zum Hauptinhalt
Beruhigt in den Ruhestand? Die Riester-Rente sollte Absenkungen bei der gesetzlichen Rente auffangen.
© imago/Eckhard Stengel

Reform der privaten Altersvorsorge: SPD hält Riester für ein Auslaufmodell

Ist die Riester-Rente noch zu retten? Das Bundesfinanzministerium muss jetzt Reformvorschläge vorlegen, doch die Regierungsfraktionen sind uneins.

Uwe Schröder (Name geändert) hatte die Nase voll von seinem Riester-Vertrag. Jahre lang zahlte der Beamte in seinen Fondsvertrag bei der DWS ein, dann stieg er aus. „Meine spätere Rente hätte 60 Euro betragen“, erzählt Schröder, „für den ganzen Aufwand, den ich mit Riester hatte, war mir das zu wenig“.

Für den Gutverdiener waren nicht die Zulagen wichtig, sondern vor allem die Steuervorteile, mit denen der Staat die private Altersvorsorge ebenfalls unterstützt. Gut 2000 Euro kamen über die Vertragslaufzeit bei Schröder an Steuererstattungen zusammen, rund 1300 Euro über die Zulagen. Knapp 15.000 Euro hatte der Anleger angespart, bevor er kündigte. Nach der Kündigung musste er dem Staat das geschenkte Geld zurückzahlen. Das hat er in Kauf genommen. „Jedes Jahr das Theater mit der Steuererklärung, das war mir einfach zu lästig“, erinnert er sich.

Das Riester-Sparen hat keinen guten Ruf

Zu bürokratisch, zu kompliziert, zu teuer: Das Riester-Sparen hat keinen guten Ruf. Beim Start war das noch anders. 2002 hatte der damalige Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) die staatlich geförderte Altersvorsorge eingeführt, um Einschnitte bei der gesetzlichen Rente auszugleichen. Die ersten Jahre liefen gut, immer mehr Menschen unterschrieben Riester-Verträge. Doch die Euphorie ist verpufft, zahlreiche Anbieter haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Seit 2018 sinken die Neuabschlüsse. Hinzu kommt: Von den knapp 16,5 Millionen Verträgen sind ein Fünftel ruhend gestellt, das heißt mehr als 3,3 Millionen Sparer haben ihre Einzahlungen gestoppt.

Der Staat hilft: Zulagen und Steuerersparnisse sollen die Menschen zur privaten Vorsorge bewegen.
Der Staat hilft: Zulagen und Steuerersparnisse sollen die Menschen zur privaten Vorsorge bewegen.
© obs

Jedes Jahr müssen 800.000 Menschen Zulagen zurück zahlen

Was für Hunderttausende das Faß zum Überlaufen bringt, ist ihr Streit mit der Zulagenstelle. Denn die vollen Zulagen gibt es nur, wenn Menschen mindestens vier Prozent ihres rentenversicherungspflichtigen Einkommens (inklusive der Zulagen) in den Vertrag einzahlen – allerdings maximal 2100 Euro im Jahr. Wer etwa nach einer Gehaltserhöhung versäumt, die Einzahlungen aufzustocken, oder die Kinderzulage auch dann noch kassiert, wenn das Kind die gesetzlich festgelegte Altersgrenze überschritten hat, muss mit Rückforderungen rechnen.

„Das schürt Frust und verursacht unnötige Kosten“, heißt es beim Versicherungsverband GDV. „Die Zulagenstelle soll erst prüfen und dann auszahlen“, schlägt GDV-Geschäftsführungsmitglied Peter Schwark vor. „Heute ist es umgekehrt mit der Konsequenz, dass jedes Jahr 800.000 Sparer Zulagen zurückzahlen müssen“, sagte Schwark dem Tagesspiegel. Und auch Fälle wie den von Uwe Schröder gibt es häufig: Menschen, die am komplizierten Zusammenspiel von Zulagen und Steuervorteilen scheitern.

[Alle wichtigen Updates des Tages finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Absicherung mit Lücken: Die Riester-Förderung ist nicht mehr zeitgemäß.
Absicherung mit Lücken: Die Riester-Förderung ist nicht mehr zeitgemäß.
© Jürgen Fälchle - stock.adobe.com

Klar ist: Es muss etwas passieren

In einem sind sich Verbraucherschützer und Finanzbranche einig: Ein „Weiter so“ kann es bei der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge nicht geben. Die Frage ist aber: Lässt sich das Riester-System mit Reformen retten oder sollte man einen völlig neuen Weg in der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge einschlagen, wie das Verbraucherschützer fordern. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) plädiert für einen Systemwechsel. Die staatlich geförderte Vorsorge soll künftig über einen Fonds laufen, der von einem öffentlichen Träger etwa der Bundesbank oder einer neu zu schaffenden Behörde gemanagt werden soll. Das Geld würde weiterhin den Bürgern gehören und nicht dem Staat, betont VZBV-Finanzexpertin Dorothea Mohn. Wenn der Fonds das Kapital einsammelt und gebündelt an den Kapitalmarkt gibt, könne der öffentliche Träger „sehr günstige Konditionen durchsetzen“, meint die Verbraucherschützerin.

Schwierige Mission: Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, will die Reform noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen.
Schwierige Mission: Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, will die Reform noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen.
© Thilo Rückeis

Die Politik steht unter Handlungsdruck. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, dass noch in dieser Legislaturperiode ein neues, kostengünstiges Standardprodukt für die staatlich geförderte Altersvorsorge eingeführt werden soll. „Wir arbeiten intensiv an der konkreten Umsetzung der Riester-Reform und sind fest daran, in dieser Legislaturperiode eine Einigung zu finden“, kündigte Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, kürzlich auf einer Tagung des „Handelsblatts“ an.

Leicht wird das nicht: Nach dem Dialogprozess mit Anbieterverbänden, Verbraucherschützern und Sozialpartnern sei deutlich geworden, dass es „sehr unterschiedliche Auffassungen und Vorschläge gibt, die von der Optimierung beziehungsweise Weiterentwicklung der bestehenden Förderung bis hin zu ganz anderen Förderansätzen reichen“, sagte eine Ministeriumssprecherin dem Tagesspiegel. „Die Meinungsbildung hierzu ist noch nicht abgeschlossen“. Zudem stimmt sich das Finanzministerium regierungsintern auch noch mit dem Arbeitsministerium ab.

"Riester ist nicht tot", sagen die Versicherer

Die Anbieter wollen an Riester festhalten. Für Familien und Menschen mit geringen Einkommen gibt es nichts Besseres, sagen sie. „Riester ist nicht tot“, betont Schwark. Aber das Fördersystem sei zu kompliziert und zu unflexibel. „Kleine Schritte reichen nicht“, meint er, „die Riester-Rente braucht jetzt einen Big Bang, der neuen Schwung gibt“.

Lohnt sich: Familien mit vielen Kindern profitieren von der Förderung.
Lohnt sich: Familien mit vielen Kindern profitieren von der Förderung.
© imago/photothek

Versicherer, Fondsgesellschaften und Bausparkassen, die über ihren „Wohn-Riester“ betroffen sind, haben in seltener Einigkeit bereits im November vergangenen Jahres einen Fünf-Punkte-Plan veröffentlicht, um Riester zu retten: Künftig soll es kostengünstige Standardprodukte in allen Riester-Varianten geben, auch Selbstständige sollen „riestern können“, die Beitragsgarantie soll gelockert und das Zulagenverfahren automatisiert werden. Weiterer Punkt: Die Förderung aus Zulagen und Steuererstattung soll transparenter werden. „Künftig sollte der Staat 50 Prozent des Eigenbeitrags aufstocken, das wird dann später bei der Steuererklärung verrechnet“, sagte Schwark dem Tagesspiegel. Und auch die starre, zwanzig Jahre alte Förder-Obergrenze von 2100 Euro im Jahr müsse dynamisiert werden. Statt fester Grenzen sollten Sparer künftig vier Prozent des Bruttoeinkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze staatlich gefördert einzahlen können. Davon würden vor allem Menschen mit höheren Gehältern profitieren.

Mehr Rendite: Verbraucherschützer wollen die staatlich geförderte private Altersvorsorge über einen Fonds organisieren.
Mehr Rendite: Verbraucherschützer wollen die staatlich geförderte private Altersvorsorge über einen Fonds organisieren.
© picture-alliance/ dpa-tmn

CDU-Finanzexperte Brodesser: "Riester ist das erfolgreichste Produkte der privaten Altersvorsorge"

So uneins wie Verbraucherschützer und Finanzunternehmen sind, so gespalten sind auch die Regierungsfraktionen. Riester sei „das mit Abstand erfolgreichste Produkt der privaten Altersvorsorge“, betont der CDU-Finanzexperte Carsten Brodesser. „Statt über einen Systemwechsel nachzudenken, sollte man die Riester-Förderung reformieren“, sagte er dem Tagesspiegel.

Auch der Unionspolitiker ist für eine verbesserte Zulagenprüfung, eine Vereinfachung der Förderung, eine Erhöhung der Fördergrenze und eine Einbeziehung der Selbstständigen. Ob die Unternehmen weiterhin eine Beitragsgarantie für das von den Kunden eingezahlte Kapital anbieten, will Brodesser Versicherern, Fondsgesellschaften und Bausparkassen selbst überlassen.

SPD sieht Riester als Auslaufmodell

Bei der SPD sieht man die Systemfrage dagegen völlig anders: Natürlich müssten die Riester-Sparer ihre Verträge fortführen können, sagte Lothar Binding dem Tagesspiegel. „Aber wenn es darum geht, die private Altersvorsorge zu reformieren, ist Riester der falsche Ansatz: Wir sollten bei Riester alles so lassen, wie es ist“, meint der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Als Modell für die Zukunft hält Binding viel von der Fondsidee der Verbraucherschützer, könnte sich aber vorstellen, die Versicherungswirtschaft daran zu beteiligen. Die beste Altersvorsorge sieht der Finanzexperte aber woanders: in der selbstgenutzten Immobilie. Den Erwerb sollte der Staat unterstützen.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen in Berlin. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

Klar ist eines: In diesem Winter wird sich entscheiden, ob und wie es mit Riester weitergeht. „Wir stehen jetzt an einer Weggabelung“, sagt Brodesser. Die Zeit spielt allerdings den Riester-Kritikern in die Hände. Wird das Thema in die nächste Legislaturperiode verschoben, erhöht das die Chancen für einen Systemwechsel.

Zur Startseite