Übernahmepläne durch Edeka: Sigmar Gabriel für Tengelmann-Deal - aber unter harten Bedingungen
Endlich hat sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zum Fall Edeka-Tengelmann erklärt. Er ist bereit, eine Ministererlaubnis zu geben - sofern harte Auflagen erfüllt werden. Der Prozess sei noch nicht abgeschlossen, betont er.
Wer hat gewonnen? Und wenn ja wie viel? Seit über einem Jahr kämpft Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub dafür, seine schlecht laufende Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann an Edeka verkaufen zu dürfen. Viele Unterstützer hatte die Idee zunächst nicht gefunden – das Kartellamt verbot das Vorhaben, auch die Monopolkommission war dagegen. Zu groß sei die Marktmacht von Edeka. Lange, sehr lange lag der Ball nun bei Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), den die Händler um eine Sondergenehmigung gebeten hatten. Bis Ende November sollte die Entscheidung fallen. Jetzt endlich hat Gabriel sich geäußert: Der Minister sagt ja. Oder soll man sagen jein? Vor allem, das steht fest, sagt er, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist.
Die Bedingungen
Im Kern ist Gabriel, der sich als einziger über die Wettbewerbshüter hinwegsetzen kann, bereit, genau das zu tun: Er will eine Ministererlaubnis erteilen – aber unter Auflagen. Zunächst soll Marktführer Edeka garantieren, dass 97 Prozent der rund 16 000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann für mindestens fünf Jahre sicher sind. und nach Tarif bezahlt werden, auch darf so lange keine der knapp 450 Kaiser’s-Tengelmann-Filialen an selbstständige Kaufleute abgegeben werden. Die Absichtserklärungen von Edeka waren dem Minister offenbar zu unverbindlich. Als Erfolg wertet darum die Gewerkschaft Verdi das Ergebnis: Sie spricht von weitreichenden Auflagen, „die den Erhalt der Arbeitsplätze als Gemeinwohlinteresse gewährleisten.“
Die Enttäuschten
Genau das sieht mancher jedoch nicht gewahrt. Von einer Fehlentscheidung spricht Karin Binder, verbraucherpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion. „Es ist skandalös, dass sich Sigmar Gabriel von der massiven Medienkampagne Edekas und Tengelmanns hat beirren lassen.“ Der Minister stelle Edekas Profitinteressen vor das Allgemeinwohl, urteilt auch die Menschenrechtsorganisation Oxfam Deutschland. „Für die beabsichtigte Ministererlaubnis haben die deutschen Bauern kein Verständnis“, kommentiert Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands. Wie andere hatte auch der Bauernverband eindringlich davor gewarnt, Edekas Verhandlungsposition weiter zu stärken – schon jetzt sei der Preisdruck enorm und für viele Erzeuger existenzgefährdend.
Wie es weiter geht
Edeka müsse alle Bedingungen erfüllen, sonst werde er keine Erlaubnis erteilen, betonte Gabriel. Die fusionswilligen Unternehmen haben jetzt 14 Tage Zeit, über den Auflagenkatalog zu brüten und zu entscheiden, ob sie an ihren Plänen festhalten wollen. So lange braucht der Edeka-Konzern aber offenbar nicht: Er begrüßte die Vorentscheidung am Dienstag als „guten Tag für die Kaiser’s-Beschäftigten und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die heutige Entscheidung sichert 16 000 Arbeitsplätze, entlastet die Sozialhaushalte und fördert den deutschen Mittelstand in Familienhand.“
Auch andere Branchenakteure sollen sich noch äußern, darunter Mitbewerber wie Rewe und der Markenverband, die sich gegen die Übernahme ausgesprochen hatten. Erst danach werde er eine endgültige Entscheidung treffen, sagte Gabriel. In den letzten Monaten hatte es bereits diverse Anhörungen gegeben.
Folgen für Berlin
In Berlin spielt Kaiser’s seit Jahren eine ganz besondere Rolle. Die Kette, die andernorts unter dem Namen Tengelmann betrieben wird, beschäftigt in der Region 5800 Menschen. Mit 133 Filialen und einem Marktanteil von 11,7 Prozent ist Kaiser’s in der Hauptstadt die Nummer drei nach Edeka (302 Filialen, 26,6 Prozent Marktanteil) und Rewe. Im Gegensatz zu anderen Standorten sind viele Kaiser’s-Filialen in Berlin rentabel. Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer nahm Gabriels Erklärung am Dienstag betont begeistert auf: „Ich habe mich schon vor Monaten für die Ministererlaubnis ausgesprochen und begrüße die Entscheidung.“ Auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich für die Ministererlaubnis stark gemacht.
Fest steht wohl, dass Kaiser’s aus dem Stadtbild verschwinden wird – mancherorts dürfte es dann vorübergehend zwei Edeka-Filialen nebeneinander geben.
Folgen für's Kartellrecht
„Wir fragen uns, was vom Kartellrecht nun noch übrigbleibt“, kritisiert Bauernpräsident Rukwied. Erst im November hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Grundsatzentscheidung der Behörde zu den sogenannten „Hochzeitsrabatten“ aufgehoben. Das Gericht hielt es für rechtmäßig, dass Edeka nach der Übernahme des Tengelmann-Discounters Plus 2009 Preisnachlässe für Produkte verlangt hatte, die der Konkurrent zuvor billiger bezogen hatte. Fairer Wettbewerb brauche gerichtsfeste Instrumente, klagen die Landwirte. Und was sagt das Kartellamt? Präsident Andreas Mundt ließ knapp verlauten: „Das Bundeskartellamt überprüft allein die wettbewerblichen Auswirkungen einer Fusion. Der Gesetzgeber eröffnet dem Minister dagegen bewusst die Möglichkeit, in einer politischen Abwägung wichtigen Gemeinwohlgründen Vorrang vor der Beeinträchtigung des Wettbewerbs einzuräumen.“