Neue Zentrale in der Hauptstadt?: Eon will nach Berlin
Wenn alles klappt, könnte Eon seine neue Strategie bald aus Berlin steuern. Hauptrollen spielen dabei Vattenfall und die Gasag.
Am 29. Mai geht es im Ludwig- Erhard-Haus um Energie. Johannes Teyssen, Vorstandschef von Eon, kommt zum wirtschaftspolitischen Frühstück in die IHK. Der Düsseldorfer Konzern ist noch immer der größte Energieversorger hierzulande. Aber ein Unternehmen im Wandel und auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen, um die Energiewende zu überstehen. Vergangenen Herbst hat Teyssen die Spaltung verkündet: Die neue Eon konzentriert sich auf erneuerbare Energien, Energienetze und Dienstleistungen. Für die alte Eon bleiben konventionelle Erzeugung, Energiehandel, Exploration und Produktion. Kernkraft ist nicht mehr vorgesehen.
Teyssens Leute haben sich nicht bei der IHK um einen Termin für ihren Chef bemüht, damit der über die mies gemanagte Energiewende referiert. Der Manager möchte vielmehr der Berliner Business Community seine Vision der neuen Eon erläutern. Und dabei spielt Berlin eine besondere Rolle. Eon alt wird auch in Zukunft von Düsseldorf aus gesteuert, keine Frage. Aber die Zentrale von Eon neu könnte in Berlin stehen. Wenn alles so klappt, wie sich das die Firmenstrategen denken.
Das ganze Konzessionsverfahren wurde ein Desaster
Eon ist mit einem Anteil von 36,85 Prozent der größte Aktionär der Gasag, jeweils 31,575 Prozent halten die Staatskonzerne Vattenfall (Schweden) und GDF (Frankreich). Als es im vergangenen Jahr um die Strategie der Gasag-Eigentümer im Konzessionsverfahren ging, zerstritten sich die Konzerne: Eon wollte gemeinsam mit dem Gasag-Vorstand dem Land entgegenkommen und favorisierte ein Kooperationsmodell, das Berlin 51 Prozent und der Gasag 49 Prozent am Netz gebracht hätte. Vattenfall und GDF waren dagegen – auch deshalb, weil sie ihre Gasag-Anteile verkaufen möchten. Und die sind mehr wert, wenn die Gasag das Netz hat.
Am Ende wurde das ganze Konzessionsverfahren ein Desaster. Der Zuschlag für die landeseigene Berlin Energie war nach Einschätzung des Landgerichts nicht rechtmäßig. Nun ist alles wieder offen. Das Land hat vor Gericht verloren, aber die Gasag nicht gewonnen – denn wo die Konzession landet, weiß kein Mensch.
Stockholm ist entscheidend
Der naheliegendste Ausweg: Die Gasag bekommt eine neue Eigentümerstruktur, Eon und das Land übernehmen die Anteile von Vattenfall und GDF. Eon will das, und wäre auch bereit, dem Land mit 51 Prozent den Vortritt zu lassen. Doch der Schlüssel für diese Variante liegt weder in Düsseldorf noch in Berlin.
Stockholm ist entscheidend. Der Staatskonzern Vattenfall hatte sich Ende der 1990er Jahre die Hamburger HEW und später die Berliner Bewag und die ostdeutschen Braunkohleförderer und Kraftwerksbetreiber Laubag und Veag gekauft. Und bei der Privatisierung der Gasag 1998 waren die Schweden auch dabei.
Vattenfall will raus aus der Lausitz
Inzwischen hat sich der energiepolitische Wind auch in Schweden gedreht: Raus aus der schmutzigen Kohle, lautet die Ansage aus der Politik. Und eine neue Struktur des Vattenfall-Konzerns deutet darauf hin, dass sich die Schweden ganz aus Deutschland zurückziehen könnten. Das Strom- und das Fernwärmenetz in Hamburg musste Vattenfall nach einem Volksentscheid abgeben.
Bis Ende dieses Jahres sollen die Braunkohleförderung und die Kraftwerke in der Lausitz verkauft werden, womöglich an den tschechischen Industrie- und Energiekonzern EPH, dem bereits die ostdeutsche Mibrag gehört. Aber das wird schwer. Zumal die Ankündigung des geplanten Verkaufs und des engen Zeithorizonts nicht gerade den Verkaufspreis in die Höhe treibt.
Milliarden aus Gasag-Verkauf könnte Vattenfall gebrauchen
Doch Vattenfall braucht Geld. Die Übernahme der niederländischen Nuon im Jahr 2009 war viel zu teuer. Mindestens fünf Milliarden Euro sollen die Schweden in den Sand gesetzt haben. In diesem Jahr ist die letzte Rate von 2,5 Milliarden Euro für die Holländer fällig. Ein paar Milliarden für die Braunkohle, den Gasag-Anteil und womöglich das Berliner Fernwärmenetz könnte Vattenfall also gut gebrauchen.
Indes ist fraglich, ob es für die Braunkohle viel mehr als eine Milliarde Euro gibt – sicher zusammen mit den Pumpspeicherwerken in Thüringen, die Vattenfall inzwischen mit ins Paket gelegt hat und die auf ein paar hundert Millionen geschätzt werden. Trotzdem wird der Verkauf extrem schwierig, weil die Braunkohle mit ein paar Milliarden Euro in den Vattenfall-Büchern steht. Es drohen erhebliche Abschreibungen.
Zwischen null und zwei Milliarden
Für die knapp 32 Prozent an der Gasag gibt es kaum mehr als 400 Millionen Euro, und der Wert des Berliner Fernwärmenetzes ist umstritten. Je nach Interesse des Betrachters liegt die Spannweite zwischen null und zwei Milliarden Euro. Zu berücksichtigen ist in jedem Fall ein Investitionsaufwand von rund einer Milliarde Euro in den kommenden Jahren für die Fernwärmeanlagen.
Am wertvollsten ist das Berliner Stromnetz, das zwischen zwei und 2,5 Milliarden Euro bringen könnte. Aber das Netz wollen die Schweden eigentlich nicht verkaufen. Im Gegenteil, sie favorisieren folgende Variante: Vattenfall verkauft seinen Gasag-Anteil an das Land (das im Übrigen bis 2018 ein Vorkaufsrecht hat), und das Land zieht den Landesbetrieb Berlin Energie als Bewerber aus dem Stromnetzverfahren zurück. In dem Fall wäre das Netz Vattenfall sicher.
Der Weg frei für Eon
Wenn sich Vattenfall aus der Gasag zurückzieht, dann sind auch die Tage des Vattenfall-Partners GDF gezählt. Wozu sollten die Franzosen noch ihre knapp 32 Prozent halten? Der Weg wäre frei für die neuen Partner Eon und Land Berlin – erst bei der Gasag, dann vielleicht noch bei der Fernwärme und überhaupt bei dem neuen Stadtwerk, zu dem mittelfristig auch das Stromnetz gehören könnte. Wenn Vattenfall seine Zelte hierzulande abbricht und Eon an die Stelle der Schweden tritt. Womöglich auch mit Hilfe eines Asset-Tausches.
Die Konzerne sind Partner. An den Pannen-Akws von Vattenfall in Krümmel und Brunsbüttel, die lange schon vom Netz sind, ist Eon beteiligt. Und auf dem Vattenfall-Heimatmarkt in Schweden hält Eon Anteile an drei Akws. Anders als die Deutschen haben die Schweden kein Problem mit der Kernkraft, Eon will aber trotzdem raus aus dem Geschäft. Vielleicht kann man die Beteiligungen arrondieren und dabei die Perspektiven am Standort Berlin berücksichtigen. Johannes Teyssen ist jedenfalls bereit dazu. Demnächst will er sich mit dem Regierenden Bürgermeister treffen.