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Die Leipziger Straße in Mitte ist Berlins dreckigste Straße. Alles in allem werden in der Hauptstadt an 55 Straßenkilometern die Stickoxidgrenzwerte übertroffen.
© picture-alliance/ZB

Dieselkrise: Städte wollen Fahrverbote vermeiden

2018 entscheidet sich, welche Zukunft der Diesel hat. Und ob die Industrie nachrüstet - das verlangt unter anderem das Handwerk.

Vor dem 22. Februar wird nicht viel passieren. An diesem Tag befasst sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage, ob Kommunen Fahrverbote für Dieselautos verhängen dürfen, um die Stickoxidemissionen in besonders belasteten Gebieten zu reduzieren. In rund 90 deutschen Städten, darunter auch Berlin, ist die Luft bisweilen stärker verdreckt, als die Grenzwerte erlauben. Um Dieselfahrverbote zu umgehen, werden alle möglichen Maßnahmen diskutiert - und hier und da umgesetzt. Doch der Hauptadressat für die Forderung nach sofort wirksamen Instrumenten ist die Autoindustrie – und die wird sich aller Voraussicht nach vor dem 22.2. nicht rühren.

In Berlin sind 55 Kilometer Straße betroffen

„Bis vor kurzem hat man uns Autos verkauft, die demnächst in manchen Städten womöglich nicht mehr fahren dürfen“, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer dem Tagesspiegel. „Damit es dazu nicht kommt, müssen sich die Hersteller auch Nachrüstungen an der Hardware einfallen lassen.“ Im Handwerk stehe man für Fehler und Mängel gerade, „Nichts anderes erwarten wir von den Autoherstellern“, sagte Wollseifer.
Diese Erwartung gibt es auch in der Berliner Senatsverwaltung für Verkehr. In der Hauptstadt sind rund 55 Kilometer Straße mit 50.000 Anwohnern betroffen; die Stickoxide (NOx) liegen hier über den behördlichen Grenzwerten. Am schmutzigsten ist die Luft an der Leipziger Straße in Mitte sowie in der Neuköllner Silbersteinstraße. Bis Ende des nächsten Jahres sollen alle 1400 BVG-Busse auf Euro-VI-Norm gebracht werden. Davon verspricht sich die Senatsverwaltung einiges und verweist auf das Beispiel Hardenbergplatz vor dem Bahnhof Zoo: Zwischen 2014 und 2017 seien dort die NOx-Emissionen in Folge der Bus-Nachrüstung um rund ein Viertel gesunken.

Die meisten Stickoxide verursacht der Diesel

75 Prozent der NOx-Belastung in Berlin stammen aus dem Straßenverkehr, und davon wiederum 88 Prozent von Diesel-Fahrzeugen. Mit optimierten Ampelschaltungen soll die Verkehrslenkung Berlin beziehungsweise der private Dienstleister Alliander den Verkehrsfluss erhöhen. Dazu erwägt die Senatsverwaltung weitere Tempolimits wie in der Silbersteinstraße, wo nur noch 30 km/h gefahren werden darf. Das gilt auch in Potsdam für Teile der Zeppelinstraße, die ferner von vier auf zwei Spuren verengt wurde. Die Potsdamer Stadtverwaltung will dadurch den Verkehr von 27.000 Autos pro Tag auf 22.000 verringern. Angeblich sind die Stickoxidemissionen bereits um ein Drittel gefallen.

Feinstaub ist in Berlin nicht das Problem

In Stuttgart, wo die Deutsche Umwelthilfe Fahrverbote vor Gericht durchzusetzen versucht, gilt ein Durchfahrtsstopp für Lkw sowie Tempo 40 auf bestimmten Steigungsstrecken. Die Umstellung des städtischen Fuhrparks auf Elektroautos und den Ausbau des Personennahverkehrs will die Stadt voranbringen. Gegen den Feinstaub gibt es eine Mooswand am stark belasteten Neckartor. Zusätzlich werden dort die Straßen mit Wasser gereinigt. Reifen- oder Bremspartikel lassen sich so entfernen, bevor sie als Feinstaub aufgewirbelt werden. In Berlin dagegen ist die Feinstaubbelastung eher gering.
In Hamburg will der Senat von 2020 an nur noch emissionsfreie Busse anschaffen. Außerdem soll die Ladeinfrastruktur für Elektroautos deutlich ausgebaut werden; Hamburg sieht sich hier als Modellstadt. München investiert bis 2020 nach eigenen Angaben 60 Millionen Euro in die Förderung der E-Mobilität. „München hat das größte kommunale Förderprogramm für Elektromobilität in Deutschland“, heißt es aus dem Umweltreferat. Die Stadtwerke hätten 150 E-Ladesäulen errichtet. Vom Bund bekommt München jetzt 185.000 Euro, um bis Juli den „Masterplan“ zur Luftreinhaltung zu erstellen. Mit dem Plan werde man sich dann um Geld aus dem Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ bewerben. An einem ähnlichen Masterplan, den die Bundesregierung als Voraussetzung für Fördermittel verlangt, arbeitet auch die Berliner Verkehrsverwaltung.

Die Kommunen arbeiten an Masterplänen

Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf will bis August kommenden Jahres einen entsprechenden Plan vorlegen. In Köln verweist die Verwaltung auf die Anschaffung von insgesamt 50 Elektrobussen und die Nachrüstung von 186 Dieselbussen. Auch in Wiesbaden ist die Umstellung der Busflotte das wichtigste Vorhaben der Verwaltung. Von 2022 an sollen nur noch Elektrobusse fahren Außerdem wird ein Leihradsystem eingerichtet mit 500 E-Bikes, die vom Bund gefördert werden.

Bislang hat der Bund zwölf Millionen bewilligt

Auch in Mainz, Koblenz und Ludwigshafen arbeitet man derzeit an Masterplänen, die mehr oder weniger identische Inhalte haben: Neben der Nachrüstung von Bussen und Neuanschaffungen für den öffentlichen Personennahverkehr soll der Radverkehr gefördert und der Verkehr auch durch die Möglichkeiten der Digitalisierung besser gesteuert werden. In Oldenburg will die Verwaltung eine grüne Umweltzone in der Innenstadt einrichten, ein entsprechendes Maßnahmenpaket soll im Januar verabschiedet werden.
Kurz vor Weihnachten hatte Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) Förderbescheide für 60 Städte übergeben. Das Gesamtvolumen von zwölf Millionen lässt indes nicht viel mehr als Planungen zu. Beim Dieselgipfel hatten sich Regierung und Autokonzerne auf die Einrichtung eines Fonds für die Kommunen von einer Milliarde Euro geeinigt, davon soll die Industrie 250 Millionen Euro beitragen. (mit dpa)

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