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Mit Warnstreiks im gesamten Bundesgebiet hat Verdi in den vergangenen Wochen versucht, Druck auf die Arbeitgeber zu machen. Ein schwieriges Unterfangen in Coronazeiten.
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Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst: Showdown am Templiner See

In Potsdam verhandeln die Tarifparteien über die Einkommen von rund drei Millionen Angestellte und Beamte.

Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes haben den 2. März 2019 in schlechter Erinnerung. Mit Ach und Krach verständigten sich damals Verdi und Beamtenbund mit der Tarifgemeinschaft der Länder auf einen neuen Tarifvertrag. Auf der Seite der Arbeitgeber hatte der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) die Verhandlungen geführt. Nachdem sich Kollatz endlich mit Frank Bsirske, dem Verhandlungsführer der Gewerkschaften, verständigt hatte, gab es plötzlich Sperrfeuer aus den eigenen Reihen: Reinhold Hilbers, CDU-Finanzminister aus Niedersachsen und damals Kollatz' Stellvertreter, lehnte den Kompromiss ab. Nur mit großer Mühe konnte der Mann aus Hannover auf Linie gebracht werden. Und jetzt beginnt das Spiel von vorn. Ohne Kollatz.

CDU-Minister verhandelt für die Arbeitgeber

An diesem Sonnabend steht in Potsdam die dritte und vermutlich letzte Runde im aktuellen Tarifkonflikt der Bundesländer an. Verhandlungsführer der TdL: Reinhold Hilbers. Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke befürchtet ein ungemütliches Wochenende in bester Lage im Kongresshotel am Templiner See. Wegen Corona: Kundgebungen und Streiks sind in diesen Zeiten kaum möglich. Die Arbeitgeber wissen um diese Schwäche der Gewerkschaften und argumentieren ihrerseits mit der Krise, die den Staat vor besondere Herausforderungen stelle: „Für Gehaltssteigerungen im öffentlichen Dienst ist bei einem Personalkostenanteil von rund 50 Prozent am Steueraufkommen wenig Spielraum“, sagt Hilbers.

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Verdi-Chef Frank Werneke führt auf Seiten der Gewerkschaften die Verhandlungen.
Verdi-Chef Frank Werneke führt auf Seiten der Gewerkschaften die Verhandlungen.
© dpa

300 Euro für die Pflege gefordert

Die Gewerkschaften, neben Verdi sind die GEW für den Schul- und Erziehungsbereich sowie die Polizistengewerkschaft dabei, fordern fünf Prozent mehr Geld aber mindestens 150 Euro mehr im Monat. Für Beschäftigte in der Pflege soll die Erhöhung sogar 300 Euro betragen. Das würde die Haushalte der Länder allein im Tarifbereich insgesamt mit rund 2,4 Milliarden Euro belasten, hat die TdL ausgerechnet. Wenn man die Übertragung auf die Beamten hinzuzählt, kommt Hilbers auf Mehrausgaben von 7,5 Milliarden Euro im Jahr.

Hessen hat schon einen Tarif

Der Tarifvertrag für die Bundesländer betrifft rund eine Million Angestellte sowie mehr als zwei Millionen Beamte und Versorgungsempfänger. Wie ein Tarifkompromiss aussehen könnte, haben die Tarifparteien vor ein paar Wochen in Hessen gezeigt; Hessen gehört als einziges Bundesland nicht mehr zur TdL. Ab dem August 2022 gibt es dort 2,2 Prozent mehr Geld und ein Jahr später weitere 1,8 Prozent. Und 2021 und 2022 bekommen die hessischen Landesbediensteten eine steuer- und sozialabgabenfreie Sonderzahlung von jeweils 500 Euro. Mit diesen Coronaprämien rechnen sich die Gewerkschaften die späte prozentuale Erhöhung erst im nächsten August schön. „Wichtig ist, dass der Reallohnverlust für die Beschäftigten, die für das Funktionieren des Staates sorgen, vermieden werden konnte“, bewertet die die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle den hessischen Abschluss.

Arbeitgeber wollen Eingruppierung ändern

Neben dem Geld – für die unteren Einkommen gibt es im Übrigen eine Erhöhung um mindestens 65 Euro – haben die Tarifparteien in Hessen noch ein paar andere Themen geregelt: Auszubildende und Berufsanfänger bekommen mehr Geld und für Digitalisierung/mobiles Arbeiten gibt es erstmals tarifliche Leitplanken. Was es in Hessen nicht gibt sind Änderungen beim sogenannten Arbeitsvorgang, wie im öffentlichen Dienst die Eingruppierung nach Schwerpunkttätigkeiten genannt wird. Die TdL will hier unbedingt ran und hat das Thema als Verteilungsmasse in den großen Topf geworfen, um den es an diesem Wochenende in Potsdam geht.

Reinhold Hilbers (CDU), Finanzminister von Niedersachsen, führt für die Arbeitgeber die Verhandlungen.
Reinhold Hilbers (CDU), Finanzminister von Niedersachsen, führt für die Arbeitgeber die Verhandlungen.
© dpa

In den bisherigen Verhandlungen habe es keine Bewegung gegeben und kein Angebot der Arbeitgeber, „weil die TdL noch immer ihr Junktim vor sich herträgt, wonach es einen Abschluss nur geben kann, wenn wir beim Thema Arbeitsvorgang klein beigeben“, klagt Ulrich Silberbach, der Vorsitzende des Beamtenbundes. „Das würde für viele unserer Kolleginnen und Kollegen eine massive Verschlechterung ihrer Eingruppierung mit sich bringen.“

Kaum Streikbereitschaft

Die Gewerkschaften werden sich darauf nicht einlassen. Strukturelle Themen, wie in Hessen, haben sie auch nicht auf der Agenda für Potsdam: Hier geht es ausschließlich um Geld: Mehr für alle, aber einen besonderen Schnaps für das Pflegepersonal, das sich in den Unikliniken der Länder auch rege an Warnstreiks beteiligt hat. Das ist im Übrigen ein ständiges Problem der Gewerkschaften in Tarifkonflikten mit den Ländern: Anders als in den Kommunen gibt es hier viel weniger streikbereite Gewerkschaftsmitglieder. In der Coronazeit noch weniger. Dementsprechend fallen am Ende die Entgelterhöhungen aus.

Coronaprämie wahrscheinlich

Was Verdi in Potsdam unbedingt erreichen muss, ist eine Zwei vor dem Komma bei der ersten Erhöhung; mit der rasant steigenden Inflationsrate steigen auch die Erwartungen der Beschäftigten. In jedem Fall werden sich die Tarifparteien wieder auf eine Coronaprämie als Einmalzahlung verständigen, zumal die Steuerbefreiung dafür im kommenden März ausläuft. Mit drei Fäden lässt sich das Tarifpaket schnüren: Coronaprämie, Leermonate zu Beginn der Laufzeit (in Hessen sind das sieben Monate) und Laufzeit des neuen Tarifvertrags.

Lobbyarbeit bei Ministerpräsidenten

„Wir haben deutlich gemacht, wo unsere Grenzen liegen“, sagt der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) dem Tagesspiegel. Als einer von zwei Stellvertretern des Niedersachsen Hilbers – der andere ist der sächsischen CDU-Finanzminister Hartmut Vorjohann – ist Dressel bei den Verhandlungen dabei. Er haben „großes Interesse, dass wir vorankommen“, sagt Dressel, der im hessischen Abschluss kein Modell für die übrigen Länder sieht.

Die Hessen gehörten zu den Geberländern und hätten also größere Finanzspielräume als die Mehrzahl der übrigen Bundesländer.

Am frühen Samstagnachmittag geht es los in Potsdam, doch tatsächlich gibt es bereits seit Tagen eifrig Lobbyarbeit. Verdi bemüht sich um Unterstützung der SPD geführten Bundesländer und der Beamtenbund kümmert sich um die CDU-Länder. Am Ende wird mitentscheidend sein, ob Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil „seinen“ CDU-Finanzminister machen lässt.

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