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Seit 2011 hat Christine Lagarde den IWF geleitet. Jetzt soll sie EZB-Chefin werden.
© AFP

"Preußin in Chanel": So tickt Christine Lagarde, die Anwärterin auf den EZB-Chefposten

Anwältin, Finanzministerin, IWF-Chefin: Jetzt soll Christine Lagarde die Europäische Zentralbank leiten. Ökonomen sind uneins, was die Personalie betrifft.

Christine Lagarde schreckt vor schwierigen Aufgaben nicht zurück. Auch nicht vor dem Auftritt in einer US-Satiresendung wie der "Daily Show". Während das für ihre Vorgänger im Amt undenkbar gewesen wäre, nutzte die IWF-Chefin das Gespräch mit Entertainer Trevor Noah vor wenigen Tagen, um Klartext zu reden. Der Handelsstreit der USA mit China koste die Welt enorm viel Wachstum, sagte sie. Das sei in etwa so, als wenn man Südafrika von der Weltkarte radiere.

Lagarde kann das gut: komplexe Themen so herunterbrechen, dass sie verständlich werden. Das dürfte ihr auch im neuen Job helfen. Geht es nach den EU-Staats- und Regierungschefs, soll Lagarde im Herbst Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Mario Draghi, der den Posten bislang innehat, gibt sein Amt turnusgemäß ab. Über seine Nachfolge wird bereits seit Monaten spekuliert, schließlich geht es um einen der wichtigsten Jobs in Europa.

Als EZB-Chefin würde Lagarde die Geldpolitik der Euro-Zone steuern - und damit darüber entscheiden, wie hoch oder niedrig die Zinsen für Banken und Verbraucher ausfallen.

Hoffnungen auf den Posten hatte sich auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann gemacht. Doch von Anfang an war klar: Deutschland wird nur einen der Topjobs bekommen. Und wenn Ursula von der Leyen Präsidentin der EU-Kommission wird, kann nicht auch noch der EZB-Präsident aus der Bundesrepublik kommen. Deshalb nun also Lagarde.

Lagarde wäre die erste Frau an der Spitze der EZB

Ungewöhnlich ist die Wahl dabei insofern, als dass Frankreich schon einmal den Chef der EZB gestellt hat: Jean-Claude Trichet war bis 2011 Chef der Zentralbank. Fällt nun die Wahl auf Lagarde, hieße das: Von den dann vier Präsidenten seit der Gründung der EZB vor 20 Jahren, kämen zwei aus Frankreich. Gleichzeitig wäre Lagarde allerdings auch die erste Frau auf dem Posten. Dazu kommt, dass sie Erfahrung hat mit der Leitung einer internationalen Institution.

Als Lagarde 2011 den Chefposten beim IWF übernahm, steckte der Währungsfonds in der Krise. Ihr Vorgänger, Dominique Strauss-Kahn, hatte gehen müssen, nachdem man ihm sexuelle Übergriffe vorwarf. Auch inhaltlich stand der IWF in der Kritik: Der Fonds gewährt Ländern Kredite, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, verlangt im Gegenzug aber Reformen. Länder wie Argentinien warfen dem IWF jedoch vor, er habe mit seinen strengen Vorgaben die Armut im Land weiter verschärft. Unter Lagarde verschob sich dann der Fokus: Als IWF-Chefin machte sie unter anderem den Klimawandel und die Stärkung von Frauen zu ihren Themen.

Sie gilt als besonders einflussreich

Das "Forbes"-Magazin zählt Lagarde zu einer der zehn einflussreichsten Frauen der Welt. Sie gilt als diszipliniert - beruflich, wie privat. Sie ist Vegetarierin, verzichtet auf Alkohol, macht Yoga. Der "Stern" bezeichnete sie mal als "Preußin in Chanel". Bevor Lagarde IWF-Chefin wurde, war sie in Frankreich Finanzministerin und das mitten in der Finanzkrise. Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sagt: "Christine Lagarde ist sehr erfahren, klug und weitsichtig und hat das Potenzial eine exzellente Präsidentin der EZB zu werden." Er lobt vor allem "ihre internationale Erfahrung und ihr politisches Geschick".

Genau das aber kritisieren andere: ihre politische Haltung. Denn als Chefin der Europäischen Zentralbank muss sie unabhängig bleiben, sich frei machen von politischen Wünschen. „Das könnte ihr aufgrund ihrer eigenen Vergangenheit in der Politik schwer fallen“, meint Wirtschaftsweise Isabel Schnabel.

Dazu kommt, dass Lagarde Juristin ist, keine Ökonomin. Bevor sie in die Politik wechselten, arbeitete sie in einer Wirtschaftskanzlei mit dem Schwerpunkt auf Arbeitsrecht. Mit Geldpolitik hat das wenig zu tun. „Geldpolitische Prozesse sind aber hochkomplex“, sagt Bankenprofessor Hans-Peter Burghof. Da sei es sinnvoll, das studiert zu haben. „Wenn Lagarde sich da auf das Wissen aus zweiter Hand verlassen muss, ist das ein gefährliches Spiel.“ Schnabel sieht das ähnlich: „Lagarde wird sich in vielen geldpolitischen Fragen auf ihre ökonomischen Berater verlassen müssen“, sagt sie. „In normalen Zeiten kann das gut funktionieren, in Krisenzeiten ist das schwieriger.“

Zumindest gut verkaufen kann sich Lagarde aber. Das bewies sie auch in der „Daily Show“. Gefragt, wie das war, als sie IWF-Chefin wurde, meinte sie: „einschüchternd.“ Aber es sei doch immer so: "Wenn es schwierig wird, holt man eine Frau an die Spitze", sagte sie und erntete tosenden Applaus.

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