Bauprojekt der Deutschen Bahn: Stuttgart 21 wird deutlich teurer
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn erhöht den Kostenrahmen auf 8,2 Milliarden Euro. Auch der Eröffnungstermin verschiebt sich erneut.
Die erst vor wenigen Monaten korrigierten Kosten- und Zeitpläne für das Bahn-Bauprojekt Stuttgart 21 müssen schon wieder überholt werden. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn (DB) beschloss am Freitag wie erwartet einen neuen Kostenrahmen: Danach wird Stuttgart 21 nun bis zu 8,2 Milliarden Euro kosten und ein Jahr später fertig werden als zuletzt intern geplant, also erst 2025. Zwar geht die DB-Führung derzeit von Kosten in Höhe von 7,7 Milliarden Euro aus, ein Finanzpuffer von knapp 500 Millionen Euro ist aber bereits eingeplant.
Das Projekt läuft damit ähnlich wie der Hauptstadtflughafen BER aus dem Ruder. Die anfänglich kalkulierten Kosten von 4,5 Milliarden Euro und der Eröffnungstermin 2021 sind schon lange Makulatur, darüber, wer die Verantwortung und die Kosten trägt, wird heftig gestritten. Externe Gutachter werden beschäftigt, ein Abbruch der Baumaßnahmen wurde zeitweise nicht mehr ausgeschlossen. So weit kommt es nun aber vorerst nicht. „Der Vorstand hat – bestätigt durch die Gutachter – glaubhaft dargelegt, dass die Fortführung des Projekts Stuttgart 21 wirtschaftlicher ist als ein Abbruch“, teilte der Aufsichtsrat am Freitag nach einer Sondersitzung mit. Die Unternehmen PwC und Emch+Berger waren mit der Bewertung der aktuellen Termin- und Kostensituation beauftragt worden.
Steigende Baupreise, komplizierte Genehmigungen
Schon die 7,7 Milliarden Euro, von denen der Vorstand jetzt ausgeht, liegen 1,2 Milliarden Euro über der letzten Kalkulation aus dem Jahr 2016. Begründet wird die Kostenexplosion mit gestiegenen Baupreisen, „deutlich aufwendigeren Verfahren beim Tunnelbau im Anhydrit“, komplizierten Genehmigungsverfahren, „unter anderem in Folge des Artenschutzes“, und der späteren Inbetriebnahme.
An dem neuen unterirdischen Durchgangsbahnhof mit seinen Anschlusstrecken wird seit sieben Jahren gebaut. Schon 2013 erweiterte die Bahn den Finanzrahmen auf rund 6,5 Milliarden Euro. Im vergangenen November wurde dann inoffiziell bekannt, dass die Kosten noch einmal auf 7,6 Milliarden Euro steigen. Schon damals war die Rede davon, die Eröffnung zu verschieben – zunächst auf 2024 – und weitere 300 Millionen Euro als Risikopuffer einzuplanen. Auch die mit Stuttgart 21 zusammenhängende Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wird nun teurer. Die neue Kostenprognose sieht 3,7 Milliarden statt bisher 3,26 Milliarden Euro vor. Die Fertigstellung verschiebt sich um ein Jahr auf 2022.
Kostenverteilung sorgt für Streit
Der Aufsichtsrat erklärte am Freitag, die höher veranschlagten Kosten für das Mammutprojekt hätten keine negativen Auswirkungen auf andere Investitionsvorhaben. Allerdings ist noch offen, ob die Bahn einen Teil tragen muss. Der bundeseigene Konzern, der Eigentümer Bund, die EU, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und der örtliche Flughafen hatten sich im Jahr 2009 darauf verständigt, die Kosten aufzuteilen. Man ging damals allerdings noch von 4,5 Milliarden Euro aus, von denen die Bahn 1,7 Milliarden trug. Als der Rahmen vier Jahre später erweitert werden musste, wollte das Unternehmen die Verteilung beibehalten, doch die Beteiligten lehnten ab. Es kam zum Streit, man zog vor Gericht.
Verkehrspolitiker wie der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel sehen nun den Bahn-Eigentümer in der Plicht. „Ich erwarte, dass die Mitglieder der Bundesregierung endlich eine aktive Rolle im Aufsichtsrat einnehmen, wenn es um Stuttgart 21 geht“, hatte Gastel bereits im Dezember gesagt, als über deutlich höhere Kosten spekuliert worden war. „Die Bundesregierung darf sich nicht mehr wegducken.“ Sabine Leidig, Abgeordnete der Linken, verlangte einen Baustopp und das alternative Konzept „Umstieg21“. Damit würde die Baugrube genutzt – für einen zeitgemäßen Bahnhof für die Hälfte der Kosten.