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Alternative zum Flieger: Die Bahn hat zehn Milliarden Euro auf der neuen Rennstrecke investiert.
© dpa

Schnellstrecke Berlin-München: Zwei Drittel der Züge sind verspätet

Die Bundesregierung räumt Pannen ein. Der Grünen-Politiker Matthias Gastel hat Buch über seine Reisen mit der Bahn geführt.

An Pech und Pannen mangelt es der Deutschen Bahn nicht. Die verpatzte Eröffnung der Schnellfahrstrecke Berlin–München ist das letzte von vielen peinlichen Beispielen. Auf dieser Verbindung, die zehn Milliarden Euro gekostet hat, haben zwei Drittel der Züge Verspätung. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor. Demnach kamen zwischen dem 10. und 18. Dezember 94 Züge planmäßig an, während sich 125 Züge um mindestens sechs Minuten verspäteten. Der Schienenkonzern ist weit davon entfernt, ein rundum kundenfreundliches Unternehmen zu sein. Kaum jemand weiß das aus Erfahrung so gut wie Matthias Gastel. Der Grünen-Politiker sitzt im Bundestag, ist viel mit der Bahn unterwegs und führt seit vier Jahren ein „Bahn-Tagebuch“. Für den Tagesspiegel zog Gastel jetzt seine persönliche Bilanz des Jahres 2017.

Das Bahn-Tagebuch des Matthias Gastel

Der Abgeordnete nutzte im vergangenen Jahr 96 Fernzüge, meist auf der Strecke Berlin–Stuttgart. Gut ein Drittel der Züge kam verspätet an – nach der Definition von Gastel mehr als fünf Minuten nach der planmäßigen Ankunftszeit. Gastel hatte somit noch mehr Pech als die Bahn-Kunden insgesamt: Im November war im Schnitt jeder vierte Zug im Fernverkehr unpünktlich (laut Bahn-Definition mehr als sechs Minuten). In den ersten elf Monaten des Jahres war es im Schnitt jeder fünfte.

„Hier besteht der dringendste Handlungsbedarf“, sagt Gastel. Die Werte seien keinesfalls zufriedenstellend, die Bahn behelfe sich mit statistischen Tricks: Weil auffallend viele Verspätungen im Bereich zwischen fünf und sechs Minuten lägen, bemühe sich die Bahn, die sechs Minuten nicht zu überschreiten – so falle die Verspätungsstatistik nicht noch schlechter aus.

Kein gutes Jahr für die Bahn

„2017 war kein gutes Jahr für die Bahn“, sagt Gastel. Der Fehlstart auf der Schnellstrecke, die heftigen Sturmschäden im Herbst, das mangelhafte Baustellenmanagement und die Serviceprobleme machten den Kunden zu schaffen. Auch Matthias Gastel: So fiel in 70 Prozent seiner Züge das W-Lan-Netz aus oder war nur zeitweise zu nutzen. „Eine Tagesschau live im Internet zu sehen, ist unmöglich“, berichtet der Politiker. „Die Technik im Zug und an der Strecke ist offenkundig unzureichend ausgebaut.“ Und immer wieder schaffte es die Bahn, ihre Fahrgäste mit unvollständigen, verspäteten oder falschen Informationen zu nerven. Etliche Male berichtet Gastel von „Völkerwanderungen“ auf vollen Bahnsteigen, weil ein Zug mit falscher Wagenreihung eingefahren war – und deshalb auch mit Verspätung abfuhr. Abfahrtszeiten werden an anderen Tagen so kurzfristig wegen Baustellenproblemen vorverlegt, dass die Information im Internet den Fahrgast zu spät erreicht und er seinen Zug verpasst. Schafft er es an Bord, ärgert er sich mehr als einmal darüber, dass die Gastronomie unzuverlässig ist – etwa wenn die Kühlung ausfällt und ein Großteil der Lebensmittel nicht mehr verkauft werden darf. „Die mobilen Einsatzkräfte, die angeblich auch während der Fahrt technische Mängel beheben sollen, gibt es nach Auskunft von Bahn-Mitarbeitern nicht“, sagt Gastel.

Immerhin, bei mehr als 70 Prozent seiner Bahn-Fahrten erlebt Gastel eine funktionierende Gastronomie, die Toiletten sind zu 95 Prozent nutzbar, die Reservierungsanzeigen versagen nur bei knapp jeder zehnten Fahrt. Dennoch kommt der Bahn-Experte in seinem Tagebuch zu einem enttäuschten Fazit: „Die Bahn spielt ihre Komfort- und Servicevorteile gegenüber den Airlines, Bussen und dem Auto nicht aus.“ Gerade nach der Air-Berlin-Pleite seien Reisende mit hohen Erwartungen auf die Schiene umgestiegen. „Es ist Aufgabe der Bahn, ihre versprochenen Leistungen auch verlässlich anzubieten“, fordert Gastel.

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