Stromnetz-Vergabe droht zu scheitern: Kammergericht hat Bedenken gegen Rechtsform von Berlin Energie
Mit einem landeseigenen Unternehmen will Berlin das Strom- und das Gasnetz betreiben. Nach der Niederlage mit dem Gas droht Ähnliches nun beim Strom
Das Urteil steht noch aus, aber die Tendenz war in den Worten des Vorsitzenden Richters Hawickhorst des 2. Senats des Kammergerichts in Berlin bei der Anhörung am Donnerstag deutlich herauszuhören: Berlin Energie, als landeseigenes Unternehmen gegründet, um für das Land bei den Vergabeverfahren für das Strom- und Gasnetz zu bieten, ist wohl noch nicht einmal juristisch rechtsfähig. Die Bieterfähigkeit des Eigenbetriebs hatte das Landgericht Berlin bereits kassiert. Nach dem gescheiterten Vergabeverfahren zum Berliner Gasnetz droht nun auch das Scheitern des Stromnetzverfahrens. „Das ist ein Debakel, eine weitere Schlappe für das Land“, sagte Grünen-Umweltpolitiker Michael Schäfer.
Hemdsärmelig und „nicht nach Recht und Gesetz“ seien die Konzessionsverfahren durchgeführt worden. Schäfer und der SPD-Fraktionsvize Jörg Stroedter, zugleich Vorsitzender der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ forderten ein Zurücksetzen des laufenden Vergabeverfahrens zum Stromnetz auf null.
Bereits im Dezember war die Vergabe des bisher von der Gasag betriebenen Gasnetzes an Berlin Energie nach einer Klage der Gasag vor dem Landgericht krachend gescheitert. Das Verfahren der Vergabestelle bei der Finanzverwaltung unter dem damaligen Finanzsenator Ulrich Nußbaum bewerteten die Juristen in mehreren Punkten als mangelhaft. Berlin Energie sei in seiner Rechtsform nicht bieterfähig gewesen, zum anderen fehle es an Transparenz bei der Wahl der Kriterien zur Bewertung der Angebote. Das Land hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt, ebenso die Gasag. Beide Verfahren werden im kommenden (Wahl-) Jahr vor dem Kammergericht eröffnet.
Weder SPD noch CDU haben ein Interesse daran, dass die gescheiterten Konzessionsverfahren zum Wahlkampfthema werden. So setzt Nußbaum-Nachfolger Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) auf eine Verhandlungslösung, auf ein Kooperationsmodell. Nach Tagesspiegel-Informationen wurden die Gesprächsrunden mit den Gasag-Anteilseignern Eon, Vattenfall und Engie, früher Gaz de France, in dieser Woche beendet. Ob das Land letztendlich Gasag-Anteile kauft, oder wie der strategische Partner heißt, steht noch nicht fest. Kollatz-Ahnen will dem Vernehmen nach die Ergebnisse nach der ersten Sitzung der Enquete-Kommission am 9. September verkünden. SPD-Politiker Stroedter würde sich eine Mehrheitsbeteiligung des Landes bei der Gasag wünschen, Grünen-Politiker Schäfer lehnt dagegen ein „gemeinsames Unternehmen mit Energiekonzernen“ ab.
Vor dem Kammergericht wurde am Donnerstag ein Nebenaspekt behandelt, der Auswirkungen auf das Stromverfahren haben dürfte. Berlin Energie wollte dem Berufungsverfahren zur Gasnetzkonzession „beitreten“, quasi als Streithelfer aufseiten des Landes auftreten. Neben der bezweifelten Rechtsfähigkeit kam der Vorsitzende Richter auch indirekt auf die Bieterfähigkeit zu sprechen. Er nannte Berlin Energie wie auch sein Richterkollege vor Landgericht einen „Platzhalter“. Damit implizierte er, Berlin Energie sei ein unselbstständiger Teil der Berliner Verwaltung. „Hätten Sie doch mal eine GmbH gegründet“, rief er Finanzstaatssekretärin Margaretha Sudhof zu. Die Kammer will seine Entscheidung Ende August verkünden. Sudhof sagte, man warte das Urteil ab. Gasag-Sprecher Rainer Knauber sagte, vorbehaltlich der Entscheidung sei dies als „Bestätigung unserer Rechtsauffassung“ zu bewerten.
Berlin Energie bietet auch im Stromverfahren mit. Das Verfahren wurde nach dem Urteil des Landgerichts zunächst gestoppt. Den zweiten Verfahrensbrief nachzubessern, dürfte aber nach der Anhörung obsolet sein. Sollte das Land jedoch das Konzessionsverfahren auf null setzen, hat der andere Bieter Vattenfall auch schon Klage angedroht. Sabine Beikler
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