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Joe Kaeser, Vorstandschef von Siemens, spricht bei der Pressekonferenz in München.
© AFP / Christof STACHE

Konzernumbau: Siemens verlegt mehr Bereiche ins Ausland

Siemens-Chef Kaeser fühlt sich großartig, der Elektrokonzern sei „great again“. Der nächste Umbau des Konzerns bedeutet allerdings nichts Gutes für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Siemens verlegt bei der nächsten Runde des Konzernumbaus die Führung wichtiger Unternehmensbereiche ins Ausland. Die bisher fünf Sparten werden in drei operative Einheiten für Gas und Energie, smarte Infrastruktur und digitale Industrie aufgeteilt. „Siemens ist gegenwärtig in einer sehr starken Position“, sagte Vorstandschef Joe Kaeser am Donnerstag vor Analysten und Journalisten in München. Man sei „great again“ – und das seien keine „fake news“.

Die Energiesparte mit weltweit 71.000 Mitarbeitern und 21 Milliarden Euro Umsatz soll ihren Sitz im Zentrum der US-Ölindustrie in Houston (Bundesstaat Texas) haben. Diese Entscheidung dürfte auch mit der aggressiven Handelspolitik von Präsident Donald Trump zu tun haben. „Mit diesem ganzen Handelszeug sind Unternehmen gezwungen, lokal zu werden“, kommentierte Kaeser die Weltlage. Der neuen Infrastruktur-Einheit in Zug in der Schweiz werden ebenfalls 71.000 Mitarbeiter und 14 Milliarden Euro Umsatz zugeordnet.

Von Nürnberg aus soll zudem das digitale Industriegeschäft – von Kaeser als „Diamant“ bezeichnet – geleitet werden. Diese Einheit hat 78.000 Mitarbeiter und 14 Milliarden Euro Umsatz. Neuester Zukauf ist für 600 Millionen Euro das US-Software-Unternehmen Mendix.

Siemens-Arbeitnehmer äußern sich besorgt

Die Siemens-Zentrale bleibt in München, soll aber „schlanker“ werden. Daneben gibt es noch die internen Dienstleistungen fürs Geschäft, die Finanzen und Immobilien, die zusammengefasst werden sollen. Ein neuerliches Personal-Abbauprogramm ist mit der neuen Strategie „Vision 2020 plus“ nicht verbunden. Kaeser ließ anklingen, dass er eher an zusätzliche Mitarbeiter denkt. Starttermin ist der 1. Oktober. Der Siemens-Chef lobte die weltweit 377.000 Kollegen.

Beim letzten Strategieprogramm habe Siemens „nicht großartig“ dagestanden. Führung sei notwendig gewesen. Heute ist das aus Kaesers Sicht anders: „Wir sind so stark, dass der größte Faktor, der den Erfolg behindern könnte, wir selbst sind.“

Weniger begeistert gaben sich indes die Arbeitnehmer. „Die neue Ausrichtung darf nicht dazu führen, dass Marke und Identität von Siemens als vernetzter Technologiekonzern verloren gehen“, mahnte Birgit Steinborn, die Chefin des Siemens-Gesamtbetriebsrats und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende.
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Der Siemens-Vorstand hatte die Umorganisation in den vergangenen Monaten mit dem Betriebsrat und der IG Metall abgesprochen. Die Arbeitnehmervertreter erteilten noch weitergehenden Überlegungen, den Konzern in eine Holding-Struktur umzuwandeln, bei der die Münchner Zentrale nur noch als Dach dreier eigenständiger Gesellschaften fungiert hätte, eine Absage.

„Den Weg in eine Holdingstruktur werden wir weiterhin nicht akzeptieren“, betonte Jürgen Kerner, IG-Metall-Hauptkassierer und Mitglied des Aufsichtsrats. Denn die Arbeitnehmervertreter seien besorgt, dass dies den Weg in eine von den Finanzmärkten getriebene Zerschlagung des Konzerns ebnen könnte.

Kaeser schloss zwar nicht aus, dass aus den drei operativen Einheiten künftig auch separate Gesellschaften werden könnten. „Das ist aber nicht die erste Priorität.“ Der Siemens-Chef will sich aber für die Zukunft alle Möglichkeiten offen halten, Vorrang habe die Schaffung von „Optionalität“. Einen separaten Börsengang mit dem „Diamanten“ des digitalen Industriegeschäfts schloss Kaeser explizit als „nicht geplant“ aus. Zuletzt hatte Siemens im Frühjahr die Medizintechnik-Sparte aufs Parkett gebracht.

Stark sind derzeit vor allem die Auftragseingänge, die im dritten Quartal des Siemens-Geschäftsjahres (30. Juni) um 16 Prozent auf einen Wert von 22 Milliarden Euro zulegten. Der Umsatz sank jedoch – hauptsächlich wegen des starken Euro und schlechter Geschäfte in der kriselnden Kraftwerksparte – um vier Prozent. Der Nettogewinn ging sogar um 14 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro zurück.

Die mit einer weltweit sinkenden Nachfrage nach konventioneller Energieerzeugung kämpfende Kraftwerksparte holte zwar wieder mehr Aufträge, der Umsatz ging jedoch um ein Fünftel 3 Milliarden Euro zurück. Siemens will in diesem Bereich allein in Deutschland 3000 Stellen abbauen. Der Kraftwerksbau und -service werden in die neue texanische Energiesparte integriert. (dpa)

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