor, ob Jugendliche Reels nutzen werden, kann Facebook aber kaum beeinflussen: Ob deren Eltern Reels benutzen.

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