Studie der Verbraucherzentralen: Sollten Krankenkassen mehr technische Hilfsmittel erstatten?
Digitale Dienstleistungen können die Pflege erleichtern. Doch noch muss der Patient viel selbst zahlen. Ändern könnte das die Politik.
Ob digitaler Tablettenspender, ein Sturzerkennungssystem oder ein automatisiertes Wendebett – es gibt viele Möglichkeiten, pflegebedürftigen Menschen das Leben durch digitale Hilfsmittel zu erleichtern. Genutzt werden die technischen Hilfsmittel jedoch bislang kaum. Zum einen wissen die Betroffenen oft nicht, was es an digitalen Helfern bereits gibt. Zum anderen müssen sie diese oft noch aus eigener Tasche bezahlen.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) drängt nun darauf, dass Kranken- und Pflegekassen die Kosten für die digitalen Assistenzsysteme in der Pflege in Zukunft einfacher und umfassender erstatten – und sie so gleichzeitig bekannter machen. „Wir haben hier einen eklatanten politischen Mangel“, sagte vzbv-Vorstandsmitglied Klaus Müller. Die Digitalisierung könne dazu beitragen, ein sicheres, selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Ihre Potentiale würden aber gerade in der Pflege nur unzureichend genutzt.
Rechtliche Rahmenbedingungen sind das Problem
In einem von der vzbv in Auftrag gegebenen Gutachten werden vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Kostenerstattung von digitalen Assistenzsystemen kritisiert. Da diese Anwendungen im Sozialgesetzbuch nicht klar definiert seien, bestünde die Gefahr, dass die Kassen sie als „allgemeine Gebrauchsgegenstände“ beurteilen und deswegen eine Kostenübernahme ablehnen. Eine klare rechtliche Grundlage könne dafür sorgen, dass künftig mehr digitale Assistenzsystem in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden.
Bislang finden sich dort lediglich zwei Anwendungen: Hausnotrufsysteme und ein mit bestimmten Funktionen ausgestattetes Pflegebett werden von den Kassen systematisch erstattet. Bei allen anderen Anwendungen würden sich die Kassen sehr zurückhaltend im Hinblick auf die Kostenübernahme zeigen, kritisiert der vzbv.
„Es geht nicht darum, Lifestyleprodukte zu einer Pflichtleistung der Kassen zu machen“, sagte Müller. Neben einer klaren Definition fordert der vzbv auch den Nachweis eines pflegerischen Nutzens der digitalen Anwendungen. Allerdings solle die Tatsache, dass einzelne Produkte auch von gesunden Versicherten genutzt werden können, einer Erstattungsfähigkeit nicht im Wege stehen. Profitieren würden davon nicht nur die Pflegebedürftigen, auch Pflegerinnen und Pfleger würden durch den Einsatz digitaler Assistenzsysteme entlastet.
Überarbeitung des Hilfsmittelverzeichnisses reicht nicht aus
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) stimmt dem Ziel, Versicherte besser mit digitalen Helfer auszustatten grundsätzlich zu. Allerdings sei dazu keine Reform des Sozialgesetzbuchs nötig. „Die gesetzlichen und rechtlichen Grundlagen sind da“, sagte Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes dem Tagesspiegel. „Was fehlt, sind die Anträge der Leistungserbringer, um neue digitale Assistenzsysteme auf ihren pflegerischen Nutzen hin zu überprüfen und in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.“
Selbst die Politik hält eine bloße Erweiterung des Hilfsmittelverzeichnis für zu wenig. „Nach meiner Erfahrung scheitert die Kostenerstattung für digitale Assistenzsysteme durch Kranken- und Pflegekassen bislang sehr oft an den engen und auch nicht mehr zeitgemäßen Vorgaben“, sagte Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung. „Die bloße Überarbeitung der Hilfsmittelverzeichnisse durch die Kostenträger reicht daher nicht aus.“
Klaus Müller vom vzbv hofft auch aufgrund solcher Signale, dass bald Bewegung in die Sache kommt. „Wir hatten noch nie so einen digitalaffinen Gesundheitsminister“, sagt er. Er hoffe nun, dass Jens Spahn das Thema Digitalisierung nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in der Pflege vorantreibt.
Daniel Böldt