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Christine Lagarde fordert mehr lebenslanges Lernen.
©  Breuel-Bild/Jason Harrell

Lagardes Lehrplan: IWF-Chefin: Politik muss auf technologischen Wandel reagieren

Fortschritt ist wichtig fürs Wachstum - er verändert aber auch die Arbeitswelt. Die Politik muss darauf reagieren, fordert IWF-Chefin Christine Lagarde.

Der Roboter serviert das Bier in der Bar. Das Taxi fährt fahrerlos. Und wenn die Kaffeemaschine kaputt geht, geht man nicht in den Elektronikladen – man druckt sich das Ersatzteil einfach mit dem 3-D-Drucker zuhause aus. So stellt Christine Lagarde sich die Zukunft vor. Eine Zukunft, die der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) keine Angst macht. Auf die wir uns aber vorbereiten müssen, sagt sie. Schließlich werden Taxifahrer, Kellner oder Elektronikverkäufer in dieser Welt von morgen nicht mehr gebraucht. Die Politik sei deshalb gefragt, sagt Lagarde. Sie müsse dafür sorgen, dass am Ende tatsächlich alle vom technologischen Fortschritt profitieren. Nur so könne die Wirtschaft nachhaltig wachsen.

Zusammen mit Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sitzt Lagarde am Dienstagnachmittag auf dem Podium im Auditorium der privaten Hochschule ESMT in Berlin. Am Abend zuvor hat sie über dieses Thema und andere Fragestellungen bereits mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gesprochen. Dieses Treffen mit der Kanzlerin war Lagarde wohl nicht nur wichtig, weil die beiden sich seit Jahren kennen und schätzen. Sondern auch, weil Merkel in diesem Jahr Präsidentin der G-20 ist: der Gemeinschaft der mächtigsten 20 Volkswirtschaften der Welt, deren Regierungschefs sich im Juli in Hamburg treffen. Lagarde wollte Merkel wohl schon mal ein paar Themen mit auf den Weg geben, die ihrer Meinung nach von den G-20 diskutiert werden müssen. Die Frage, wie die Politik auf technologischen Fortschritt reagiert, ist dabei für Lagarde essentiell. Denn werden nicht alle mitgenommen – bleiben also der Taxifahrer, der Kellner, der Elektronikverkäufer auf der Strecke, weil sie ihren Job verlieren – steigt die Ungleichheit in der Gesellschaft. Und: „Ein Wachstum, das auf Ungleichheit beruht, ist kein nachhaltiges Wachstum“, sagt Lagarde.

Ohne Innovationen geht es nicht

Dabei will sie Innovationen per se nicht verteufeln. Im Gegenteil. Glaubt man der IWF-Chefin, geht es gar nicht mehr ohne. Denn auch wenn die Wirtschaft weltweit wächst – für dieses Jahr prognostiziert die OECD ein Plus von 3,3 Prozent – so reicht das noch lange nicht aus, um den Wohlstand zu steigern. Um mehr Menschen aus der Armut zu holen. Um zu kompensieren, dass künftig weniger Arbeitnehmer für mehr Rentner aufkommen müssen. Entscheidend für all das ist nämlich eine anderes Wachstum: das der Produktivität. Steigt die Produktivität bedeutet das: Ein Arbeitnehmer kann in einer Stunde mehr Güter und Dienstleistungen produzieren als zuvor. Nur wenn ihm das auf lange Sicht gelingt – weil die Maschinen besser werden, weil er sich weiterbildet, neue Technologien entdeckt – geht es langfristig allen besser. Nur wenn die Produktivität wächst, können Firmen höhere Löhne zahlen. Nur dann haben mehr Menschen die Chance sozial aufzusteigen.

Das Problem ist allerdings: Weltweit wächst die Produktivität kaum noch. In den USA war zum Beispiel ein Produktivitätswachstum von zwei Prozent die Regel, inzwischen liegt es bei 0,6 Prozent. In anderen Staaten sieht es ähnlich aus – selbst in der Exportnation Deutschland ist es schwach. Um dafür zu sorgen, dass die Welt wieder produktiver und damit wohlhabender wird, ist mehr Innovation aus der Sicht von Lagarde unabdingbar. Ebenso wie die richtige Politik, die dafür sorgt, dass der neue Wohlstand auch tatsächlich bei allen ankommt. Eben auch beim Taxifahrer, beim Kellner, beim Elektronikverkäufer, die auf einmal ohne Job dastehen.

Helfen kann zum Beispiel lebenslanges Lernen

Deshalb fordert Lagarde zum Beispiel von den Regierungschefs, lebenslanges Lernen stärker zu fördern. Menschen sollen sich permanent weiterbilden und umschulen können, wenn ihre bisherigen Fähigkeiten auf einmal nicht mehr gefragt sind. „Zwei Drittel der Kinder von heute werden in Zukunft einen Job haben, den es heute noch gar nicht gibt“, meint Lagarde. Wer da nicht außen vor bleiben will, muss weiter lernen – auch wenn er bereits seit 20, 30 Jahren im Beruf steht. Als Vorbild nennt die IWF-Chefin Singapur: Das Land hat ein staatliches Förderprogramm aufgelegt, um Menschen jeglichen Alters bei der Weiterbildung zu unterstützen.

Gleichzeitig fordert Lagarde, dass die Regierungen Firmen beim technologischen Wandel helfen. Etwa durch höhere Staatsausgaben und Steuererleichterungen für Forschung und Entwicklung. Parallel sollte die Bürokratie für Firmengründer abgebaut werden. Außerdem müsse die Kreditvergabe für Firmen sichergestellt werden: In manchen Ländern säßen die Banken aufgrund der Finanzkrise noch immer auf zu vielen faulen Krediten und hielten sich deshalb mit neuen Darlehen zurück.

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