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Alles aus. Kaiser’s-Läden, hier in Prenzlauer Berg, sollen aus dem Stadtbild verschwinden. Die Frage ist, wer sie bekommt.
© picture alliance / dpa

Edeka will Kaiser's-Tengelmann: Entscheidung im Übernahmestreit steht bevor

Die Auseinandersetzung um Kaiser’s-Tengelmann geht ihrem Ende entgegen. An diesem Montag beginnen die Anhörungen im Bundeswirtschaftsministerium.

Von Maris Hubschmid

Was lange währt, wird manchmal Wut: Schon 28 Wochen sind vergangen, seit die Lebensmittelhändler Kaiser’s-Tengelmann und Edeka beim Wirtschaftsministerium beantragt haben, die Übernahme der defizitären Kette durch den Marktführer trotz des Verbots vom Bundeskartellamt zu genehmigen.

Wenn an diesem Montag nun die Vertreter beider Unternehmen zu einer ersten öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsministerium anrücken, dürften sie von Gegnern umringt sein. Nicht weniger als 13 Parteien haben sich angemeldet, wollen es sich nicht nehmen lassen, dabei zu sein, wenn ein vielleicht letztes Mal Argumente in die Waagschale geworfen werden. Ein letztes Mal Contra gegeben werden kann – und zwar geballt.

Mit dabei sein wird offenbar auch Rewe-Chef Alain Caparros, der seit Monaten offensiv und öffentlichkeitswirksam gegen die geplante Fusion kämpft. Auch viele andere Mitbewerber haben sich angesagt, wie die Schwarz-Gruppe, Coop oder Markant. Vertreter der Herstellerseite ließen sich ebenfalls beiladen: Der Deutsche Bauernverband und der Markenverband fürchten eine weiter wachsende Verhandlungsmacht Edekas – der Preisdruck auf die Lieferanten sei jetzt schon beinah unerträglich hoch.

Das Kartellamt warnte vor der Gefahr steigender Preise

Die Fusion würde zu einer „erheblichen Verschlechterung des Wettbewerbs“ in einem ohnehin stark konzentrierten Markt führen, hatte Kartellamtspräsident Andreas Mundt im Frühling geurteilt. Die Einkaufsmöglichkeiten der Verbraucher würden zu stark eingeschränkt. Auch die Gefahr von Preiserhöhungen sieht die Behörde gegeben.

Die Monopolkommission hatte sich dieser Argumentation angeschlossen – und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in einem Gutachten von einer Erlaubnis abgeraten. Die Stimmung schien eindeutig. Nun aber beruft sich das Fachblatt „Lebensmittelzeitung“ auf SPD-Kreise, wonach der Minister dennoch geneigt ist, den Deal zu genehmigen – erklären würde das zumindest, weshalb sich das Verfahren so hinzieht.

Eigentlich hat das Ministerium bloß vier Monate Zeit, über den Antrag zu befinden. Hätte Gabriel die dargelegten Gründe für eine Fusion für unzureichend befunden, er hätte längst ein kleines Wörtchen sagen können: „Nein.“

Feilt sein Haus also an den Auflagen?

Zu retten ist Kaiser’s so oder so nicht mehr, das scheint ausgemacht. Seit mehr als 15 Jahren macht die traditionsreiche Kette Verluste, Geld verdient Tengelmann, das seinen Sitz in Mülheim an der Ruhr hat, mit anderen Unternehmensteilen wie dem Textildiscount Kik. Dass die Supermarktkette, die in Berlin unter dem Namen Kaiser’s, andernorts unter Tengelmann firmiert, aus dem Markt ausscheide, stehe fest, erklärt Firmen-Chef Karl-Erivan Haub seit inzwischen mehr als einem Jahr. Verkaufen will er dabei partout nur an Edeka – angeblich, weil das die sozialverträglichste Lösung für seine rund 16 000 Mitarbeiter ist. Eine Einzelabwicklung der Filialen werde mindestens 8000 Jobs kosten, drohte er in einem Brief an Gabriel.

Gabriel will an der Anhörung persönlich teilnehmen

Das ist eine Lüge, wenn man Edekas schärfstem Verfolger Rewe glaubt. Immer wieder habe man angeboten, sämtliche Läden und Angestellten zu übernehmen. Der Ton, den Rewe-Chef Caparros anschlägt, ist hoch emotional. Doch auch die Gewerkschaft Verdi hält Edekas Versprechen für brüchig. Einige Standortschließungen seien im Vertrag mit Edeka sogar explizit vorgesehen – zudem sehe der Plan die Ausgliederung von Filialen an selbstständige Kaufleute im Edeka-Verbund vor. „Da kommt man in eine tarif- und betriebsratsfreie Zone, für die Edeka gar keine Zusagen machen kann“, sagt Eva Völpel von Verdi. Ein verantwortungsbewusster Unternehmer prüfe alle Angebote, hatte die Gewerkschaft mehrfach gemahnt – statt wie ein bockiges Kind damit zu drohen, alles kaputtzumachen, wenn es nicht seinen Willen bekommt.

Ein Argument des Kartellamts gegen die Fusion war auch, dass es bei keinem anderen Marktteilnehmer zu so vielen Standortdopplungen kommen würde wie bei Edeka. Zumindest langfristig – Edeka will eine Beschäftigungsgarantie für drei Jahre gegeben haben – würden also Schließungen naheliegen, unterstrich auch der neue Vorsitzende der Monopolkommission, Dieter Zimmer, unlängst in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Sollte Gabriel dem Geschäft zustimmen, wird er sich also mit vielen Fragen konfrontiert sehen. Zumindest einem Teil der Anhörung will er persönlich beiwohnen, heißt es. So ist es auch seinem Terminkalender auf der Internetseite des Ministeriums zu entnehmen. Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich die Anwesenheit des Ministeriums.

Anzunehmen ist wohl aber: Selbst, wenn er sich tatsächlich über das Votum der Wettbewerbshüter hinwegsetzen sollte, wird er der kompletten Übertragung aller 450 Märkte kaum zustimmen. Zumindest in den vom Kartellamt als wettbewerbsrechtlich besonders heikel eingestuften Regionen, zu denen neben München, Oberbayern und Nordrhein auch der Großraum Berlin gehört, dürften dann viele Märkte ausgeklammert werden. Anders jedenfalls ist ein positiver Bescheid kaum zu rechtfertigen.

Entscheidung wohl noch vor Weihnachten

Am Ende stünde dann vielleicht also doch der teilweise Ausverkauf, den Haub so dringend vermeiden wollte. Interessenten gibt es genug. Neben Rewe möchten auch Coop, Kaufland, die Schweizer Migros, Tegut und der Discounter Norma einzelne Läden übernehmen. Auf Gesprächsangebote sei Haub bisher aber nie eingegangen, klagen die Wettbewerber. Und mancher raunt verärgert: Edeka kalkuliere beim Einkauf bereits selbstbewusst mit größeren Mengen. Die Entscheidung fällt wohl erst in ein paar Wochen – vermutlich aber vor Weihnachten. Rein statistisch spricht die Wahrscheinlichkeit für die Bedenkenträger: In den vergangenen 40 Jahren sind von 21 Anträgen dieser Art lediglich acht erfolgreich gewesen. Die Regierung handelte dabei stets „im Interesse des Gemeinwohls“, heißt es. Das freilich ist Auslegungssache.

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