Vor seiner Rede zur Lage der Nation: Trumps Mär vom US-Wirtschaftswunder
Den USA geht es wirtschaftlich so gut wie nie, sagt US-Präsident Donald Trump gerne. Doch was ist dran an dieser Behauptung? Eine Analyse.
Davos ist seine Bühne, mit jedem Satz feiert er sich selbst. „Amerika geht es so gut wie nie zuvor“, sagt Donald Trump und stützt sich beide Arme auf das Pult der Hauptbühne beim Weltwirtschaftsforum. „Die USA befinden sich in einem wirtschaftlichen Aufschwung, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat.“
Glaubt man dem US-Präsidenten, ist ihm gelungen, was er versprochen hat: Amerika wieder groß zu machen. Auch bei seiner Rede zur Lage der Nation an diesem Dienstagabend dürfte er die Wirtschaft ins Zentrum rücken und betonen, wie viele Jobs er geschaffen, wie stark er die US-Wirtschaft gemacht hat.
Doch stimmt das überhaupt? Geht es den USA wirtschaftlich so gut, wie es der Präsident behauptet?
Auf den ersten Blick erstaunen die Zahlen. Die US-Wirtschaft wächst. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig, wie seit 50 Jahren nicht mehr. Sieben Millionen Jobs, behauptet Trump, habe er geschaffen. Und das obwohl ihm das im Vorfeld viele nicht zugetraut haben. Mit den Strafzöllen, hieß es, schade er den USA mehr, als es helfe.
Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sagt dann auch: „Der US-Wirtschaft geht es nicht aufgrund, sondern trotz des Handelskriegs so gut.“ Seine These: Trump habe stark von der Politik seines Vorgängers Barack Obama und einer generell gut aufgestellten US-Wirtschaft profitiert. Er hat also einfach extrem gute Ausgangsbedingungen vorgefunden.
Wie doppeldeutig Trumps Wirtschaftspolitik ist, zeigen die Waschmaschinen
Dazu kommt, dass es sehr viel leichter ist, die positiven Effekte von Trumps Politik in Zahlen zu fassen als ihre negativen Folgen. Das zeigt sich zum Beispiel am Markt für Waschmaschinen. Trump hat sich zu Beginn seiner Präsidentschaft daran gestört, dass ein Großteil der in den USA verkauften Geräte im Ausland produziert werden.
Etwa in Südkorea, wo die beiden großen Hersteller Samsung und LG sitzen. Reagiert hat Trump darauf vor zwei Jahren mit einem Strafzoll. 20 Prozent fallen seitdem an, wenn ausländische Konzerne ihre Waschmaschinen in die USA verkaufen wollen. Werden mehr als 1,2 Millionen Geräte im Jahr importiert, steigt der Zoll sogar auf 50 Prozent an.
Samsung und LG haben daraufhin – wie von Trump beabsichtigt – einen Teil ihrer Produktion in die USA verlagert: 1600 neue Jobs sollen dadurch entstanden sein. Auch US-Konkurrent Whirlpool hat profitiert und seine Mannschaft um 200 Arbeiter aufgestockt. Für Trump ein Erfolg – obwohl das Ganze nicht wirtschaftlich ist.
Denn die Produktion der Waschmaschinen ist allein schon aufgrund der hohen Lohnkosten in den USA sehr viel teurer als in Südkorea. Die Preise für die Geräte sind laut einer Studie der US-Notenbank Fed dadurch binnen eines Jahres um zwölf Prozent gestiegen. Die Mehrkosten für die US-Verbraucher lagen demnach bei 1,5 Milliarden Dollar. Heruntergebrochen heißt das: Jeder geschaffene Job hat fast 820.000 Dollar gekostet.
Eine ähnliche Rechnung hat das Peterson Institute für den Stahl aufgemacht, auf den Trump ebenfalls Importzölle eingeführt hat. US-Konzerne, so der Wunsch des Präsidenten, sollen ihren Stahl aus US-Werken beziehen und nicht aus China, wo er sehr viel günstiger ist. Tatsächlich sind dadurch neue Jobs in der amerikanischen Stahlindustrie entstanden.
Der US-Industrieverband rechnet, dass dadurch 12700 Amerikaner eine Anstellung gefunden haben. Gleichzeitig aber zahlen zum Beispiel US-Autobauer nun sehr viel mehr für den Stahl – um zehn Prozent sind die Preise gestiegen. Laut Peterson Institute kostet damit jeder Stahl-Job das Land 900.000 Dollar.
Und die Zölle sind nur ein Teil von Trumps Wirtschaftspolitik. Ein anderer sind seine Steuersenkungen. Statt 35 Prozent zahlen US-Konzerne jetzt nur noch maximal 21 Prozent Steuern. Das hat die Firmen entlastet – allerdings ohne den gewünschten Effekt zu haben. Statt das Geld zu investieren, neue Fabriken zu bauen oder Maschinen zu kaufen, hätten sie eigene Aktien „in nie da gewesener Höhe“ zurückgekauft, schrieb kürzlich der US-Ökonom Joseph Stiglitz in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“.
Das Staatsdefizit soll in diesem Jahr auf über eine Billion Dollar steigen
Gleichzeitig zahlen die Amerikaner dafür einen hohen Preis. Steuersenkungen kann sich ein Land in der Regel nur erlauben, wenn es gleichzeitig die Staatsausgaben kürzt. Trump aber gibt mehr aus, obwohl er weniger einnimmt. Der US-Kongress prognostiziert deshalb bereits, dass das Staatsdefizit in diesem Jahr die Marke von einer Billion Dollar überschreitet.
Höher war das Defizit in den USA bislang nur in Phasen hoher Arbeitslosigkeit – wenn also der Staat mehr Geld ausgeben musste, um die Wirtschaft zu stützen. Leisten können sich die USA das nur, weil es weiterhin genug Investoren gibt, die US-Staatsanleihen kaufen und auf diese Weise der Trump-Regierung ihr Geld leihen.
Bedenklich ist die Entwicklung zudem, weil die Wirkung der teuer erkauften Steuersenkungen schnell verpufft. Ablesen lässt sich das am Wirtschaftswachstum, das jedes Jahr etwas geringer ausfällt: Nach 2,9 Prozent im Jahr 2018, lag es im vergangenen Jahr nur noch bei 2,3 Prozent. IW-Forscher Matthes sagt: „Die Steuersenkungen sind lediglich ein Strohfeuer.“
Schon jetzt seien erste Warnzeichen in den Daten erkennbar, die daraufhin deuten, dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA abschwächt. „Die Investitionen der US-Firmen stagnierten im letzten halben Jahr und der Einkaufsmanagerindex der Industrie sinkt seit vielen Monaten immer weiter.“
Dass das am Ende einen spürbaren Effekt auf die Präsidentschaftswahlen haben könnte, glaubt der Ökonom nicht. „Selbst wenn das US-Wachstum jetzt an Schwung verlieren sollte: Ehe sich das am Arbeitsmarkt bemerkbar macht, sind die Präsidentschaftswahlen rum.“
Glück für Trump. Selbstbewusst hat er in Davos bereits verkündet: „Der amerikanische Traum ist zurück, größer als jemals zuvor.“