Berliner Energiewirtschaft: Senat verliert im Streit um das Gasnetz
Die Gasag hat im Streit um die Vergabe des Berliner Gasnetzes einen erneuten Sieg errungen. Doch der Zwist geht weiter
Vera Gäde-Butzlaff kennt das Geschäft. Die Gasag-Chefin freute sich verhalten über den erneuten Sieg vor Gericht und betonte lieber Kompromissbereitschaft und Weitblick. „Die Energiewende entscheidet sich nicht in Gerichtssälen, sondern durch die Weiterentwicklung des Strom- und Wärmemarktes dieser Stadt“. Nur pro forma wies sie dann den Senat auf „zwei exzellente Angebote“ hin, die den Streit sofort lösen könnten: Die Gasag bekommt erneut die Konzession für den Betrieb des Gasnetzes, oder aber das Land wird mit 25 Prozent an der Netzgesellschaft beteiligt. Klingt vielleicht gut, kommt aber für den Senat nicht in Frage.
Die SPD will die Energiewirtschaft rekommunalisieren
Die SPD will die Energiewirtschaft der Stadt rekommunalisieren und in einem ersten Schritt bei der Gasag mitmischen. Deshalb hatte im vergangenen Jahr die landeseigene „Berlin Energie“ den Zuschlag für das Gasnetz von der beim Finanzsenator angesiedelten Vergabestelle bekommen. Die Gasag klagte dagegen und gewann im Dezember ein erstes Verfahren vor dem Landgericht. Vor dem Kammergericht ging es nun um die Frage, ob sich Berlin Energie an dem Rechtsstreit beteiligen darf. Die Antwort des Kammergerichts lässt keine Frage offen: Nein, weil die „Parteifähigkeit“ von Berlin Energie nicht gegeben sei. Für den Senat kommt es noch schlimmer. Das Land habe „ein nicht rechtsfähiges Werkzeug mit begrenzter Aufgabenstellung und kaum eigenständiger wirtschaftlicher Tätigkeit und mit bloßer ,Platzhalterfunktion’ geschaffen, um das Berliner Gasnetz zu rekommunalisieren.“ Mit anderen Worten: Berlin Energie wurde von der Finanzverwaltung vorgeschoben.
UVB-Chef Amsinck plädiert für ein Kooperationsmodell
Und nun? Gäde-Butzlaff will so schnell wie möglich Klarheit, und das heißt, die Konzession landet bei der Gasag. So ungefähr wünscht sich das auch Christian Amsinck, Chef der Unternehmensverbände UVB. „Nun ist der Weg frei für eine partnerschaftliche Lösung zwischen der Industrie und dem Berliner Senat“, plädierte Amsinck für ein Kooperationsmodell, in dem das Land am Netz beteiligt wird. Und er plädierte ferner und mit Blick auf das Konzessionsverfahren beim Stromnetz ebenfalls auf einen „Verhandlungsweg“.
Das Gasnetzverfahren strahlt auf das Stromnetzverfahren aus
Tatsächlich strahlt das Gasnetz-Verfahren auf das Stromnetzverfahren aus, denn in beiden Fällen tritt Berlin Energie als Bewerber gegen die bisherigen Konzessionäre an: Hier die Gasag, dort Vattenfall. Wenn Berlin Energie aber im Gasverfahren von den Gerichten als nicht geschäftsfähig eingestuft wird, sind die Chancen auf einen Zuschlag bei dem deutlich bedeutenderen Stromnetz mindestens ebenso gering. Deshalb gibt es die Idee, das Stromnetzverfahren neu zu beginnen, damit der Senat respektive Berlin Energie nacharbeiten kann. Dafür ist zum Beispiel der langjährige Wirtschaftssenator Harald Wolf, der heute als energiepolitischer Sprecher der Linken fungiert. Das Stromnetzverfahren müsse wegen der „vielen Rechtsfehler im Verfahren abgebrochen“ und neu ausgeschrieben werden. Und bis dahin sei Berlin Energie mit einer eigenständigen Rechtsform, ausreichend Personal und Kapital auszustatten, forderte Wolf.
Zwei Senatoren arbeiten an einer gemeinsamen Empfehlung für den Senat
Was der Senat macht, ist offen. Auch deshalb weil es zwischen der klar auf Rekommunalisierung setzenden SPD und der skeptischen CDU Differenzen gibt. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hat gemeinsam mit Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) in den vergangenen Monaten Gespräche geführt mit den Gasag-Eigentümern Eon, Vattenfall und Engie (ehemals GDF), um zu eruieren, mit wem das Land am besten seine Klimaziele erreichen kann. Daraus wollen die beiden Senatoren nun eine Empfehlung für den gesamten Senat erarbeiten. Vermutlich wird es anschließend ein Kaufangebot an einige Gasag-Aktionäre geben.