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Entschlossen. Edeka will im Zweifelsfall vor Gericht ziehen, um Kaiser’s übernehmen zu dürfen – und übt Druck auf die Regierung aus, das Verfahren abzukürzen.
© picture alliance / dpa
Update

Fusionspläne von Edeka und Kaiser's: Böser Brief an Sigmar Gabriel

Edeka und Kaiser’s kämpfen für ihren Zusammenschluss - und verschärfen den Ton gegenüber der Bundesregierung: In einem Brief an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel drohen die Unternehmen mit dem „sicheren Verlust“ von 8000 Jobs.

Von Maris Hubschmid

Um ihre Fusionspläne doch noch durchsetzen zu können, haben die Unternehmen Edeka und Kaiser’s-Tengelmann der Bundesregierung mit dem „völligen Verschwinden“ von mindestens 8000 Arbeitsplätzen gedroht und zugleich schwere Vorwürfe gegen das Bundeskartellamt erhoben. In ihrem 100 Seiten umfassenden Antrag auf eine Ministererlaubnis, der dem Tagesspiegel vorliegt, schreiben die Parteien unter anderem: „Fest steht, dass das Unternehmen Kaiser’s Tengelmann definitiv aus dem Markt ausscheidet (...) Nur die ’guten’ Märkte würden Übernahmeinteressenten finden.“ Gut die Hälfte der 16 000 Arbeitsplätze würden „sicher verloren gehen (...) Das würde das Aus für gut 8000 Arbeitsplätze bedeuten, darunter neben den zu schließenden Filialen insbesondere auch die Arbeitsplätze in den Lagerhäusern, den Fleischwerken und dem Ladenbaubetrieb.“

In einem persönlich gehaltenen Teil des Schreibens erklärt Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, dass es auch im Ausland keinen Interessenten für die defizitäre Supermarkt-Kette gebe. Die Händler rechnen detailliert vor, wie teuer ein Scheitern der Fusionspläne die Sozialkassen zu stehen käme. So beliefe sich allein das im ersten Jahr nötig werdende Arbeitslosengeld für die Betroffenen auf 83 Millionen Euro, hinzu komme ein Rückgang an Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen, der „mindestens 85 Millionen Euro“ betrage.

„Fehlerhafte Diagnosen“, „unplausible Fiktion“

Zugleich formulieren die Unternehmen in dem an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) adressierten Schreiben harte Vorwürfe gegen das Kartellamt. Es habe nicht nur falsche Schlüsse gezogen, sondern auch folgenschwere Verfahrensfehler begangen. So ist unter anderem von einer „falschen Modellanwendung“ die Rede. „Die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs ist vom Bundeskartellamt falsch und fehlerhaft diagnostiziert, weil die wettbewerbliche Wirklichkeit durch eine modelltheoretische Annahme ersetzt worden ist (...) Dass ausgerechnet in den Metropolregionen, in denen der Wettbewerb besonders scharf ist, der Markt durch den Zusammenschluss kippen sollte, ist eine völlig unplausible (...) Fiktion des Bundeskartellamts.“

Die Entscheidungsträger seien ihrer Aufgabe der gründlichen Prüfung nicht nachgekommen. Die Untersagung stelle „einen unverhältnismäßigen und rechtswidrigen Eingriff in die unternehmerische Handlungsfreiheit der Zusammenschlussparteien“ und in die Rechte der Arbeitnehmer dar. Edeka und Tengelmann stellen in Aussicht, zu klagen, mahnen aber gleichzeitig: „Ein solches Verfahren würde Jahre dauern, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unsicherheit leben oder weitere Einschnitte hinnehmen müssten.“ Sie appellieren deshalb an den Minister, den Prozess abzukürzen.

Ist Kaiser's ein Opfer des Kartellamts?

Bemerkenswert ist in dem Papier auch, dass die Unternehmen dem Bundeskartellamt eine Mitschuld am Niedergang von Kaiser’s-Tengelmann geben. Indem das Amt 2008 die Zustimmung zu einer Einkaufsgemeinschaft verweigert habe, habe es der Kette quasi den Todesstoß versetzt. „Der durch das Kooperationsverbot verursachte Schaden ist riesig. Er ist verantwortlich für den Marktaustritt.“ Spätestens seit 2008 sei Kaiser’s „Opfer“ einer Kartellrechtspraxis, die das Ende nicht bedenke.

Haub unterstellt der Behörde, voreingenommen zu sein, schildert dem Minister in diesem Zug einen Wortwechsel bei der damaligen Anhörung im Kartellamt: „Wie vorurteilsbeladen das Bundeskartellamt schon damals gegen eine Kooperation mit Edeka war, zeigt auch die folgende Begebenheit am 8. Mai 2008 (...) Auf Vorhaltung von Herrn Haub, Kaiser’s-Tengelmann sei nach der Abgabe der Plus-Märkte definitiv viel zu klein, um noch wettbewerbsfähige Einkaufspreise erzielen zu können und werde daher in einer Dauerverlustsituation bleiben, erwiderte ihm die neue Vorsitzende der zweiten Beschlussabteilung (...) gänzlich unbewegt, dass er sich als einer der reichsten Deutschen diese Verluste wohl noch leisten könne.“

Edeka: Die Preise sinken

Ein Sprecher des Bundeskartellamtes sagte dem Tagesspiegel: „Dieses Zitat ist nicht korrekt. Völlig unabhängig von Herrn Haubs Privatvermögen spielt die Finanzkraft eines Unternehmens hingegen selbstverständlich eine Rolle bei der Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse.“ Die Arbeit der Behörde verteidigte er mit den Worten: „Wir haben die konkreten Einkaufsalternativen für den Verbraucher vor Ort analysiert und damit ganz im Gegenteil mit einer tiefgehenden ökonomischen Analyse die Lebenswirklichkeit abgebildet.“

Edeka und Tengelmann schreiben, der Fall werfe „eine Reihe von Rechtsfragen“ auf. Die zu erwartenden Wettbewerbseinschränkungen seien dabei allenfalls marginal und schon deshalb zu vernachlässigen, weil es keinen nennenswerten Mitbewerber auf Ebene des Vollsortiments gebe und wettbewerbsbestimmende Kraft längst die Discounter seien. Preissteigerungen seien von daher nicht zu befürchten, im Gegenteil würden sich die Preise absehbar eher nach unten bewegen.

Im Fazit des Antrages heißt es: Man sei „entschieden der Ansicht, dass in unserem Einzelfall die vom Bundeskartellamt festgestellte Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird.“ Sigmar Gabriel hat noch drei Monate Zeit, über den Antrag zu entscheiden.

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