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Wer setzt sich im Kampf auf dem Berliner Energiemarkt durch.
© Patrick Seeger/dpa

Berliner Energiewende: Strom- und Gasnetz vor dem Umbau

Der Senat will die Energiewende voraussichtlich mit Vattenfall und Eon bewerkstelligen. Ein neues Gesetz soll dem Land Berlin mehr Einfluss auf das Strom- und Gasnetz bringen.

Viel Zeit bleibt Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) nicht mehr, um ein Gesamtpaket für die künftige Energieversorgung zu präsentieren: Am 20. Oktober will der Berliner Finanzsenator ein Modell durch den Senat bringen, das dem Land mehr Einfluss auf das Strom- und Gasnetz bringen könnte. Geplant ist dem Vernehmen nach die Gründung eines Unternehmens mit dem Arbeitstitel „Bewag Strom“. Diese Gesellschaft soll Vattenfall und dem Land Berlin gehören. Ob die rot-schwarze Koalition diese Pläne verabschiedet, ist indes noch unklar. Die Chefgespräche zwischen SPD- und CDU- Spitze verliefen ergebnislos, in der kommenden Woche soll weiterdiskutiert werden. Auch die Energieversorger Vattenfall, Gasag und Eon als größter Anteilseigner der Gasag, sind skeptisch. Was ist geplant? Wo liegen die Probleme?

STROM

Die neue Gesellschaft soll Erinnerungen an die frühere Bewag wecken. Der Verkauf an den Vattenfall-Konzern zwischen 2006 und 2009 in mehreren Schritten wird mittlerweile von vielen Politikern als Fehler angesehen. In einer neuen „Bewag Strom“ könnte das Land Berlin die Mehrheit der Anteile übernehmen. Entscheidender Hebel des Senats ist das Konzessionsverfahren für das Stromnetz. Vattenfall würde sich vermutlich nur auf eine Juniorpartnerschaft mit dem Land einlassen, wenn der Konzern erneut den Zuschlag für den Netzbetrieb erhält. Nach der misslungenen Rekommunalisierung des Gasnetzes wurde die Vergabe der Stromnetzkonzession vorerst gestoppt. Der sogenannte zweite Verfahrensbrief sollte nachgebessert werden. Die Bieter sind bislang Vattenfall, die landeseigene Berlin Energie und die Genossenschaft Bürger Energie.

Sollte sich Berlin Energie aus dem Verfahren zurückziehen und Vattenfall den Zuschlag erhalten, würde die Bürger Energie dagegen klagen. Auch ein Neustart des gesamten Verfahrens ist denkbar, aber rechtlich sehr umstritten. In dem Fall wäre Eon als Bieter wieder dabei. Der Düsseldorfer Konzern stellt sich derzeit neu auf und will unbedingt in der Hauptstadt die Energiewende mitgestalten.

Die CDU lege großen Wert auf eine „rechtssichere Weiterführung des Konzessionsverfahrens“, wie es heißt. Die SPD erwartet beim Koalitionspartner CDU laut Wirtschaftspolitiker Jörg Stroedter „Bewegung“. Das Land wolle einen „größtmöglichen Einfluss“ auf die Netze.

GAS

Die vom Landgericht kassierte Vergabe der Gasnetzkonzession im vergangenen Jahr an die landeseigene Berlin Energie ist der Auslöser des gegenwärtigen Geschachers um die beste Position in der Berliner Energiepolitik. Die Gasag AG gehört dem schwedischen Staatskonzern Vattenfall und der französischen Engie (je 31,57 Prozent) und Eon (36,85 Prozent). Nach den Vorstellungen von Finanzsenator Kollatz-Ahnen könnte Vattenfall seine Anteile an das Land verkaufen. Die Schweden bilden ein Konsortialbündnis mit Engie, ein Rückzug bei der Gasag müsste also abgestimmt stattfinden und dürfte am Ende beide betreffen: Vattenfall und Engie verkaufen dann ihre Gasag-Anteile an das Land Berlin und an Eon. Der Düsseldorfer Konzern würde sich mit einer Minderheitsbeteiligung an der Gasag zufriedengeben, das Land hätte also die Mehrheit, die SPD würde ihre Rekommunalisierungsziele erreichen und die Konzession für das Gasnetz fiele wieder der Gasag zu. Der Rechtsstreit wäre beendet.

INDUSTRIELLE PARTNER

Vattenfall oder Eon: diese Frage beschäftigt den Senat seit Monaten. Mehrfach haben sich Kollatz-Ahnen und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) mit Vertretern von Engie, Vattenfall und Eon getroffen, um zu eruieren, wer als Partner für die Umsetzung der Energiewende in Betracht kommt. Den besten Eindruck hat offenbar Eon hinterlassen – was auch nicht überraschend ist: Eon ist der Angreifer und muss sich besonders ins Zeug legen; Vattenfall ist der Platzhirsch, Engie kommt nicht wirklich in Betracht, auch wenn die Franzosen betonen, ihren Gasag-Anteil nicht verkaufen zu wollen.

Wenn sich Vattenfall beim Stromnetz auf eine Allianz einlässt, die dem Land die Mehrheit einräumt, werden die Schweden zumindest in den nächsten Jahren in Berlin bleiben. Genaues weiß man nicht. Vattenfall braucht wegen der viel zu teuren Übernahme der niederländischen Nuon und für den Akw-Rückbau Geld. Bis August nächsten Jahres wollen die Schweden ihre ostdeutschen Braunkohleaktivitäten verkaufen, und trotz vielfacher Dementis gilt es immer noch als möglich, dass sie sich ganz vom deutschen Markt zurückziehen.

Wenn Eon als einziger industrieller Partner des Landes bei der Gasag übrig bleibt, wäre das eine Art Teilsieg. Richtig zufrieden ist man damit nicht in Düsseldorf, aber gegenüber dem Status quo ist das ein Fortschritt: Eon wäre stärker als bislang in der Stadt präsent, könnte sich als Partner des Landes im Gasgeschäft profilieren und stünde für mehr bereit, sobald sich Vattenfall auf den skandinavischen Heimatmarkt zurückzieht. Das kann dauern. Noch in diesem Monat wollen die Schweden über weitere Investitionen in Berlin informieren; darunter auch solche in das Fernwärmenetz, das derzeit von Vattenfall betrieben wird und das für das Erreichen der Klimaziele des Landes relevant ist. Gleichzeitig sparen und kürzen die Schweden an allen möglichen Ecken und Enden. Am kommenden Montag, so ist zu hören, soll ein weiterer Arbeitsplatzabbau unter anderem in Berlin und in der Lausitz verkündet werden.

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