Diesel-Gipfel im Roten Rathaus: Senat will "saubere" Taxis fördern
Der Berliner Autoverkehr stößt zu viele Stickoxide aus, es drohen Fahrverbote. Die Regierung schlägt Maßnahmen vor.
Fahrverbote auf der Leipziger Straße, auf der Buschkrugallee oder auf der Hauptstraße? So weit ist es in Berlin noch nicht. Doch schon im kommenden Jahr könnte auf den drei Hauptverkehrsstraßen für ältere Dieselfahrzeuge nichts mehr gehen. Denn die Straßen zählen zu den schmutzigsten der Hauptstadt. Hier werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) um bis zu 65 Prozent überschritten. Und nicht nur dort. Auf einer Gesamtlänge von 58 Kilometern leiden in Berlin nach jüngsten Zahlen der Verkehrsverwaltung rund 50 000 Menschen unter unzulässig hohen NO2-Emissionen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat das Land Berlin deshalb auf Luftreinhaltung verklagt. In wenigen Monaten entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Kommen die Richter zu dem Urteil, dass die Kommunen Fahrverbote aussprechen dürfen, wäre Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther gezwungen, Ernst zu machen. In der Hauptstadt mit 1,2 Millionen Pkw – davon rund ein Viertel Diesel – bräche das Verkehrschaos aus.
"Viele Ministerpräsidenten sind sehr unzufrieden"
„Wir wollen Fahrverbote verhindern“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Mittwoch nach einem „Diesel-Gipfel“, zu dem er 40 Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft ins Rote Rathaus eingeladen hatte. „Wir wissen, wie wichtig der fließende Verkehr ist.“ Vor allem für Handwerker und Gewerbetreibende, Taxibetriebe, Lieferanten und Pendler wären Fahrverbote wirtschaftlich kaum zu bewältigen. Es muss also schnell etwas geschehen. Die beiden Diesel-Gipfel der Bundesregierung und die zögerliche Haltung der Autoindustrie hätten hier keinen Fortschritt gebracht, kritisierte Müller. „Viele Ministerpräsidenten sind sehr unzufrieden.“
Die Teilnehmer der Rathaus-Runde hätten am Mittwoch „50 bis 60 Vorschläge“ gemacht, wie man konkret zu weniger Schadstoffemissionen im Verkehr kommen könne. „Dies werden wir nun politisch auswerten“, kündigte Müller an. Die Zeit drängt. So will der Senat die Bundesförderung für die Umrüstung von Taxiflotten aufstocken. Als ersten Schritt wird für ein Jahr lang ein Förderprogramm aufgelegt. In Berlin sind 8000 Taxis unterwegs, von denen erst 3000 mit Hybrid- oder Erdgasantrieb fahren. Pro Fahrzeug erhalten die Taxibetriebe laut Müller vom Bund 3000 bis 4000 Euro an Förderung. „Wir denken daran, diese Summe zu verdoppeln“, sagte der Regierende. Für jedes Diesel-Taxi, das durch ein Hybrid-, beziehungsweise Elektro- oder Brennstoffzellen-Taxi ersetzt wird, soll das Taxiunternehmen also analog zum Bundesförderprogramm zusätzlich eine Landesförderung erhalten. Zur Anschaffung sauberer Fahrzeuge für die landeseigenen Fuhrparks will das Land außerdem prüfen, inwieweit die Landesvergabeordnung verändert werden muss. BVG und Stadtreinigung seien mit ihren Fahrzeugflotten schon auf einem guten Weg, sagte der Regierende.
Vattenfall elektrifiziert seine Flotte
Sebastian von Klinski, Vizepräsident der Beuth-Hochschule, gab zu bedenken, dass mehr Elektroautos auch bedeuteten, dass das Stromnetz entsprechend aufgerüstet werden müsse. Doch das ist Zukunftsmusik. Aktuell gibt es nur 3500 Elektrofahrzeuge in Berlin. Stromversorger Vattenfall, ebenfalls Teilnehmer des Treffens, hat bereits im Januar 2017 damit begonnen, alle Pkw und leichten Nutzfahrzeuge in Schweden, den Niederlanden und Deutschland durch E-Fahrzeuge zu ersetzen. In den kommenden fünf Jahren soll die komplette Flotte mit rund 3500 Fahrzeugen elektrifiziert werden.
Die Berliner IHK verspricht sich viel von Sofortmaßnahmen an besonders belasteten „Hotspots“. IHK-Präsidentin Beatrice Kramm schlug vor, die erdgasbetriebenen Reinigungsfahrzeuge der BSR und die Elektrobusse der BVG ausschließlich an den schmutzigsten Hauptstraßen fahren zu lassen. Allerdings hat die BVG bislang nur vier E-Busse im Testbetrieb im Einsatz. Kramm forderte auch, die Verkehrsreglung an den Hotspots zu überarbeiten. Dies könne bedeuten, dass es mehr Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsstraßen gebe. Ähnliche Pläne hat Verkehrssenatorin Günther. Dies provoziere zwar Ärger, räumte Kramm ein. Aber: „Der Verkehr muss weiterrollen.“
Die Gipfel-Teilnehmer hätten bestätigt, dass Berlin über „gute Grundlagen“ verfüge, um seinen Verkehr sauberer zu gestalten, sagte Müller. Allerdings müsse die Verwaltung unbürokratischer handeln. Und die Kommunikation müsse sich verbessern. Ein Appell der Gipfel-Teilnehmer, der wohl auch dem Regierenden selbst galt: Er möge bitte mehr darüber reden, was in Berlin schon an Forschung, Entwicklung und praktischer Umsetzung erreicht wurde. In drei Monaten will Müller zum nächsten Gipfel einladen.