Lokführer und Piloten streiken: Stillstand bei Lufthansa und Bahn
Lokführer und Piloten bescherten einen rumpeligen Start ins Wochenende, viele Flüge und Züge fielen Freitag und Samstag aus. Die Gewerkschaft GDL droht, dass dies erst der Anfang war.
Berlin - Vier junge Männer stehen in einem Café im Berliner Hauptbahnhof um einen Tisch. Sie alle arbeiten bei der Bahn. Allerdings bei der ungarischen. „Katastrophe“, schimpft einer mit Glatze. „Haben diese Lokführer kein Gewissen?“ Er und seine Kollegen arbeiten im Speisewagen, am Buffet oder als Kellner. Für die streikenden Berufsgenossen aus Deutschland haben sie an diesem Samstagvormittag kein Verständnis. So viele Leute müssten jetzt warten. „Das kann man doch auch anders regeln", sagt der 31-Jährige. Freitagabend kamen die vier hier an. Jetzt wollen sie zurück nach Budapest – und sitzen fest.
Bundesweit von 6 bis 9 Uhr morgens hatte die Lokführergewerkschaft (GDL) ihre Mitglieder zum Streik bei der Deutschen Bahn aufgerufen. Rund 1000 Züge fielen aus oder fuhren mit massiven Verspätungen. Das betraf den Nah-, Güter- und den Fernverkehr. In Berlin fuhr die S-Bahn nicht. Und viele Fernreisende saßen zum Beispiel am Hauptbahnhof fest.
Vier Streikende in GDL-Plastikhemden stehen dort um 6.30 Uhr auf dem Vorplatz, halten eine Fahne und verteilen Infozettel. „Zwei haben uns schon angepöbelt“, sagt einer von ihnen und zuckt mit den Schultern. Aber einer habe mit dem Daumen nach oben gezeigt. In der Eingangshalle blicken viele ratlose Gesichter auf die Anzeigetafel. „90 Minuten Verspätung“, steht da. Oder „Zug fällt aus“. Die Schlange am Informationsschalter wird immer länger. Aber die Stimmung bleibt friedlich. „Ich wusste ja Bescheid“, sagt eine Dame, die nach Frankfurt will. „Ich nicht“, entgegnet ein 31-Jähriger mit Rollkoffer auf dem Weg nach Hamburg. Aber es sei in Ordnung, er setze sich jetzt in die Sonne. Ein anderer Mann hat einen Kontrabass dabei. „Streik ist immer gut“, findet er. Obwohl er um 20 Uhr ein Konzert in Stuttgart spielen muss. Er ärgere sich nur, dass er die Verspätungsanzeige nicht aufs Handy bekam.
Insgesamt blieb das große Chaos aus. Einer der Gründe: Der Samstagmorgen gilt als verkehrsärmste Zeit der Woche. In Berlin litten vor allem Urlaubsreisende unter dem Streik. Nach 9 Uhr setzte der Nahverkehr unregelmäßig wieder ein. Die meisten Fernzüge hatten aber auch danach noch Verspätung. Der ICE1709, der mittags in Berlin fahren sollte, kam 250 Minuten zu spät. Die Bahn ging von Verzögerungen bis zum Abend aus.
Bahn kritisiert Warnstreiks als überflüssig
Die erneuten Warnstreiks kritisierte das Unternehmen als überflüssig. Man sei jederzeit zum Verhandeln bereit. „Über Löhne, über Arbeitsbedingungen und über neue Spielregeln für Tarifverhandlungen.“ Die Bahn verwies auf ihr Angebot vom 1. September, das Entgelt um 1,9 Prozent bei einer Laufzeit von einem Jahr zu erhöhen. Die GDL fordert fünf Prozent mehr. Ihr Vorsitzender Claus Weselsky drohte mit einer Urabstimmung. Bei Erfolg könnten die Lokführer unbefristet in Streik treten. Bisher sei die GDL-Spitze der Einladung zum erneuten Verhandeln nicht gefolgt, hieß es bei der Bahn.
Kritik an den Gewerkschaftern kommt zunehmend auch aus den eigenen Reihen. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, forderte den Chef des Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, auf, auf die GDL einzuwirken. In einem Brief schreibe er von einem „Imageschaden“ für die Gewerkschaften, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“.
Auch die Lufthansa im Streik
Vor den Lokführern waren am Freitagabend bereits die Piloten der Lufthansa in den Ausstand getreten. Ein von der Gewerkschaft Cockpit ausgerufener Streik von 17 bis 23 Uhr führte bereits ab dem frühen Freitagnachmittag zum Ausfall von Flügen. Rund 26000 Passagiere waren von dem Streik betroffen, vor allem auf Kurz- und Mittelstrecken von und nach Frankfurt am Main. Die Lufthansa verschickte nach eigenen Angaben im Vorfeld über 29000 SMS und 4500 E-Mails an betroffene Kunden. Durch frühzeitiges Umbuchen konnten rund 5000 Fluggäste demnach über München, Zürich, Wien und Brüssel geflogen werden. Das Angebot, auf innerdeutschen Strecken das Flugticket in eine Bahnfahrkarte umzuwandeln, hätten 750 Passagiere wahrgenommen. Am Freitagabend fuhren die Bahnen ja noch nach Plan.
Im Lauf des Tages normalisierte sich immerhin der Verkehr am Berliner Hauptbahnhof. Zumindest für die Café-Betreiber in den Bahnhöfen dürfte sich der Streiktag gelohnt haben. Viele Menschen hielten sich hier am Kaffeebecher fest oder setzten sich zum Warten ins Café. „Der Kaffee schmeckt", bemerkte einer der Ungarn. „Mein Tag ist aber sowieso versaut.“ (mit dpa/AFP)
Milena Menzemer