Streaming: Telekom führt Zwei-Klassen-Internet ein
Videos und Musik von ausgewählten Medienfirmen werden nicht auf mobiles Datenvolumen angerechnet. Für Kritiker verzerrt das den Wettbewerb.
Für Mobilfunk-Kunden der Deutschen Telekom klingt die Nachricht erst einmal gut. Der Konzern führt ein neues Angebot ein, bei dem die Nutzung von Musik und Videos nicht auf das mobile Datenvolumen angerechnet wird. „StreamOn“ heißt der neue Service, den Kunden ab 19. April kostenlos dazubuchen können.
Doch die Sache hat mindestens einen Haken: Das Angebot gilt nur für die Inhalte von gut 20 ausgewählten Partnern. Dazu gehören Videoangebote wie YouTube, Netflix, Sky Go, Amazon Prime oder die ZDF Mediathek. Musik können die Nutzer künftig über die Streamingdienste von Apple oder Amazon hören, ohne ihr Datenvolumen zu belasten.
Nutzer von Spotify oder Maxdome benachteiligt
Wer allerdings lieber die „Tagesschau“ statt „Heute“ sehen möchte, Kunde bei Maxdome ist und nicht bei Netflix, Musik bei Spotify oder dem Berliner Anbieter Soundcloud hört, hat Pech gehabt.
Erstaunlich ist vor allem, dass der Musikstreamingdienst Spotify zum Auftakt fehlt. Schließlich hatte die Telekom mit den Schweden 2012 erstmals ein Paket angeboten, bei dem die Daten nicht berechnet werden. Der frühere Telekom-Chef René Obermann saß zudem lange im Aufsichtsrat von Spotify. Warum die langjährige Beziehung nun offenbar nicht mehr ganz so eng ist, dazu wollten sich beide Unternehmen nicht äußern. „Wir sind derzeit im Gespräch mit der Deutschen Telekom“, erklärt eine Spotify-Sprecherin. Laut einem Insider dürften aber vor allem technische Gründe die Ursache sein. Denn bei der früheren Kooperation hatte es auch schon gehakt. So wurde die gehörte Musik nicht auf den Datenverbrauch angerechnet, die Bilder der Albumcover allerdings doch.
Die Telekom rechnet damit, dass bis zum Start noch weitere Partner hinzukommen. Vorbild sind die USA, wo die Tochter T-Mobile bereits seit mehr als drei Jahren ein solches Angebot hat. Inzwischen werden dort die Inhalte von mehr als 120 Partnern nicht auf das Datenvolumen angerechnet. „Wir revolutionieren den deutschen Mobilfunkmarkt“, sagt Telekom-Chef Niek van Damme.
Kritiker monieren Wettbewerbsverzerrung
Als Revolution sehen auch Kritiker den Vorstoß. „Das ist schlecht für den Wettbewerb, denn bestimmte Partner werden bevorzugt und alle anderen diskriminiert“, sagt Markus Beckedahl, Sprecher des Vereins Digitale Gesellschaft. Auch der SPD-Netzpolitiker Henning Tillmann, Vorstandsmitglied des Vereins D64, kritisiert das Angebot als Einstieg in ein Zwei-Klassen-Internet. „Das fördert Monopole und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagt Tillmann. Denn der Markt würde durch die im Fachjargon „Zero Rating“ genannte Praxis verzerrt, vor allem auf Kosten von Start-ups.
Die Telekom entgegnet, dass das Angebot grundsätzlich jedem interessierten Partner kostenlos zur Verfügung steht. Beckedahl bezweifelt jedoch, dass kleinere Anbieter dabei gleich behandelt werden. Konstantin Notz, Netzpolitiker der Grünen, fordert eine eingehende Prüfung durch die Bundesnetzagentur. Auch der netzpolitische Sprecher der SPD, Lars Klingbeil, ist skeptisch. „Zero-Rating darf nicht zur Diskriminierung von Diensten führen“, sagt Klingbeil. „Wir müssen uns die Tarife deshalb sehr genau anschauen“.
SPD-Politiker fordert Verbot
Nach der derzeitigen Rechtslage ist das Angebot zulässig. Die EU hatte zwar im vergangenen Jahr Richtlinien zur sogenannten Netzneutralität verabschiedet, die dafür sorgen sollen, dass alle Anbieter im Internet gleich behandelt werden. Dabei wurde das Zero Rating jedoch ausgespart. Einzige Bedingung: Wenn das Datenvolumen aufgebraucht ist und die Geschwindigkeit gedrosselt wird, muss das auch für die bevorzugten Partnerinhalte gelten. „Wir halten die EU-Regeln zur Netzneutralität ein“, erklärt ein Telekom-Sprecher. Zudem habe der Konzern das neue Angebot auch der Bundesnetzagentur vorgelegt.
Kritiker Tillmann entgegnet, dass man die Entscheidung, welche Inhalte sie nutzen, den Kunden überlassen sollte. Statt einzelne Partner zu bevorzugen, müssten die Mobilfunkanbieter ihr Datenvolumen erhöhen. Tillmann und der SPD-nahe Verein D64 wollen die Anbieter zur Not auch dazu zwingen: Sie fordern ein Verbot des Zero Rating. In den Niederlanden wurde Zero Rating 2016 verboten. In der Folge haben die Telekomanbieter das ihren Kunden zur Verfügung stehende Datenvolumen deutlich erhöht.